Eisenbahn-Drehscheibe Crailsheim

Die Eisenbahn-Drehscheibe in Crailsheim. Copyright: LMZ BW
Die Eisenbahn-Drehscheibe in Crailsheim. Copyright: LMZ BW
Nach kurzer Bauzeit wurde am 15. November 1866 als erste von Crailsheim ausgehende Strecke die Obere Jagstbahn nach Goldshöfe eingeweiht. Der Bahnhof Crailsheim war auf die Zukunft ausgelegt. Sein fast 30 m hoher Uhrturm bereicherte die Stadtsilhouette. Die Bahnhofsanlage folgte dem gewählten, auch für die folgenden Strecken verbindlichen Nord-Süd-Verlauf westlich der Altstadt oberhalb des linken Jagstufers und lag außerhalb des bebauten Stadtgebiets. Es folgten die Kocherbahn Crailsheim-Hessental-Schwäbisch Hall 1867, die Tauberbahn Crailsheim-Bad Mergentheim 1869 und die Bayerische Bahn Crailsheim-Ansbach 1875. Innerhalb von neun Jahren war die Eisenbahn-Drehscheibe Crailsheim geschaffen!

Bahnintern führte die im Netzknoten Crailsheim sinnvolle, ja notwendige Konzentration von betrieblichen Aufgaben wie dem Einsatz von Lokomotiven und Wagen oder der Zugbildung zu entsprechenden Anlagen, mit der Außenwirkung, dass die Bahn über 100 Jahre größter Arbeitgeber der Stadt blieb. 1975 wurde die Höchstzahl mit 750 Eisenbahnern erreicht. Durch Rationalisierungen ging die Zahl der in Crailsheim bei der Bahn Beschäftigten 2004 auf nur noch 130 zurück.

Ansiedlungen von kleineren bis mittelgroßen Betrieben, ganz offensichtlich durch die Eisenbahn angezogen, erfolgten zunächst westlich des Bahnhofs, wie 1899 durch die Holzverarbeitungsfirma Speer & Gscheidel. Für das neue Industriegebiet zwischen Altenmünster und dem Gewann Flügelau baute die Stadt 1972 ein Stammgleis südlich parallel zur Bahnstrecke nach Schwäbisch Hall. Erster Benutzer war die Firma AGA-Garn GmbH. Weiter westlich folgte 1982 die Firma Procter & Gamble, gegenwärtig der einzige namhafte Güterverkehrskunde der Deutschen Bahn (DB) in Crailsheim. Die Bemühungen der Stadt, auf dem ehemaligen Flugplatzgelände Unternehmen mit einer Affinität zum Schienentransport anzusiedeln und dies mit einem Umschlagterminal für den kombinierten Ladungsverkehr zu erleichtern, haben sich bislang nicht konkretisiert, unbeschadet der günstigen bestehenden Schieneninfrastruktur. Die DB, genauer die Stinnes AG als die seit 2003 für den Unternehmensbereich Transport und Logistik im DB Konzern zuständige Firma, sieht anscheinend keine Chance für Verkehre, die für sie interessant wären.

Durch die Bombardierungen waren ab dem 4. April 1945 alle Crailsheimer Bahnanlagen zerstört, mit Ausnahme des Wasserturms; er wurde 1978 unter Denkmalschutz gestellt. Das Bahnhofsgebäude baute man 1947/48 als Provisorium eingeschossig wieder auf. Ein an der Ostseite der Gleisanlagen, also näher zum Stadtkern vorgesehener Bahnhofsneubau sollte es ablösen. Nach mehreren Entwürfen – im Stil der 1970/80er Jahre – sowie Drängen und Unterstützung durch die Stadt Crailsheim war der feierliche Erste Spatenstich für das Vorhaben auf den 7. Juli 1981 vereinbart, als die DB wegen angespannter Lage der Bundesfinanzen ihr eigenes Investitionsprogramm kürzen und Anfang Juni 1981 das Projekt fallen lassen musste. Als Teile des Projekts wurden aber ein neues Drucktastenstellwerk – in Zusammenhang mit der Streckenelektrifizierung Stuttgart-Aalen-Crailsheim-Nürnberg (1985) – und ein Fußgängertunnel von der Ostseite (Worthingtonstraße) unter den Bahngleisen zu den Bahnsteigen (1986) gebaut. Mit dem neuen Steg über die Jagst ist eine weitere günstige Verbindung zwischen Altstadt und Bahnhof, gleichzeitig Post und Omnibusbahnhof einbeziehend, entstanden.

Karl Gaertner

Veröffentlicht in: Der Landkreis Schwäbisch Hall. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Schwäbisch Hall (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2005, Bd. 1, S. 421. 
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