Kuhn, August 

Geburtsdatum/-ort: 11.01.1886;  Marlach/Jagst
Sterbedatum/-ort: 24.12.1964;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Gewerkschaftssekretär, Kommunalpolitiker, Mitglied des Landtags – Zentrum/CDU
Kurzbiografie: 1900-1904 Müllerlehre und Arbeit im erlernten Beruf
1904-1910 Gelegenheitsarbeiten, um den Besuch von Fortbildungskursen zu finanzieren
1907-1912 Bezirksleiter des Zentralverbands Christlicher Fabrik- und Transportarbeiter (ZCF) für Württemberg (seit 1910 hauptamtlich)
1912-1914 Geschäftsführer des Zentralverbands Christlicher Fabrik- und Transportarbeiter für Baden und Elsass
1914-1928 Gauleiter des Zentralverbands Christlicher Fabrik- und Transportarbeiter für ganz Südwestdeutschland
1918-1933 Mitglied des ZCF-Reichsvorstands
1927-1933 Mitglied des Mannheimer Stadtrats (Zentrum)
1928-1933 Leiter des Mannheimer Arbeitsamts
1933-1945 Berufliche Degradierung und politische Verfolgung
1945-1952 Leiter des Mannheimer Arbeitsamts
1945-1948 Kreisvorsitzender der CDU Mannheim
1945-1946 Mitglied des Beirats des Oberbürgermeisters
1946-1959 Vorsitzender der CDU-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat
1949 Sep. Mitglied der Bundesversammlung
1946-1956 Mitglied der Vorläufigen Landesversammlung bzw. Mitglied des Landtags (Württemberg-Baden und Baden-Württemberg) – CDU, seit 1952 Vorsitzender des Sozialausschusses
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1952), Ehrensenator der Wirtschaftshochschule Mannheim (1955), Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1956), Schiller-Plakette der Stadt Mannheim (1956), Ehrenbürger der Stadt Mannheim (1964)
Verheiratet: 1913 (Laupheim) Martha, geb. Münch (1889-1945)
Eltern: Vater: Michael (1844-1892)
Mutter: Magdalena, geb. Mang (1855-1916)
Geschwister: 10:
Viktoria (geb. 1876-1877)
Johann (geb. 1877)
Constantin (geb. 1879)
Joseph (1880-1881)
Alphons (geb. 1882)
Philipp (geb. 1883)
Josef (geb. 1884)
Richard (geb. 1887)
Anton (geb. 1890)
Xaver (1893-1893)
Kinder: 5:
Helmut-Philipp (geb. 1914)
Maria-Magdalena (1916-1917)
Marta-Elisabeth (geb. 1919)
Pia-Maria (geb. 1920)
August-Anton (geb. 1925)
GND-ID: GND/101228185X

Biografie: Andrea Hoffend (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 194-196

Ein politischer Mensch, ein sozialer Mensch, ein religiöser Mensch – so ist Kuhn einmal charakterisiert worden, und damit waren zugleich auch die wichtigsten Eckpunkte eines arbeitsreichen Lebens benannt: Nicht nur durch sein jahrzehntelanges gewerkschaftliches und politisches Engagement, sondern auch durch seine insgesamt mehr als zehnjährige Tätigkeit als Arbeitsamtsdirektor hat der tiefgläubige Katholik die Geschicke der Stadt Mannheim maßgeblich mit beeinflusst. In einem kleinen Ort an der Jagst geboren, hatte Kuhn schon in frühester Jugend auf dem elterlichen Bauernhof mitarbeiten müssen; an eine höhere Schulbildung war trotz großer Begabung nicht zu denken gewesen. So erlernte er zunächst das Müllerhandwerk und erhielt bereits mit 16 Jahren den Gesellenbrief. Bald aber obsiegte sein Bildungshunger: Finanziert durch Gelegenheitsarbeiten, besuchte er Gewerbeschulkurse, später hörte er volkswirtschaftliche und sozialpolitische Vorlesungen. Die Weiterqualifizierung trug schon bald Früchte: Dem 21-jährigen wurde die Bezirksleitung des Zentralverbands christlicher Fabrik- und Transportarbeiter Deutschlands für Württemberg übertragen, später kam das bayerische Schwaben hinzu. Kuhn stand damit vor einer doppelt schwierigen Aufgabe: Denn zum einen war die junge christliche Gewerkschaftsbewegung der sozialdemokratischen von vornherein unterlegen – was nicht zuletzt mit ihrem Konzept einer Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitern und Unternehmern zusammenhing, das unter den im Kaiserreich herrschenden Bedingungen zum Scheitern verurteilt war. Zum anderen aber organisierte Kuhns Verband mit den ungelernten Arbeitern vor allem der Chemieindustrie diejenige Arbeitergruppe, die trotz schlechtester Arbeitsbedingungen am schwersten für die Gewerkschaftsbewegung zu gewinnen war.
1912 wurde Kuhn nach Mannheim entsandt, um dort die Gauleitung seines Verbands für Südwestdeutschland zu übernehmen. Seine Studien setzte er an der örtlichen Handelshochschule fort; zugleich konnte er jetzt an die Gründung einer Familie denken. Auch im Verfolg der ihm gestellten Aufgabe erzielte Kuhn nicht geringe Erfolge. 1918 in den Reichsvorstand seiner Gewerkschaft berufen, war er es, der den entscheidenden Anstoß zu einer Fusion mit dem christlichen Keramarbeiterverband gab – ein Schritt, der jahrelangen internen Streitigkeiten ein Ende bereitete und die Schlagkraft der Organisation merklich erhöhte.
Unter den Bedingungen der Weimarer Demokratie glaubte Kuhn nun endlich die Zeit gekommen, um die Arbeitgeber in die Verantwortung für soziale Belange zu nehmen. Am im Reichsarbeitsministerium entwickelten und 1927 realisierten Konzept der Gründung einer Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung etwa hatte er beratend Anteil, und 1928 wurde er nach über 20jähriger Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär zum ersten Direktor des Mannheimer Arbeitsamts berufen – auch dies wiederum eine doppelt schwere Aufgabe: bei Kuhns Amtsantritt warf die Weltwirtschaftskrise schon ihre Schatten voraus, obendrein war die Quadratestadt von der höchsten Arbeitslosenquote im deutschen Südwesten betroffen.
Trotz großer beruflicher Belastung war Kuhn seit 1919 in öffentlichen Ämtern für die katholische Zentrumspartei aktiv, zunächst in der örtlichen Stadtverordnetenversammlung, später dann im Stadtrat, und 1929 rückte er zusätzlich in den Badischen Landtag ein. Nach der NS-„Machtergreifung“ wegen seiner politischen Aktivitäten entlassen und zunächst arbeitslos, wurde Kuhn nach einiger Zeit dann doch zum Leiter des Arbeitsamts in Bad Mergentheim berufen. Nachdem er jedoch das Angebot abgelehnt hatte, um den Preis einer NSDAP-Mitgliedschaft wieder in seine alte Position in Mannheim zurückkehren zu dürfen, war der Auftakt zu kontinuierlicher Degradierung und mannigfachen anderen Schikanen im Dienst gegeben.
Während der NS-Zeit bot Kuhn ehemaligen Mitarbeitern aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung, aber auch Verfolgten anderer politischer Couleur Unterstützung. Über Jakob Kaiser, mit dem ihn persönliche Freundschaft verband, stand er seit 1940 mit dem Widerstandskreis um Carl Goerdeler und Wilhelm Leuschner in Kontakt und unterstützte dessen Arbeit finanziell – dies auch noch, nachdem er 1943 ausgebombt worden war. Nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 inhaftiert, musste Kuhn mangels Beweisen wieder freigelassen werden; indes scheint noch 1945 seine erneute Festnahme, wenn nicht gar seine Erschießung geplant gewesen zu sein. Die stete Bedrohung trug dazu bei, dass seine Ehefrau wenige Wochen vor der Befreiung von der NS-Diktatur starb.
Dem gerade erlittenen Schicksalsschlag zum Trotz gehörte Kuhn nach dem Zusammenbruch des Regimes zu Mannheims „Männern der ersten Stunde“: Zusammen mit dem Sozialdemokraten Jakob Trumpfheller und dem aus dem KZ Buchenwald zurückgekehrten Kommunisten Paul Schreck beantragte er am 1. Juni 1945 bei der US-amerikanischen Militäradministration die Neugründung einer Einheitsgewerkschaft auf lokaler Ebene; noch im selben Monat kehrte er auf seinen Posten als Arbeitsamtsdirektor zurück. Am 3. September 1945 sodann konnte Kuhn auch einen Antrag auf Zulassung der „Christlich-Demokratischen Partei“ für Mannheim stellen, eines überkonfessionellen Zusammenschlusses ehemaliger Angehöriger des katholischen Zentrums und des evangelischen „Christlich-sozialen Volksdienstes“. Die „Vorläufigen Richtlinien“, die sich die lokale Parteiformation Anfang 1946 gab, trugen die Handschrift des Parteivorsitzenden Kuhn, indem sie das Profil einer christlichen Arbeitnehmerpartei betonten.
Seit einem Verkehrsunfall im Juni 1946 gesundheitlich schwer angeschlagen, legte Kuhn 1948 den CDU-Kreisvorsitz nieder, behielt allerdings das einflussreichere Amt des Fraktionsvorsitzenden im 1946 neu konstituierten Gemeindeparlament und hatte so auch in den folgenden zehn Jahren noch maßgeblichen Anteil an der Mannheimer Kommunalpolitik: Er war Initiator des „Volksausschusses Braun“, der sich 1948 vergebens für die Wahl seines 1945 von der Besatzungsmacht eingesetzten Parteifreunds Josef Braun zum Oberbürgermeister einsetzte. Als bereits 1949 die nächste Oberbürgermeisterwahl anstand, brachte Kuhn gemäß einer Strategie des kleineren Übels den früheren Amtsinhaber Hermann Heimerich, einen Sozialdemokraten, mit Erfolg als Kandidaten ins Spiel. Auch im Landesparlament war Kuhn von Anbeginn wieder in vorderster Reihe aktiv, so vor allem als zunächst stellvertretender Vorsitzender, später dann als Vorsitzender des Sozialausschusses. Durch hartnäckigen Einsatz im Finanzausschuss wiederum konnte er die Bewilligung von Landesmitteln für den Wiederaufbau des Mannheimer Hafens, des Schlosses sowie mehrerer Kirchen durchsetzen. 1949 und 1954 Mitglied der Bundesversammlung, war er zeitweise sogar als Bundesarbeitsminister im Gespräch.
Noch wenige Tage vor seinem Tod an Heiligabend 1964 bedachte man den bereits schwerkranken Kuhn mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Mannheim. Postum wurden eine Straße in der Nähe seines letzten Wohndomizils sowie eine Siedlung der Neuen Heimat nach ihm benannt. Sie erhalten die Erinnerung an einen Mann wach, der die katholische Soziallehre zeitlebens nicht nur propagiert, sondern auch gelebt hat.
Quellen: StadtA Mannheim, Nachlass A. Kuhn (0,10 lfm, 1936-1989) u. Bestand Hauptreg.
Werke: Vor 1933 zahlreiche Zeitungsartikel (vgl. Quellen).
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim.

Literatur: Die CDU in B-W u. ihre Geschichte, hg. von Paul-Ludwig Weinacht, 1978; Christian Peters, „Glücklicherweise bilden wir eine Ausnahme“. Mannheim in den fünfziger Jahren, 2002; Andrea Hoffend, W. Kuhn, in: Die höchste Auszeichnung d. Stadt, 2002, 139-143.
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