Roeckel, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 03.08.1865;  Herbolzheim, Kreis Mosbach
Sterbedatum/-ort: 25.01.1936;  Bühl
Beruf/Funktion:
  • katholischer Geistlicher, Mitglied des Landtags-Zentrum
Kurzbiografie: 1872-1879 Volksschule Herbolzheim
1879-1881 Gymnasium Tauberbischofsheim
1881-1885 Gymnasium Bruchsal mit Abitur (1885)
1885-1888 Studium der katholischen Theologie Würzburg
1888-1889 Studium der katholischen Theologie Freiburg und St. Peter
1889 (2. 7.) Priesterweihe St. Peter
1889-1890 Vikar Konstanz, Wiesloch, Bühl
1890-1901 Pfarrverweser Achern, Önsbach, Großweier, Bühl, Eisental, Dallau
1901-1916 Pfarrer Urloffen
1909-1925 Mitglied des Landtags (Zentrum)
1916-1936 Pfarrer Bühl
1924 Geistlicher Rat ad honorem
1926-1936 Dekan des Kapitels Ottersweier
1929 Ehrenbürger der Stadt Bühl
1935 (2. 7.) päpstlicher Geheimkämmerer (Monsignore)
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Josef Adam Roeckel (1826-1870) Landwirt
Mutter: Theresia, geb. Menstell (1825-1907)
Geschwister: Josephine (geb. 1856)
Ludwig (geb. 1858)
Alois (geb. 1869)
GND-ID: GND/1012297543

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 236-238

Roeckel entstammte kleinbürgerlichen Verhältnissen. Da der Vater früh starb, stellte sein Besuch der höheren Schule die Mutter vor große finanzielle Opfer. Nach bestandenem Abitur faßte er den Entschluß, in den geistlichen Stand einzutreten. Mit Rücksicht auf seine prekäre wirtschaftliche Lage erbat er von der Freiburger Kirchenbehörde die Erlaubnis, das Studium im nahegelegenen Würzburg beginnen zu dürfen.
Nach der Priesterweihe war Roeckel an verschiedenen Seelsorgestellen – zunächst als Vikar und dann als Pfarrverweser – tätig, bis ihm 1901 die Pfarrei Urloffen übertragen wurde. Gewissenhaft übte er die ordentliche Seelsorge aus, aber er ging auch mit Entschlossenheit daran, das kirchliche Vereinswesen aufzubauen. Ebenso war er ein tatkräftiger Förderer des Katholischen Volksvereins, für den er, seit 1916 Pfarrer in Bühl, unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg ein „Volksbüro“ auf Bezirksebene einrichtete.
Roeckel war noch Pfarrverweser in Achern (1892/94), als er, gemeinsam mit Hermann Schindler, den „Acher Bote“ redigierte. Nach Gründung des Unitas-Verlages (Bühl) und des nunmehr von diesem herausgegebenen „Acher- und Bühler Bote“ war Roeckel hauptverantwortlicher Schriftleiter und seit 1898 auch Herausgeber der religiösen Wochenschrift „Christliches Familienblatt“. Dank seines ausgeprägten kaufmännischen Talentes gelang es ihm, den „Acher- und Bühler Bote“ auf finanziell solide Grundlagen zu stellen und ihn zur beherrschenden Zeitung des Umlandes zu machen.
Wie das katholische Vereins- und Pressewesen förderte Roeckel auch die politisch-religiösen Zielvorstellungen der Zentrumspartei, und seit 1909 gehörte er als Vertreter des Wahlkreises Achern selbst dem Landtag an. Wenn er auch nie das große politische Geschehen auf der Landes- und Reichsebene aus den Augen verlor, wollte er im Parlament doch in erster Linie der Anwalt seiner Wähler mit ihren Alltagssorgen sein. Seine stets sorgfältig vorbereiteten Reden im Rondell spiegelten häufig die wirtschaftlichen Anliegen seiner größtenteils ländlichen Wählerschaft wider. Sechzehn Jahre gehörte er der badischen Volksvertretung an, bis ihn 1925 gesundheitliche Gründe zwangen, die Abgeordnetentätigkeit aufzugeben.
Unter den zahlreichen sozialkaritativen Initiativen, die Roeckel als Pfarrer ergriff (u. a. Gründung von Absatzorganisationen für landwirtschaftliche Produkte; Gründung eines „Pfennig-Sparvereins“ für Kinder und Jugendliche; Planung einer Pferdebahn zwischen Urloffen und Appenweier für die auswärts arbeitende Bevölkerung) verdient vor allem das „Veronikawerk“ Beachtung. 1923 hatte er diesen Verein auf Diözesanebene ins Leben gerufen, um den katholischen Pfarrhaushälterinnen eine angemessene Altersversorgung zu sichern. In logischer Fortsetzung dieser Idee gründete er 1931 in Bühl das Veronika-Altersheim, in welchem neben den Pfarrhausangestellten aber auch andere alte Menschen den Lebensabend verbringen konnten. Diesem Zweck dient das Wohnheim bis auf den heutigen Tag.
Roeckels sozialkaritative Verdienste werden in keiner Weise geschmälert, wenn nicht alle Impulse zum gewünschten Erfolg führten. Neben eine grundsätzlich intendierte wirtschaftlich-finanzielle Effizienz trat für ihn immer auch der pädagogisch-erzieherische Aspekt, bei den Zeitgenossen den Willen zur Eigeninitiative zu wecken.
Im Vorfeld der nationalsozialistischen Machtübernahme steuerte der „Acher- und Bühler Bote“ eindeutig auf Gegenkurs. Zwar hatte Roeckel zum damaligen Zeitpunkt die Redaktion bereits in jüngere Hände gelegt, doch übte er noch immer einen starken Einfluß auf die Zeitung aus. Daher zog auch er sich immer wieder den Unmut der Partei zu. Daß Roeckel nach 1933 dennoch unbehelligt blieb, war nicht zuletzt dem starken Rückhalt zu verdanken, den er als Bühler Stadtpfarrer bei der überwiegend katholischen Bevölkerung hatte.
Roeckels verdienstvolles Wirken für Kirche, Staat und Gesellschaft hatte verschiedentlich öffentliche Anerkennung gefunden. 1929 wurde er Ehrenbürger der Stadt Bühl. Anläßlich seines 70. Geburtstages war er, nur wenige Monate vor seinem Tod, zum päpstlichen Geheimkämmerer ernannt worden.
Werke: Der Zentrumswähler. Polit. Kalender, Jg. 1-4 u. 5, Bühl 1911-1914 u. 1919; Polit. Volkskalender, Bühl 1915 u. 1918; ferner zahlreiche Beiträge in d. Ztg. u. der religiösen Wochenschrift, deren Redakteur bzw. Herausgeber Roeckel war. – Andachtsbüchlein z. Feier d. Erlösungsjubiläums im Gnadenjahr 1934/35, Bühl 1934.
Nachweis: Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung; E. Keller, a. a. O., 23.

Literatur: O. Gehrig u. K. J. Rößler, Die Verfassunggebende bad. Nationalversammlung 1919, 128, Karlsruhe 1919; N. N., Zum 40jähr. Priesterjubiläum von W. Roeckel, in: Acher- u. Bühler Bote, 63. Jg., Nr. 154, 1-2, Bühl 1929; N. N., W. Roeckel, in: Konradsblatt, 20. Jg., Nr. 6, 138, Karlsruhe 1936; N. N., W. Roeckel, in: FDA 68 (NF Bd. 41), 1941, 6; H. Köhler, Lebenserinnerungen, hg. von J. Becker, 162-164, Stuttgart 1964; E. Keller, Stadtpfarrer W. Roeckel Gründer d. Veronikawerkes, in: 50 Jahre Veronikawerk, Hg. Veronikawerk e. V. Freiburg, 23-26, Freiburg 1973; H.-J. Kremer (Bearb.), Mit Gott f. Wahrheit, Freiheit u. Recht. Q. z. Organisation u. Politik d. Zentrumspartei u. d. polit. Katholizismus in Baden 1888-1914, 319, Stuttgart 1983.
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