Waeldin, Paul 

Geburtsdatum/-ort: 12.06.1888;  Lahr
Sterbedatum/-ort: 15.11.1969;  Lahr
Beruf/Funktion:
  • DDP/FDP-Politiker, Regierungspräsident von Südbaden
Kurzbiografie: 1894-1897 Volksschule in Lahr
1897-1906 Gymnasium in Lahr und Realgymnasium in Ettenheim
1906 Abitur
1906-1907 Militärdienst. Anschließend Studium der Rechts- und Staatswissenschaften
1911 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Heidelberg
1912 Prokurist im Betrieb des Vaters
1914-1918 Teilnahme am ersten Weltkrieg
1918 Stadtverordneter, Obmann des Bürgerausschusses und Stadtrat in Lahr
1929 Wahl zum Landtagsabgeordneten (DDP)
1933-1945 Unterbrechung der politischen Tätigkeit
1945-1952 ehrenamtlicher Oberbürgermeister von Lahr
1946-1947 Staatssekretär der Finanzen des Landes Baden (Südbaden)
1952-1957 Regierungspräsident von Südbaden
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1917 Edith, geb. Altfelix, Tochter des Lahrer Oberbürgermeisters Dr. Gustav Altfelix
Eltern: Vater: Karl August Waeldin, Lederfabrikant in Lahr
Mutter: Luise Wilhelmine, geb. Flüge, Tochter des Lahrer Bürgermeisters Wilhelm Flüge
Geschwister: 3
Kinder: 4 (3 Söhne, 1 Tochter)
GND-ID: GND/1012369684

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 260-261

„Ich wurde im wahrsten Sinn des Wortes in liberalen Gedankengängen erzogen, und die Toleranz anderen gegenüber wurde mir zur Pflicht gemacht“, schreibt Waeldin über sich mit dem Blick auf das Elternhaus. Diesem verdankt er außer der ideellen Erziehung eine langjährige und vielseitige Ausbildung, die ihm die Eigenschaft erwerben half, die seine Mitmenschen an ihm schätzten: die Gelassenheit eines süddeutschen Weltbürgers.
Nach dem Abitur diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Feldartillerieregiment 66 in Lahr: Anschließend studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg und Heidelberg und promovierte 1911 zum Dr. jur. über ein Thema aus dem Börsenrecht. Während der Semesterferien und neben dem Studium bemühte er sich um eine kaufmännische und technische Ausbildung, zugeschnitten auf die väterliche Lederfabrik in Lahr. Er sah sich in verschiedenen inländischen Betrieben um, unter anderen bei der BASF, aber auch im Ausland, bevorzugt in England, wohin der Vater geschäftliche Verbindungen unterhielt. (Auf diese Englandaufenthalte vor 1914 verwies Waeldin 1955, als er als südbadischer Regierungspräsident vom britischen Foreign Office zu einem Studienaufenthalt – Thema: Demokratie im kommunalen Bereich – eingeladen wurde. Er könne sich ohne Dolmetscher im Land bewegen, nur zu politischen Gesprächen erbitte er einen solchen.) Nach dem Tode des Vaters 1912 wurde Waeldin Prokurist, später Teilhaber der Waeldin-Huber KG, Lederfabrik in Lahr.
Bei seinem Ausbildungsregiment machte er den ersten Weltkrieg vom Anfang bis zum Ende mit und nahm an zahlreichen Schlachten teil, u. a. Ypern, Verdun, Somme und Reims. Daß er 1918 als Oberleutnant, ausgezeichnet mit dem EK I, zurückkehrte, dokumentiert seine uneingeschränkte persönliche Einsatzbereitschaft und auch das nationalliberale Erbe in seiner Familie; der Großvater mütterlicherseits, Bürgermeister Wilhelm Flüge, war ein glühender Verfechter des Reichsgedankens.
Nach Kriegsende engagierte sich Waeldin neben seiner Tätigkeit im Betrieb in der Lahrer Kommunalpolitik, erst als Mitglied des Bürgerausschusses, dann als dessen Obmann, als Stadtrat, auch als Bezirksrat. Er schloß sich der liberalen DDP (Deutsche Demokratische Partei, die sich eine Zeit lang Staatspartei nannte) an und konnte einflußreiche Politiker zu seinen Freunden zählen, wie etwa den badischen Minister und Reichsminister Hermann Dietrich oder Richard Freudenberg, Lederfabrikant wie Waeldin, 1924 bis 1933 Vorsitzender der badischen DDP und MdL, von 1949 bis 1953 MdB. 1929 wurde Waeldin Abgeordneter des Wahlkreises Lahr-Emmendingen im badischen Landtag als Mitglied der DDP-Fraktion. 1933 mußte er seine politischen Ämter aufgeben; auch die Ehrenämter legte er nieder: 1932 den Vorsitz im Lahrer Turnverein, 1933 die Führung im Turngau Breisgau. Bis 1945 widmete er sich nur dem Betrieb.
Im April 1945 wurde Waeldin von der französischen Besatzungsmacht als Oberbürgermeister von Lahr eingesetzt. (Als die Franzosen die Bismarckbüste im Stadtpark entfernen wollten, soll er mit seinem Rücktritt gedroht und das Denkmal damit gerettet haben.) Ehrenamtlich lenkte er die Geschicke der Stadt während der frühen Jahre des Wiederaufbaus bis 1952 und bewies dabei Tatkraft und hohen persönlichen Einsatz. Mit hochgeschlagenem Mantelkragen saß er im ersten Nachkriegswinter im ungeheizten Rathaus. Daneben führte er den Vorsitz in der neugegründeten liberalen Partei FDP in Südbaden. Von 1946 bis 1947 versah er das Amt des Staatssekretärs der Finanzen des Landes (Süd-)Baden in der Regierung Wohleb. Überdies war er Präsident des Badischen Städteverbandes.
Nach der Bildung des Landes Baden-Württemberg wurde er 1952 der erste Regierungspräsident des Regierungsbezirks Südbaden. Zweierlei Faktoren prädestinierten ihn für dieses Amt in dieser Zeit: Er war entgegen der mehrheitlichen Einstellung in Baden ein Verfechter des Südweststaates gewesen, und er wurzelte in der Kommunalpolitik, mit der er nun von höherer Warte aus zu tun hatte. Kommunale Selbstverwaltung betrachtete er als unantastbares Gut. Nach Ansicht eines Mitarbeiters sei für Waeldin ein dem schweizerischen ähnliches Demokratieverständnis kennzeichnend gewesen, das die praktische Lösung im Kompromiß über den Dogmatismus setzte.
Als 69jähriger trat Waeldin 1957 in den Ruhestand. Die Leitung der 1795 gegründeten Lederfabrik hatte sich 1954 durch die Liquidation des Unternehmens erledigt – eine bittere Erfahrung für den traditionsbewußten Waeldin. Zum Abschied aus dem Amt des Regierungspräsidenten wurde er mit dem großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik ausgezeichnet. Andere Ehrungen waren vorausgegangen: 1952 hatte er von der eben noch amtierenden Regierung Wohleb den Titel Kommerzienrat erhalten, 1953 den Ehrenbürgerbrief seiner Heimatstadt Lahr, 1956 brachten ihm die mit dem Amt des Regierungspräsidenten verbundenen Repräsentationspflichten anläßlich eines Staatsbesuchs des Königs Paul von Griechenland einen griechischen Orden ein. 1966 folgte schließlich die Verleihung des Heimatpreises des Landkreises Lahr. Das Gesetz, kraft dessen der Landtag von Baden-Württemberg 1954 Regierungspräsident Waeldin den Bezug eines Ruhegehaltes gewährte, ist als „Lex Waeldin“ in die Rechts- und Verwaltungsgeschichte eingegangen. (Vgl. Theodor Eschenburg: Herrschaft der Verbände? 1955.)
Quellen: Personalakte in StAF. Genealogisches Material im Besitz der Familie Waeldin, Lahr.
Nachweis: Bildnachweise: Vgl. Lit.

Literatur: BH 32, 1952, 82-84 mit Bild (Vf. Emil Baader); BH 48, 1968, 237 mit Bild (Vf. Willi Hensle); Badische Zeitung vom 27. Juli 1957, (Vf. Herbert Wiedemann); Geroldseckerland (Jb des Landkreises Lahr) 1, 1958/59, 123 mit Zeichnung. (Vf. Dr. Hermann Wiedtemann); Christian Sütterlin: Lahrer Persönlichkeiten. Ettenheim 1955, 44 f.
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