Walz, Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 14.02.1888; Frankfurt a. M.
Sterbedatum/-ort: 05.12.1966;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Jurist, Oberbürgermeister, Fachschriftsteller und Richter
Kurzbiografie: Volksschule und humanistisches Gymnasium in Heidelberg
1906-1910 Studium der Rechtswissenschaften in Paris, Heidelberg und München; Erste Juristische Staatsprüfung, Eintritt in das Beamtenverhältnis
1910/11 Militärdienst
1914-1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Reserveoffizier
1919 Zweite Juristische Staatsprüfung (Karlsruhe)
bis 1942 Laufbahn in der inneren Verwaltung (1932 Ministerialrat)
1935 Ministerialrat beim Badischen Rechnungshof
1942 in den Ruhestand versetzt ("Halbjude") und bis 1945 Angestellter in der Privatwirtschaft
1945 Präsidialdirektor und Abteilungsleiter der Regierung Mittelrhein-Saar
1945 Vizepräsident der vorläufigen Regierung von Nordbaden
1945/46 Kommissarischer Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg
1946/47 Vorsitzender einer Spruch- und Berufungskammer in Heidelberg
1946-1953 Vizepräsident und Senatspräsident des Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofs in Karlsruhe, ab 1949 Präsident des Dienststrafsenats Karlsruhe des Württemberg-Badischen Dienststrafhofs
1953 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1948 Dr. h. c. der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg
1950-1952 Mitglied des Staatsgerichtshofes für Württemberg-Baden
1956-1960 Vorsitzender eines Ausschusses unabhängiger Sachverständiger zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Vereinfachung, Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung im Lande Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1912, Emilie, geb. Knorr
Eltern: Dr. phil. Georg Walz, Chemiker (gest. 1900)
Sophie, geb. Zinn
Kinder: Arnold (geb. 1913)
Hannah (geb. 1917)
Hella (geb. 1919)
GND-ID: GND/1012370321

Biografie: Paul Feuchte (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 472-474

Zu echter Rechtsstaatlichkeit, nicht so sehr als einem Ergebnis von Gesetz, Institution und Organisation, sondern als einer Gesinnungsweise des Staatsbürgers und der Gesetzgebung und Verwaltung bekannte sich der Richter Walz, der in der Phase intensiven Aufbaus der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte nach dem Zweiten Weltkrieg die Dritte Gewalt zum Hüter des Rechtsstaates berufen sah (1952), nicht ohne Stolz auf die gute Tradition der Verwaltungsrechtspflege, die das Land Baden auszeichnete.
Walz steht in der Reihe hervorragender Persönlichkeiten der Verwaltung, die entsprechende Tugenden auch als Richter bewiesen haben. Bevor er 1946 sein Amt als Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofs und Senatspräsident in Karlsruhe antrat, war er längst eine markante Figur der badischen inneren Verwaltung geworden. Dort hat er – nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg, als Reserveoffizier, von Anfang bis Ende und nach kürzerer Tätigkeit beim Rechtswirtschaftsgericht in Berlin und bei einer Versicherungsgesellschaft in Mannheim – einen Schatz an Erfahrung, Wissen und Urteilskraft gesammelt. Im Karlsruher Innenministerium arbeitete er in der Abteilung für Verfassungsrecht, Verwaltungsorganisation, Kommunal- und Sparkassenaufsicht, die er ab 1930 leitete.
Daneben versah er noch andere Ämter; so leitete er, um nur einiges herauszugreifen, zeitweise eine Kammer eines Versorgungsgerichts, war Vertreter des öffentlichen Interesses beim Verwaltungsgerichtshof, ferner Staatskommissar für Fragen des Badischen Sparkassen- und Giroverbandes. Im „Preußenstreit“ vor dem Staatsgerichtshof des Reiches vertrat er 1932 das Land Baden, das auf die Grenzen der Diktaturgewalt des Reichspräsidenten pochte und die bundesstaatlichen Elemente der Verfassung bewahrt wissen wollte, indem es für die Rechte der Länder eintrat.
Aus rassischen Gründen – die Mutter war Amerikanerin deutsch-jüdischer Abstammung – wurde seine Initiative von 1933 an empfindlich gehemmt; 1935 kam er in den politisch wenig bedeutsamen Rechnungshof, 1937 wurde er in den einstweiligen, 1942 in den endgültigen Ruhestand versetzt. Seine ungebrochene Bereitschaft zu aktivem Handeln führte ihn 1945 zunächst in das von den Amerikanern eingesetzte Präsidialkollegium („Regierung“) für den kurzlebigen Verwaltungsbezirk Mittelrhein-Saar unter Hermann Heimerich, dann in die Regierung Nordbaden und von September 1945 bis Mai 1946 kommissarisch in das Amt des Oberbürgermeisters von Heidelberg, das sein Onkel Ernst Walz, dieser in manchem sein Vorbild als Verfasser einer großen Zahl staats- und verwaltungsrechtlicher Schriften, darunter „Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden“, viele Jahre innegehabt hatte. Von da machte er nach kürzerer Tätigkeit als Spruchkammervorsitzender den Sprung in die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Bildung des Karlsruher Senats des Verwaltungsgerichtshofs Stuttgart gab dazu den Anstoß.
Walz, der in der Weimarer Zeit, angezogen von der Politik und der Persönlichkeit Stresemanns, der liberalen Deutschen Volkspartei beigetreten war, bezeugte auch jetzt, obwohl keiner Partei angehörend, starkes Interesse an der Politik und betätigte sich in verschiedenen bürgerschaftlichen Vereinigungen, so in der von Alfred Weber gegründeten Heidelberger Aktionsgruppe. In der Südweststaatsfrage befürwortete Walz, dessen seit mehreren Generationen in Heidelberg ansässige Familie aus Württemberg stammte, den Zusammenschluß der Länder.
66jährig übernahm Walz nochmals eine Aufgabe für das Land; die Regierung vertraute ihm den Vorsitz einer Kommission unabhängiger Sachverständiger an, die Vorschläge zur Vereinfachung, Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung ausarbeitete. Die Landesregierung trug dem Ende 1957 vorgelegten Gutachten ohne enge Anlehnung weitgehend Rechnung. Das Gutachten empfahl, die Zahl der Regierungspräsidenten auf zwei zu reduzieren, was nicht geschah. Auf der Kreisstufe lehnte es Großkreise ab, empfahl, die Grenzen der Landkreise nach näherer Prüfung den Wirtschaftsräumen anzupassen und die Exklaven zu bereinigen. Zu größeren Änderungen im Verwaltungsaufbau kam es damals aus allgemein landespolitischen Gründen noch nicht, sie blieben der Verwaltungsreform Anfang der 70er Jahre vorbehalten.
Schon die Arbeit im Ministerium begleitete Walz mit zahlreichen Publikationen, vor allem zu praktisch bedeutsamen Fragen des Kommunalrechts, der Staatsaufsicht, des Sparkassenrechts, des Stiftungsrechts, der Verwaltungsorganisation, des Disziplinarrechts und des Wahlrechts. Sie sind, neben den beiden Büchern über die „Markanleihen“ und „Bürgerrecht und Bürgernutzen“, weit gestreut in den großen Fachzeitschriften und in badischen Zeitschriften wie der „Zeitschrift für Badische Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege“, „Die Gemeinde“, und im Handbuch „Der Badische Bürgermeister“. Die 1933 abgebrochene schriftstellerische Tätigkeit nahm Walz 1946 wieder auf, wobei die Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Gemeinderecht thematisch hervortreten. Bei feinsinnigem Einfühlen in das Werden und die neuen Perspektiven des sich entwickelnden Gerichtszweiges blieb der Blick offen für die praktischen Erfordernisse, der wirksame Schutz des Bürgers im Vordergrund des Interesses, was nicht so sehr auf dem Weg „vom Leben ins Papier“ zu den höheren Gerichten, sondern durch möglichst bürgernahe Institutionen zu erreichen sei, die Gelegenheit zu persönlicher Berührung mit den Verwaltungsgerichten schaffen.
Die älteren Publikationen bestechen nicht durch glanzvolle Formeln; sie zeigen in allen Teilen gediegene, sachlich nüchtern aufgebaute und dargestellte präzise rechtliche Argumentation. Wenn er – in „Bürgerrecht und Bürgernutzen“ – den Anspruch, eine wissenschaftlich tiefer eindringende systematische Darstellung zu geben, von sich weist und dies einem Berufeneren vorbehält, so spricht daraus nicht nur die Selbstbeschränkung, die für eine solche praxisorientierte Arbeit geboten sein mag, sondern auch eine fast zu große persönliche Bescheidenheit, vielleicht auch ein leichter Spott. Einem freieren Duktus folgen weniger stark an dogmatische Vorgaben gebundene Arbeiten der späteren Jahre, deren rechtspolitischer und historischer Gehalt die Akzente bestimmt.
Die Urkunde der Ruperto-Carola, mit der ihm die Würde eines Doktors der Rechte ehrenhalber verliehen wurde (1948), rühmt Walz als einen „Hüter bester badischer Verwaltungstradition, ausgezeichneten Kenner und wissenschaftlichen Ergründer des heimischen Rechts, unermüdlichen Kämpfer für rechtsstaatliche Demokratie“. Jugendlich elastisch, elegant und geistreich nennt ihn sein Nachfolger im Richteramt Xaver Schoen. Im Archiv des öffentlichen Rechts, zu dessen Herausgeber Walz seit dem Wiedererscheinen nach dem Kriege bis 1963 zählte, hat der Heidelberger Kollege Hans Schneider den verstorbenen Grandseigneur gewürdigt: seinen liebenswürdigen Charme, seine weltoffene Art, seine Bescheidenheit, seine feine Selbstironie und Noblesse.
Quellen: Auskünfte (aus Personalakten) vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Mannheim
Werke: (Auswahl; siehe auch Vitentext) Die Ablösung der Markanleihen der Gemeinden und Gemeindeverbände in Baden, 1926; Bürgerrecht und Bürgernutzen im badischen Recht, Heidelberg 1930; Zahlen und Tatsachen aus der Arbeit eines Verwaltungsgerichts, in: Die Öffentliche Verwaltung 1949, 471-474; Verwaltungsrechtspflege in Karlsruhe, in: Festschrift zur Eröffnung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (8.10.1950), 1950, 71-85; Wahlrechtsreform in Württemberg-Baden, in: Der Wähler, Heft 2, 1950; Der Schutz des Bürgers gegen Mißgriffe der Bürokratie, in: Der Bürger im Staat 1951, 54; Von der Verwaltungsgerichtsbarkeit im neuen Lande Baden-Württemberg, in: Die Öffentliche Verwaltung 1952, 577-580; Walter Jellinek zum Gedächtnis, in: Archiv des öffentlichen Rechts 80 (1955), 257-260; Vorschläge zur Vereinfachung, Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung im Lande Baden-Württemberg vom 23.12.1957, 2. Landtag von Baden-Württemberg, Beilage 1450, ausgegeben am 28.01.1958 (Gutachten unabhängiger Sachverständiger); Gemeindeverfassungsrecht in den Ländern der süddeutschen Ratsverfassung, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, hg. von Hans Peters, I. Bd. 1956, 235-279; Ernst Walz (Onkel des Verfassers) zum 100. Geburtstag, in: Ruperto Carola 25 (1959); 100 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden, in: Martin Baring (Hg.), Aus 100 Jahren Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1963, 102-123
Nachweis: Bildnachweise: Bildmaterial im Stadtarchiv Heidelberg

Literatur: Abschied von Senatspräsident Dr. Walz, in: NN Nr. 53 vom 04.03.1953, 6 (fm); Georg Kratz, Mittelrhein-Saar (Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 7), 1954; Richard Naumann, Die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg, in: Die Öffentliche Verwaltung 1957, 169-172; Hans Schneider, Ernst Walz (†), in: Archiv des Öffentlichen Rechts 92 (1967), 256-258; Xaver Schoen, Ernst Walz (†), in: ebd. 1967, 50 f.; Erich Schmied, Zum 25jährigen Bestehen der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Karlsruhe, in: Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt 1972, 97-102; nachgedruckt in: Festschrift aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Württembergischen Landesteil am 1.10.1977, 70-82; Klaus Tellenbach, Die Badische Verwaltung im Dritten Reich. Von Erlebnissen eines Landrats, in: ZGO 134, 1986, 377-412, bes. 411
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