Rieck, Josef 

Geburtsdatum/-ort: 21.03.1911;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 06.01.1970;  Aulendorf
Beruf/Funktion:
  • Buchhändler, Kulturorganisator
Kurzbiografie: 1917-1929 Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart
1929-1931 Studium der Theologie in Tübingen
1931 Noviziat im Benediktinerkonvent Neresheim und im Stift Neuburg
1932-1933 Fortsetzung des Theologiestudiums in Tübingen (ohne Abschluß)
1933 Freiwilliger Arbeitsdienst
1933-1934 Lehrer in einer deutschen Siedlung in Brasilien
1936-1938 Buchhandelslehre bei Stahl in Stuttgart und Buchholz in Berlin
1938 Eröffnung der Buchhandlung Rieck in Aulendorf
1940 Einberufung zum Militärdienst mit anschließender Ausmusterung (Herzleiden)
1943 Aufenthalt von Prof. Ernst Michel im Hause Riecks
1945 Initiator der „Gesellschaft Oberschwaben“
1946 Gründung der „Gesellschaft Oberschwaben“
1948 Neubauplanung der Buchhandlung Rieck
1954 Umzug der Buchhandlung auf den Bendelstock in Aulendorf
1970 Tod nach kurzem Aufenthalt im Krankenhaus in Biberach
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1940 Stuttgart, Erika (1909-1984), geb. Fischer, Schauspielerin
Eltern: Josef (1871-1937), Steuerbeamter
Monika, geb. Bahmann (1875-1968)
Geschwister: Eleonore (geb. 1915), Buchhändlerin
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012383938

Biografie: Jürgen Klöckler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 305-306

„Wer glaubt, zittert nicht“ – dieser Ausspruch von Papst Johannes XXIII. wurde auf Wunsch Riecks nach seinem Tod auf den Grabstein eingraviert. Der christliche Glaube stand zeitlebens im Zentrum des Handelns und Schaffens des in Weimarer Jahren zum Katholizismus Konvertierten. Den benediktinischen Imperativ „ora et labora“ hatte der junge Theologiestudent in den frühen 1930er Jahren während seines Noviziats im Kloster Neresheim und im Stift Neuburg verinnerlicht; er blieb in den Jahren der Berufsfindung das Leitmotiv seines Wirkens. Die Regeln des Heiligen Benedikt hatte Rieck so sehr in sich aufgenommen, daß sie Teil seines Wesens wurden: Welt- und Religionsoffenheit charakterisieren ihn zutreffend.
1932 meldete er sich zum Arbeitsdienst und trat wohl in dieser Zeit in die NSDAP ein. Seine niedrige Mitgliedsnummer beweist, daß er nicht aus Opportunitäts- oder Karrieregründen beigetreten ist. Seine Kontakte zur Widerstandsbewegung belegen allerdings auch seine in den Folgejahren entwickelte Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Nach einer 1936 begonnenen Buchhandelslehre in Stuttgart (Stahl) und Berlin (Buchholz) ließ er sich 1938 im oberschwäbischen Aulendorf nieder, um eine eigene Buchhandlung zu eröffnen. Rasch wurde bekannt, daß man dort Bücher erhalten konnte, die andernorts nicht mehr zu beziehen waren. Die Buchhandlung mit dem schlichten Namen „Rieck Aulendorf“ war auf den Sektoren Sortiment, Reise und Versand tätig. Einen Schwerpunkt bildete wissenschaftliche Literatur, vor allem Theologie. Die Kartothek der Buchhandlung umfaßte eine große Zahl der Widerstandskämpfer des 20. Juli – in Aulendorf war ein Mittelpunkt des geistigen Deutschlands entstanden. Auch zu den Geschwistern Scholl und dem katholischen Schriftsteller Theodor Haecker in München sowie zu Professor Wilhelm Geyer in Ulm hatte der Aulendorfer Buchhändler rege Kontakte.
1945 hegte Rieck viele Erwartungen an die Zeit nach der Diktatur, die sich nicht erfüllen sollten. Das zentrale Projekt bildete die „Gesellschaft Oberschwaben“, die am 27. April 1946 im Aulendorfer Schloß gegründet wurde. Die Kulturlandschaft Oberschwaben hatte eine in alle Lebensbereiche ausstrahlende Plattform zu zeitgeschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Fragen jenseits der parteipolitischen und konfessionellen Grenzen erhalten. Neben Carlo Schmid, der das „Lob Oberschwabens“ vortrug, sprach der Rektor der Universität Tübingen und Freund Riecks, Professor Theodor Steinbüchel, anläßlich der Gründungsfeierlichkeit. Als Kulturorganisator wirkte Rieck maßgeblich bei Veranstaltungen mit: die ersten Südwestdeutschen Archivtage etwa fanden genauso wie Beratungen zur künftigen staatlichen Ordnung Württembergs in Aulendorf statt.
Der weitere Ausbau seiner Buchhandlung und schließlich ein kompletter Neubau in den 1950er Jahren banden die Kräfte des unentwegt Schaffenden. Gesundheitlich schwer angeschlagen, hatte sich Rieck vor seinem 60. Lebensjahr aufgezehrt.
Quellen: Nachlaß im Privatbesitz der Familie
Werke: Die Gründung der Gesellschaft Oberschwaben in Aulendorf, 1946; Schwäbische Zeitung – Ausgabe Bad Waldsee – vom 09.12.1970; Clara Geyer, Wie Wilhelm Geyer die Folgen der Studentenrevolte der Geschwister Scholl in wunderbarer Weise überstanden hat, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 7 (1988), 191-216; Oswald Burger, „Ein freier geistiger Tauschplatz“. Der Beitrag der „Gesellschaft Oberschwaben“ zur gesellschaftlichen Erneuerung, in: Allmende 38/39 (1993), 171-188; Oswald Burger, Josef Rieck – Bücher zum Überleben, in: Im Oberland 1997, H. 1, 9-17; Jürgen Klöckler, Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945-1947 (Studien zur Zeitgeschichte, 55) 1998, 105-108; Das große weite Tal der Möglichkeiten: Geist, Politik, Kultur 1945-1949. Das Projekt Gesellschaft Oberschwaben. Hg. von Elmar L. Kuhn, Brigitta Ritter und Dieter R. Bauer, 2002; Nachruf in: Schwäbische Zeitung – Ausgabe Bad Waldsee – vom 09.01.1970

Literatur: Ölgemälde von Wilhelm Geyer im Familienbesitz; Photo davon 1990 StAF Bildnissammlung
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