Baumeister, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 23.04.1867;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 07.03.1944;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1884 Mittlere Reife am Humanistischen Gymnasium Karlsruhe
1885 Einjährig-Freiwilliger in Karlsruhe-Gottesaue (Artillerie)
1886-1888 Studium der Architektur am Polytechnikum Karlsruhe
1888-1890 Fortsetzung des Studiums an der Technischen Hochschule München (während der Studienzeit Praktika in Karlsruhe, München (beim Bau des Rathauses am Marienplatz) und Göttingen)
1891-1892 Private Kunststudien in Düsseldorf bei Prof. Seel
1891-1908 Alljährlich ausgedehnte Studienreisen (u. a. nach Tirol, Italien, Korfu, Griechenland, Ungarn, Bosnien-Herzegowina, Teneriffa, Madeira, Ägypten und in die Schweiz)
1892 Niederlassung als Kunstmaler in Karlsruhe
1914-1918 Teilnahme am ersten Weltkrieg (Führer einer Munitionskolonne im Elsaß und in Flandern, 1918 Leiter eines Rekrutendepots in Karlsruhe-Gottesaue)
1937 Ausstellung im Badischen Kunstverein zum 70. Geburtstag
1944 Zerstörung von Haus und Atelier in Karlsruhe, Wörthstr. 7
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1894 Gertrud, geb. Grässer (1872-1954)
Eltern: Vater: Geheimer Oberbaurat Prof. Dr.-Ing. h. c. Dr. med. h. c. Reinhard Baumeister (1833-1917)
Mutter: Anna, geb. Eisenlohr (1834-1894)
Geschwister: 3
Kinder: 1
GND-ID: GND/1012393666

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 28-30

In der Antike wurden bedeutende Persönlichkeiten oft schon zu Lebzeiten durch ein Denkmal geehrt; in unseren Tagen geschieht dies selten. Wenn aber eine solche Ehre einem Zeitgenossen – einem Künstler zumal – zuteil wird, ist es dieser Vorgang wohl wert, der Vergessenheit entrissen zu werden.
Der also Geehrte war Baumeister, ein in Karlsruhe um die Jahrhundertwende und in den darauffolgenden Jahrzehnten stadtbekanntes Original. Ob er in einem der Schilderhäuschen am Großherzoglichen Schloß als Soldat verkleidet die Passanten foppte oder ob er sich im Phantasiekostüm mit der langen türkischen Wasserpfeife in einem Schaufenster dem staunenden Publikum als „lebendes Bild“ präsentierte, – bei solchen und vielen anderen Gelegenheiten erwiesen sich die aus den Tiefen seines Wesens heraufströmenden fröhlichen Urkräfte seines Naturells als Motor einer sonst in seiner Vaterstadt nicht allzu häufigen übermütigen Heiterkeit.
Kein Wunder daher, daß sich die Schöpfer des im Volksmund so genannten „Stephanienbrunnens“ in Karlsruhe, Hermann Billing und Hermann Binz (1876-1946), Baumeisters erinnerten, als sie im Jahre 1905 an die Verwirklichung dieses einmaligen Baudenkmals gingen. Der junge Binz hatte nämlich die Idee, die Köpfe von vierzehn bekannten Karlsruher Persönlichkeiten um eine in einem Brunnenbecken stehende Wasserjungfrau herum zu gruppieren. Ein großzügiger Bürgermeister (Karl Schnetzler, 1846-1906) und ein toleranter Stadtrat billigten dieses Vorhaben. Heftiger Widerstand kam jedoch von dem gestrengen Bürgerausschußmitglied Reinhard Baumeister, dem Vater Baumeisters, der, im Gegensatz zu seinem Sohn mit Humor eben nicht gesegnet, aus moralischen Gründen gegen die Aufstellung einer unbekleideten Mädchenfigur Sturm lief. Er wurde überstimmt, und der witzige Brunnenplastiker Binz fügte zur Erinnerung an die Kontroverse dem grimmig dreinblickenden Wasserspeierkopf Reinhard Baumeisters eine wohlproportionierte kleine Wassernymphe hinzu. Verschmitzt lächelt daneben der Sohn Hermann Baumeister und speit noch heute gelassen seine Wasserstrahlen in das Becken, in dem die schöne Nackte posiert (sie und die sie umgebenden Charakterköpfe haben zwei Weltkriege unbeschädigt überstanden).
Und alles hatte in Baumeisters Leben so normal begonnen. Nach dem „Einjährigen“ nahm er das Studium der Architektur am Polytechnikum seiner Heimatstadt auf und setzte es in München fort. Die dabei gewonnenen Eindrücke erwiesen sich als prägend für sein späteres Lebenswerk, das freilich nicht auf dem Gebiet der Architektur lag. Bald sollte er nämlich seiner eigentlichen Berufung folgen. Nachdem der Fünfundzwanzigjährige intensiven Privatunterricht bei einem bekannten Düsseldorfer Maler genossen hatte, etablierte er sich als Kunstmaler in Karlsruhe. Viele Aquarelle voll poetischen Reizes und leuchtender Farben zeugen noch heute von der meisterhaften Könnerschaft des jungen Künstlers, der sich neben den klassischen Motiven aus südlichen Zonen – etwa der Akropolis – auch gerne anspruchsloseren Sujets wie der lieblichen Alblandschaft oder dem Hardtwald bei Karlsruhe zuwandte. Baumeister, der in den ersten Jahrzehnten seiner Tätigkeit ausschließlich Aquarelle malte, machte sich schnell einen Namen. „Mit der Seele gesuchte Schönheit idealster Art mutet uns aus den verklärten Stimmungen an“, schrieb ein zeitgenössischer Kritiker, der auch die „wohlerwogene, verständige Lichtbehandlung und zarte Luftbeobachtung“ rühmte.
Erst in den zwanziger Jahren wandte er sich der Ölmalerei zu. Neben vielen den Zauber der sonnigen Mittelmeerländer widerspiegelnden Gemälden – ein „Rosentor in Luxor“ mit einer herrlich blühenden Bougainvillea hat er in über fünfzig verschiedenen Variationen gemalt – entstanden in dieser Zeit auch unheimliche Phantasmagorien in Böcklin-Manier mit Gestalten aus der germanischen Götterwelt. Solche Bilder, fand ein Rezensent, „sprächen zwar eine gewaltige Sprache“, aber „das Geistige und das Formale gingen noch nicht restlos ineinander auf. Immerhin, Baumeister hat auch in diesen Fällen das Thema wiederaufgenommen, wo Koch, Rottmann, Preller Großes geschaffen hatten: die Landschaft zur Sprache größer Gedanken von mythologischer Bedeutung zu erheben“.
Ein besonderes Spezifikum der Malkunst Baumeisters bestand in seiner immer präsenten Fähigkeit, die Architektur als „Gerüst“ bei der Darstellung der Landschaft zu benutzen: „Der meist starke Farbenkontrast zwischen Stein- und Mauerwerk und Pflanzen, Blumen, Luft und Wasser gibt dem Bildganzen einen kräftigen dekorativen Charakter, der durch die sichere, zeichnerisch feste Form noch betont wird“, heißt es in einer Würdigung der Kunst Baumeisters anläßlich seines 60. Geburtstags.
Gleichbegabt wie als Maler war Baumeister als Geiger. Als junger Mann soll er sich in Ungarn für längere Zeit einem Zigeunerstamm angeschlossen haben. Er verstand es virtuos, die Zuhörer mit seiner Improvisationskunst in Bann zu schlagen; dem atemlos wirbelnden Czardas folgten elegische Klagemelodien und feurige Tänze in straffen Rhythmen, wie sie nur jener Pußtalandschaft eigen sind. Nach Zigeunerart musizierte er stets ohne Notenvorlage. Auch Gitarre spielte er vorzüglich, und im Jodeln taten es ihm auch „Eingeborene“ nicht so leicht nach.
Dem bewegten Künstlerleben folgte ein düsteres Nachspiel. Baumeister, allezeit ein national gesinnter Mann, schloß sich schon früh in gläubigem Idealismus den Kräften der vermeintlichen völkischen Erneuerung an. Ein gnädiges Schicksal hat ihn davor bewahrt, das Ergebnis dieser „Erneuerung“, die Katastrophe des Jahres 1945, miterleben zu müssen. Aber das Künstlerheim in der Wörthstraße, die „Insel seines Glücks“, ging kurz nach seinem Tod in Flammen auf.
Werke: Gemälde und Aquarelle in Privatbesitz.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in: BH a. a. O.

Literatur: F. Wilkendorf, Maler H. Baumeister gestorben, in: Der Führer vom 10.3.1944; ders., Der Karlsruher Stephaniebrunnen, in: Ekkhart, 1963; H. Baumeister zum Gedächtnis – Heute wäre der bekannte Maler und originelle Karlsruher 90 Jahre alt geworden, in: BNN vom 23.4.1957; Ein froher, freier Künstler – H. Baumeister zum 100. Geburtstag am 23. April, in: BNN, vom 22.4.1967; H. Doerrschuck, Von mancherlei Käuzen / Skizze über Karlsruher Originale, in: BNN vom 5. 8. 1967; H. Ferdinand, Fast vergessen: Der Landschaftsmaler H. Baumeister, in: BH 4/1986, 525-533.
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