Gumbel, Siegfried 

Geburtsdatum/-ort: 22.09.1874;  Heilbronn
Sterbedatum/-ort: 27.01.1942; Dachau
Beruf/Funktion:
  • Rechtsanwalt, Kommunalpolitiker, Präsident des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs
Kurzbiografie: 1892 Abitur am Karlsgymnasium in Heilbronn; Studium der Rechtswiss. an der Univ. Tübingen
1897 Promotion zum Dr. jur.; Militärdienst
1901 Rechtsanwalt in Heilbronn
1920 Gründung und Vorstand der Ortsgruppe Heilbronn des Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
1932/33 Sekretär des Rotary Clubs Heilbronn
1932–1933 Gemeinderat in Heilbronn
1936 Präsident des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg
1942 Ermordung im KZ Dachau
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Auszeichnungen: Ehrungen: 1961 wurde in Heilbronn eine Straße nach Siegfried Gumbel benannt
Verheiratet: 1904 (Heilbronn) Ida, geb. Rosenthal (1883–1936)
Eltern: Vater: Max (Moses) Gumbel (1835–1923), Bankier in Heilbronn
Mutter: Lina, geb. Kiefe (1841–1922)
Geschwister: 6
Kinder: 2: Otto (* 1906); Erich (* 1908)
GND-ID: GND/1012403769

Biografie: Peter Wanner (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 88-89

Gumbel, das siebte und jüngste Kind einer Bankiersfamilie, besuchte das Gymnasium in seiner Geburtsstadt und schloss sein Abitur 1892 als Jahrgangsbester ab. Nach Jurastudium und Promotion in Tübingen 1897 meldete er sich zum freiwilligen einjährigen Militärdienst, den er in Nürnberg ableistete. 1901 ließ sich Gumbel nach einer Reise nach England als Rechtsanwalt in Heilbronn nieder. 1904 heiratete er; seine Ehefrau erkrankte nach der Geburt der beiden Söhne an Multipler Sklerose. Gumbel pflegte seine Frau in fürsorglicher Weise, was in allen biografischen Darstellungen hervorgehoben wird. Das Haus der Familie in der Heilbronner Gartenstraße wurde behindertengerecht geplant und gebaut – einschließlich Fahrstuhl.
In den Jahren vor und während des Ersten Weltkriegs profilierte sich Gumbel in Heilbronn als liberaler jüdischer Rechtsanwalt, dessen Kanzlei sogar am Sabbat geöffnet war. Seit 1923 leitete er die Kanzlei Dr. Gumbel, Koch und Dr. Scheuer.
Gumbel schloss sich wie andere Angehörige der jüdischen Gemeinde Heilbronn der demokratischen Partei an und engagierte sich in der Kommunalpolitik. Ab 1920 gehörte Gumbel außerdem der Verfassunggebenden Landeskirchenversammlung der jüdischen Gemeinden in Württemberg an und wurde dort im Finanzausschuss stellvertretender Vorsitzender. Zusammen mit dem Vorsitzenden Dr. Otto Hirsch nahm Gumbel starken Einfluss auf die Verfassung des 1924 gegründeten Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg.
In der jüdischen Gemeinde in Heilbronn spielte Gumbel in den 1920er Jahren ebenfalls eine führende Rolle und leitete die Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Schon 1924 musste sich dieser Verein in Heilbronn gegen antisemitische Angriffe zur Wehr setzen.
Die liberale Haltung Gumbels stieß allerdings auch innerhalb der jüdischen Gemeinde auf Kritik; aufgrund seiner Ablehnung orthodoxer Tendenzen kam es sogar zum Bruch mit seinem ältesten Sohn Otto, dessen Ehefrau aus einer orthodoxen jüdischen Familie aus Polen entstammte.
Ende der 1920er Jahre verschärften sich die antisemitischen Angriffe, zumal Gumbel bei vielen Gelegenheiten prominent hervortrat – etwa als er 1927 beim Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen der Heilbronner Synagoge neben der Festpredigt des Bezirksrabbiners Dr. Max Beermann die Festrede hielt.
1928 wurde in Heilbronn unter Beteiligung Gumbels eine Ortsgruppe des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“ gegründet; Gumbels Kandidatur für den Gemeinderat war kurz vorher bei der Kommunalwahl gescheitert. Als er jedoch 1932 als Nachrücker in das Gremium einzog, wurde er als profilierter Vertreter der jüdischen Gemeinde von den NS-Gemeinderäten scharf angegriffen. Der spätere Nazi-Oberbürgermeister Heinrich Gültig erklärte dabei – Monate vor der Machtergreifung –, ein Angehöriger einer „fremden (jüdischen) Rasse“ könne kein öffentliches Amt in Deutschland bekleiden.
Gumbel war sich der Ziele der nationalsozialistischen Machthaber bewusst und engagierte sich nach Berufsverbot und Ausschluss aus dem Stadtrat 1933 innerhalb der noch handlungsfähigen jüdischen Organisationen in Württemberg, um die Interessen seiner jüdischen Glaubensgenossen zu vertreten. Seine Söhne verließen schon am 1. April 1933 Deutschland; Erich Gumbel wanderte 1934 nach Palästina aus. Bei einem Besuch dort 1937 entschloss sich Gumbel zur Rückkehr nach Deutschland, um auch weiterhin jüdischen Mitbürgern bei der Auswanderung zu helfen.
Gumbel war seit 1936 Präsident des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs. Er lebte nach dem Tod seiner Frau 1936 in Stuttgart und versuchte, so vielen jüdischen Glaubensgenossen wie möglich eine Emigration zu ermöglichen – wie etwa bei der Gruppenaussiedlung von 74 württembergischen Siedlern in den Norden Palästinas, wo sie unter der Leitung des Heilbronner Rechtsanwalts Dr. Manfred Scheuer einen Kibbuz gründeten.
Nach dem Novemberpogrom 1938 kam Gumbel zehn Tage in Lagerhaft. Aber selbst von einer letzten Reise in die Schweiz im Sommer 1939 kehrte er nach Stuttgart zurück. 1941 wurde er denunziert, am 5. Oktober 1941 in seiner Wohnung verhaftet und nach längeren Verhören am 27. Januar 1942 im KZ Dachau ermordet.
Quellen: StadtA Heilbronn ZS– 12951.
Werke: Der Betrugsparagraph und seine Ergänzung durch das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Diss. Tübingen 1897.
Nachweis: Bildnachweise: Foto wie in Literatur angegeben; Fotosammlung des StadtA Heilbronn.

Literatur: Martin Uwe Schmidt, Humanität gegen Barbarei. Siegfried Gumbel (1874–1942), in: Heilbronner Köpfe IV, 2007 (Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 52), 51–68.
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