Stotz, Hugo 

Geburtsdatum/-ort: 14.07.1869;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 03.09.1935;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Ingenieur, Erfinder und Unternehmer
Kurzbiografie: 1891 Umzug mit der Mutter nach Mannheim; Gründung der Firma Mojé&Stotz, elektrische Installationen, Vertretung der Maschinenfabrik Esslingen
1896 Nach Ausscheiden des Teilhabers Umbenennung der Firma in Stotz&Cie. Elektrizitäts-Gesellschaft mbH
1901 Umzug der Firma in größere Geschäftsräume mit Schmiede, mechanischer Werkstatt, Laboratorium und einem Ausstellungslager für elektrische Beleuchtungskörper
1912 Verkauf der Installationsabteilung an Brown Boveri&Cie in Mannheim; Gründung eines neuen Werks, Fabrik für Installationsmaterialien, in Mannheim-Neckarau
1918 Übernahme des Stotz’schen Unternehmens durch Brown Boveri&Cie Mannheim
1923 Beginn der Entwicklung von selbsttätigen Schaltern (Sicherungsautomaten) zum Schutz gegen Überlastung und Kurzschluss
1928 Beginn der Fabrikation des „Stotz-Automaten“
1929 Rückzug aus der Firmenleitung, Ruhestand
1930 Zusammenschluss der Firma Kontakt A. G. Frankfurt/Main mit Stotz&Cie GmbH zur Firma Stotz-Kontakt GmbH im Besitz von Brown Boveri&Cie Mannheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1903 (Mannheim) Franziska, geb. Held (1869-1937)
Eltern: Vater: Emil Heinrich (1822-1889), Gastwirt
Mutter: Auguste, geb. Merkt (1843-1892)
Geschwister: 2 Schwestern
Kinder: Adoptivtochter Friedel, verheiratete Dann (1892-1942)
GND-ID: GND/1012405869

Biografie: Sabine Pich (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 269-271

Seine Sporen verdiente sich Stotz bei der Maschinenfabrik Esslingen. Das traditionsreiche Unternehmen, das hauptsächlich Dampfmaschinen und Lokomotiven baute, richtete schon früh eine elektrotechnische Abteilung ein. Bereits 1882 gab es auf dem Firmengelände eine Demonstrationsanlage für elektrische Beleuchtungskörper. Ein Jahr zuvor hatte Thomas Alva Edison diese neue Technik auf der großen Elektrizitätsausstellung in Paris erstmals vorgeführt. Der kaum achtzehnjährige Stotz errichtete im Auftrag der Maschinenfabrik Esslingen in Venedig eine „Blockanlage“, bei der in einem Häuserblock sämtliche Haushalte durch ein kleines Kraftwerk mit Elektrizität versorgt wurden. Nach dem Tod des Vaters zog Stotz mit seiner Mutter nach Mannheim. Hier gründete er mit einem Teilhaber eine Vertretung der Maschinenfabrik Esslingen unter dem Firmennamen „Mojé&Stotz Elektrische Installationen“. Das Geschäft war auf den Umbau von Gas- und Petroleumlampen auf elektrischen Betrieb spezialisiert sowie auf die Installation neuer Beleuchtungsanlagen in Privathäusern und Gewerberäumen. Den Luxus elektrischer Beleuchtung konnte sich zunächst nur das wohlhabende Bürgertum leisten. Beim Verlegen der elektrischen Leitungen wurden Kupferdrähte auf Isolierrollen aus Holz oder Keramik gespannt. Man nannte dies „Strippenziehen“. Es galt als „hohe Kunst“ der Monteure, diese Arbeit so schonend wie möglich durchzuführen, ohne die kostbaren Seidentapeten in den reichen Bürgerhäusern zu beschädigen.
1891 wurde auf der großen Elektrizitätsausstellung in Frankfurt a. M. erstmals die Möglichkeit des Stromtransports über große Entfernungen vorgeführt. In größeren Städten entstanden elektrische „Centralen“ , die Haushalte, Gewerbe und Fabriken mit Licht und Kraftstrom versorgten. In Mannheim übernahm die Brown Boveri&Cie seit 1900 die Elektrizitätsversorgung der Stadt. Das Unternehmen empfahl den Bürgern, „schon jetzt den Hausanschluss montieren zu lassen, damit spätere, jeder Partei unliebsame Straßenaufbrüche vermieden werden können.“ Von der Entwicklung und Verbreitung der Elektrizität profitierten vor allem kleinere elektrotechnische Betriebe wie die Firma Stotz. Neben dem Anschluss an das städtische Elektrizitätswerk wurden zunächst noch private „Blockstationen“ zur Stromversorgung von Privathäusern, Firmen, Krankenhäusern und sonstigen Betrieben errichtet, Stotz verwendete zum Antrieb der Generatoren die Dampf-Lokomobilen der Mannheimer Landmaschinenfabrik Heinrich Lanz. Stotz war mit seinem Unternehmen so erfolgreich, dass er zehn Jahre nach der Firmengründung mit seinem Geschäft in ein eigenes Haus umziehen konnte. Dort befanden sich im Erdgeschoss neben einer Schmiede eine mechanische Werkstatt, ein Laboratorium und ein Ausstellungslager für elektrische Beleuchtungskörper. Nun konnte Stotz mit der Entwicklung eigener elektrischer Geräte beginnen, was ihn seit langem schon beschäftigt hatte. Als ein Mann der Praxis wusste er aus eigener Erfahrung, wo die technischen Mängel lagen. Die Unzulänglichkeit des Materials brachte den Tüftler auf immer neue Lösungen. Am Dach seines neuen Geschäftshauses installierte er die erste Mannheimer Leuchtreklame in „Wanderbuchstaben“, die nacheinander aufleuchteten, „bis das ganze Wort für kurze Zeit in den Nachthimmel strahlte, um dann wieder zu verlöschen.“
Stotz' Geschäft dehnte sich weiter aus. 1912 gab es Zweiggeschäfte in Baden, im Elsaß, in Württemberg und der Pfalz, in denen 300 Monteure beschäftigt waren. Stotz&Compagnie elektrifizierten einzelne Höfe und Gutshäuser, aber auch ganze Dörfer. Nachdem das Mannheimer Geschäftshaus für das expandierende Unternehmen zu klein geworden war, entschloss sich Stotz zum Verkauf des Hauptgeschäftszweiges, der Installationsabteilung, an Brown Boveri&Cie. Da Stotz nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann war, sondern auch ein passionierter Tüftler, behielt er die Fabrikation von Geräten bei und errichtete in Mannheim-Neckarau eine Fabrik unter dem Namen Stotz&Cie. GmbH, Fabrik elektrischer Spezialapparate.
Voller Hochachtung äußerte sich selbst ein Konkurrent wie der Frankfurter Fabrikant Voigt über Stotz: „Was aber bei guter Veranlagung mit glücklicher Hand auf diesem fast unerschöpflichen Gebiete geleistet werden kann, sieht man an mustergültigen Schöpfungen, die H. Stotz seit 30 Jahren nacheinander herausgebracht hat.“
Nach Ende des I. Weltkrieges musste Stotz aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten seine Fabrik ebenfalls an Brown Boveri&Cie verkaufen. Er selbst blieb jedoch bis 1929 dem Unternehmen als Geschäftsführer verbunden. In diese Zeit fiel seine „bahnbrechende Erfindung“ für die Sicherung der Gebäudeinstallation, die bis heute noch von Bedeutung ist. Gemeinsam mit seinem Chefkonstrukteur Heinrich Schachtner entwickelte Stotz einen Sicherungskasten zur Produktions- und Serienreife, der als „Stotz-Automat“ in die Geschichte der Elektrotechnik eingehen sollte. Mit dem Aufkommen zahlreicher elektrischer Haushaltsgeräte wurden die elektrischen Installationen in Privathäusern regelmäßig überlastet, was bei mangelhaften Leitungen häufig zu Bränden führte. Im Sicherungsautomaten war der thermische Überlastauslöser mit einem magnetischen Schaltmechanismus verbunden, der bei Kurzschluss die Leitungen schützte. Sicherungen mussten nicht mehr ausgewechselt werden, ein Knopfdruck genügte. Mit Heinrich Schachtner (1890-1976), der schon als Lehrling in Stotzs Firma eingetreten war und sich zum Chef der Entwicklungsabteilung hochgearbeitet hatte, verband Stotz eine persönliche, fast familiäre Beziehung. Gemeinsam hatten sie den Stotz-Automaten entwickelt und gemeinsam verteidigten sie ihre Erfindung, die ab 9. November 1924 geschützt war, vor dem Reichspatentgericht in Leipzig gegen Einwendungen der Konkurrenz. Der Prozess wurde gewonnen und der Stotz-Automat konnte in Serie gehen. Der erfindungsreiche Tüftler wird als durchaus umgänglicher Mensch geschildert „mit dem man sich von Kollege zu Kollege unterhalten konnte.“ (Georg Schramm). Von der Konkurrenz hob sich Stotz oft gerade durch seinen Weitblick ab; er hatte stets die praktische Anwendbarkeit vor Augen. Ein Firmenprospekt der Brown Boveri&Cie Tochtergesellschaft Stotz GmbH in Mannheim-Neckarau erläuterte das Stotzsche Konstruktionsprinzip: „Alle Fabrikate sind entwickelt nach praktischen Gesichtspunkten mit dem Streben nach Vereinfachung und Beschleunigung der Montage.“
Stotzs Engagement galt durchaus nicht nur technischen Erfindungen, sondern auch der Weiterentwicklung der noch jungen Elektrotechnik auf organisatorischer Ebene. Er war einer der Mitbegründer der Mannheimer Ingenieursschule im Jahr 1898 und baute den Mannheimer Ortsverband der Deutschen Elektrotechniker (VDE) mit auf. Durch die Heirat mit Franziska Held, der Schwester des Mannheimer Rennfahrers Fritz Held, einem Freund von Karl Benz, gehörte Stotz auch zum engeren Kreis des wirtschaftlich aufstrebenden Mannheimer Bürgertums. Adoptivtochter Friedel Dann trat während der 1920er Jahre als Operettensängerin am Mannheimer Nationaltheater auf, als dessen Mäzen Stotz galt. Er war Mitglied bei der traditionsreichen Mannheimer Schützengesellschaft von 1744 und beim Deutschen Jägerverband. In der „Württembergischen Landsmannschaft“ pflegte er die Verbindung zu seiner Geburtsheimat. Offenbar stand Stotz auch in guter Beziehung zu Großherzog Friedrich von Baden, denn eine Fotografie zeigt ihn in Jägertracht vor dem großherzoglichen Jagdschloss Mülben im Odenwald.
Stotz gehörte wohl zu den außergewöhnlichsten Firmengründern des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Technische Fähigkeiten verband er mit unternehmerischem Geschick. Durch seine Erfindungen wurde er zum Pionier moderner technischer Entwicklungen.
Quellen: StadtA Mannheim: Personengeschichtl. Sammlung, Sammlung Familienbogen, Melderegister.
Nachweis: Bildnachweise: FirmenA d. Asea Brown Boveri AG Mannheim; FirmenA Stotz-Kontakt GmbH Heidelberg; Portrait von Franziska Held in Privatbesitz; StadtA Mannheim, Bildersammlung.

Literatur: Aus der Geschichte d. Stotz-Kontakt GmbH, in: Der Kontakt. Hauszeitung d. Brown, Boveri&Cie. AG u. ihrer Tochtergesellschaften. 1. Jg. Oktober 1950, H. 3, 66-72; 100 Jahre jung. ABB Stotz-Kontakt im Wandel der Zeit. Hg. Gerhard W. Mössner, ABB Stotz-Kontakt Heidelberg, 1991; Kurt Jäger, Keine Sicherung brennt durch. In: Jörg Baldenhöfer (Hg), Bad. Tüftler u. Erfinder, 1992, 66-72.
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