Rosenthal, Berthold 

Geburtsdatum/-ort: 17.01.1875;  Liedolsheim bei Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 16.12.1957; Omaha (Nebraska; USA)
Beruf/Funktion:
  • Lehrer, Historiker
Kurzbiografie: 1899-91 Präparandenschule Tauberbischofsheim
1891-1894 Ausbildung am evangelischen Lehrerseminar Karlsruhe
1894-1897 Jüdischer Religionslehrer in Kirchen (-Efringen), später in Adelsheim (bei Buchen), Friesenheim (bei Lahr) etc.
1901 Grundschullehrer in Mannheim
1914-1916 Kriegsteilnehmer, wegen eines Augenleidens entlassen, Rückkehr in den Schuldienst in Mannheim
1933 Okt. Vertreibung aus dem Amt durch das NS-Regime, Mitarbeit am Ortslexikon für mittelalterliche jüdische Geschichte „Germania Judaica“
1938 Verschleppung in das Konzentrationslager Dachau
1940 Okt. Emigration über Portugal in die USA
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1914 Johanna, geb. Benzian (1884-1961)
Eltern: Vater: Emanuel Rosenthal, Viehhändler
Mutter: Babette, geb. Weil (1835-1919)
Kinder: 3:
Ernst (geb. 1916)
Ruth (geb. 1918)
Lotte (geb. 1920)
GND-ID: GND/1012407225

Biografie: Uri R. Kaufmann (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 225-227

Als Sohn eines Viehhändlers mit dem Milieu der badischen Landjuden vertraut, galt diesen und dem jüdischen Schulsystem Rosenthals Hauptinteresse. Neben seiner allgemeinen Ausbildung erhielt er auch traditionellen jüdischen Unterricht durch den Pädagogen Daniel Epstein. Dieser lehrte am „israelitischen Landesstift“ in Karlsruhe, wo die jüdischen Seminaristen untergebracht wurden. Nach Absolvierung des Karlsruher Lehrerseminars wirkte er zuerst als jüdischer Religionslehrer und Vorbeter, später als allgemeiner Grundschullehrer. Lange Jahre war Rosenthal Schriftführer der Zeitschrift „Die neue Volksschulwarte“ und setzte sich für eine Reform der Pädagogik ein. In Mannheim betraute er jüdische Wohlfahrtsinstitutionen, diente als Sekretär der liberal-jüdischen „August-Lamey-Loge“ und sammelte zur Zeit der Weimarer Republik Material über die Geschichte der Juden Badens. Sein Hauptwerk war die 1927 veröffentlichte „Heimatgeschichte der badischen Juden“. Rosenthal erweiterte die Perspektive seines Vorgängers Adolf Lewin und erfaßte trotz der territorialen Zersplitterung im Ancien Régime das ganze später badische Gebiet von den Anfängen jüdischer Anwesenheit bis 1927. Der Schwerpunkt seiner Darstellung beruht auf dem 19. und 20. Jahrhundert.
Hier hat seine Darstellung Quellenwert, da die Archive der jüdischen Gemeinden von den Nationalsozialisten verbrannt wurden; nur das Archiv des Oberrates der Israeliten Badens blieb erhalten und befindet sich heute in den Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) in Jerusalem. Rosenthals Herausarbeitung der innerjüdischen Perspektive macht seine Arbeit besonders wertvoll. Obwohl er leider keine detaillierten Anmerkungen macht, ist seine Darstellung kein bloßes „Heimatbuch“ wie Adolf Kober 1930 etwas abschätzig meinte. Kleinere Aufsätze über die Geschichte der jüdischen Gemeinde Mannheims und herausragende Persönlichkeiten publizierte er in dem seit 1922 erscheinenden „Israelitischen Gemeindeblatt“, aber auch in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, wie der „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums“ oder der „Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland“. Nachdem er 1933 als allgemeiner Grundschullehrer entlassen worden war, arbeitete er an der Fortsetzung der Germania Judaica, zu der er sechzig Ortsartikel beisteuerte. Das NS-Regime erlaubte die Publikation dieses Nachschlagewerkes nicht, und das Material mußte vor Kriegsausbruch auf abenteuerlichen Wegen nach New York gerettet werden. Das 1955 gegründete Leo-Baeck-Institut für die Erforschung des deutschsprachigen Judentums hat die Unterlagen nach einer Neubearbeitung erst 1968 publizieren können.
Typisch für Rosenthals historische Perspektive ist seine enge Bindung an die badische Heimat. Symbolhaft dafür mag das Einbandmotiv seiner „Heimatgeschichte“ stehen: Ein Davidsstern fügt sich harmonisch in das badische Staatswappen ein. In seinem etwas emphatischen Schlußwort spricht er vom "jüdischen Deutschen" und bezieht Stellung zum zionistischen Aufbauwerk im damaligen britischen Palästinamandat: Die Mehrheit der Juden würde „ihre alte Heimat“ nicht verlassen. Nur durch Zufall entkam Rosenthal der Deportation der badischen und pfälzischen Juden im Jahr 1940 nach Gurs und gelangte über Portugal in die USA. Hier setzte er seine Studien über die deutsch-jüdische Geschichte fort. Sein Nachlaß wurde teilweise fotokopiert und befindet sich heute im Besitz des Oberrates der Israeliten in Karlsruhe, Fotos daraus erhielt das Stadtarchiv Mannheim.
Werke: (Auswahl) Bibliographie bezüglich der Geschichte der Juden in Mannheim: s. PINKAS HAKEHILLOT, Yad Vashem (Hg.), Jerusalem 1986, 398; Heimatgeschichte der bad. Juden, Bühl 1927, 532 S.; Juden als Lehensträger des Klosters Reichenau, in: ZGO, N.F. Bd. 45, 1931, 495-498; Aus der Geschichte der israelitischen Volksschule in Mannheim, Israelit. Gemeindeblatt, Mannheim 25.2.1926 Nr. 4, 36, 23.3.1927; Nr. 5, 46; Der erste Schritt zur Gleichberechtigung der Juden in Mannheim, ebda. 1931, 4-7; Aus den Jugendjahren der jüd. Gemeinde Karlsruhe, in: MGWJ Bd. 71, 1927, 207-220; zwei jüd. (Ärzte Dr. Hayum Jacob und Dr. Simon Lefmans), ebda. 77, 1933, 447-456; Eine Wucherenquete in der Kurpfalz, ebda. 79, 1935, 443-450; Die letzten Wormser Judenbischöfe, ebda. 83, 1939, 313-324; Miszelle. Oberrabbiner Michael Scheuer als Kritiker seiner Zeit, in: ZGD III. Jg. 1931, 72-75; Die Beziehungen zwischen der Wormser und Mannheimer Judenschaft, ebda. V. Jg. 192-199; Die jüd. Volksschulen in Baden, in: Gedenkbuch zum 125jährigen Bestehen des Oberrates der Israeliten in Baden, 1934, 65-125; Germania Judaica, Bd. 1, 1934, „Ortenberg“, 514 f., Bde. II/l und II/2, 1968, 60 Ortsartikel, (Hg.) Avneri, Zvi.
Nachweis: Bildnachweise: Volker Keller, Bilder vom jüd. Leben in Mannheim, 1988, Bild Nr. 212, 85.

Literatur: Adolf Kober, Rezension über Rosenthals „Heimatgeschichte“, in: MGWJ Bd. 7 1930, 85 f.; Karl Otto Watzinger, Geschichte der Juden in Mannheim 1650-1945, 1984, 132 f.; Guido Kisch, B. Rosenthal (1875-1957), in: Forschungen zur Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Juden, Bd. 2, 1979, 148; Johanna Rosenthal, Einiges aus unserem gemeinsamen Leben, Dayton (Ohio, USA) 1959 (masch. Ms.).
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