Zabotin, Wladimir von Lukianowitsch 

Geburtsdatum/-ort: 19.07.1884; Buschinka-Niemerowskaja (westliche Ukraine)
Sterbedatum/-ort: 23.11.1967;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1902 Abitur an einem Internat in Kiew. Beginn des Bauingenieurstudiums in Kiew, zugleich Besuch der dortigen Staatlichen Kunstschule
1905 Schließung der Hochschulen infolge revolutionärer Unruhen
1906 Übersiedlung nach Karlsruhe. Architekturstudium an der TH bei H. Billing und M. Laeuger
1908/09 Abbruch des Architekturstudiums, Eintritt in die Großherzoglich-Badische Akademie der Bildenden Künste. Unterricht bei E. Schurth, F. Fehr und C. Ritter
1913/14 Meisterschüler von W. Trübner
1914 Bei Kriegsbeginn Internierung in Donaueschingen. Rückkehr nach Karlsruhe als freischaffender Künstler
1919 Mitbegründer der Karlsruher Künstlergruppe „Rih“ (als Ortsgruppe der Berliner „Novembergruppe“); Kontakt zum Heidelberger Kreis um W. Fraenger. In den 1920er Jahren Ausstellungstätigkeit, auch als Gast bzw. Mitglied der Badischen und der Darmstädter Secession
1930 Badischer Staatspreis (Selbstbildnis)
1934 Ausstellungs-und Verkaufsverbot
1937 Werke in öffentlichem Besitz von der NS-Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ betroffen
1939 Bei Kriegsbeginn Flucht über die Schweiz nach Italien unter Zurücklassung der Atelierarbeiten. Internierung
1944 Emigration in die USA
1946 Amerikanische Staatsbürgerschaft. Künstlerischer Neubeginn
1956 Rückkehr nach Karlsruhe
1965 Einzelausstellung im Pforzheimer Reuchlinhaus, bis 1967 Ausstellungsbeteiligungen (Deutscher Künstlerbund, Künstlerbund Baden-Württemberg)
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1. 1928 Adelheid (Heide), geb. Rosin (gest. 1948), Bildhauerin
2. 1965 Emma, geb. Müller, verw. Wahl
Eltern: Lukian Alexandrowitsch (1852-1919), Baron, Kosakenoffizier, Großgrundbesitzer
Maria Lukaszewics (1863-1942)
Geschwister: Anulla (gest. 1932)
Alexander (Oles) (1895-1972), Agraringenieur
Kinder: Halina (1910)
Doris (1919)
Kostia Silvester (1928)
GND-ID: GND/101240921X

Biografie: Annette Ludwig (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 470-471

Zabotins wechselvolle Biographie war bereits zu seinen Lebzeiten geheimnisvoll und legendenumwoben: seine aristokratisch großbürgerliche Herkunft, seine Flucht aus dem zaristischen Rußland und sein Leben als Karlsruher Bohemien und Kaffeehausrevolutionär, seine amourösen Abenteuer, sein gastfreundliches Atelier in der Bismarckstraße 37 a und endlich seine von Portrait, Figurenbild, Akt- und Landschaftsmalerei dominierte Kunst, mit der er insbesondere zu Beginn der 1920er Jahre eine gewichtige Rolle im künstlerischen Leben der Stadt zu spielen vermochte. Unter dem Einfluß, jedoch nicht parallel zur allgemeinen Kunstentwicklung vollzog Zabotin die Abkehr von dem weit über die Meisterschülerzeit hinaus verbindlich gebliebenen skizzenhaften Spätstil Wilhelm Trübners und öffnete sich außerakademischen Impulsen. In der bewußten Reduktion der Mittel, die sich in der Aufgabe perspektivischer Tiefenräumlichkeit und im flächig-linearen Bildaufbau ebenso artikuliert wie in einer vereinfachten, naiv anmutenden Bildsprache, zeigen sich Zabotins Arbeiten von den avantgardistischen Kunstströmungen der Vorkriegszeit und insbesondere vom späten Expressionismus berührt; bisweilen vermengt er stilistische Anleihen von Jugendstil, Kubismus und Dadaismus oder löst sich vereinzelt auch vollkommen vom Gegenstand. In ihrem Konturenstil ist die Graphik dieser Zeit von geradezu dekorativer Linearität.
Solchermaßen auf die Revolutionierung des bürgerlichen Kunstbegriffes vorbereitet, gründete Zabotin 1919 gemeinsam mit sechs gleichgesinnten Malern (Walter Becker, Oskar Fischer, Egon Itta, Eugen Segewitz, Rudolf Schlichter und Georg Scholz eine Künstlergruppe, die sich programmatisch „Rih“ benannte, nach dem Pferd des Kara ben Nemsi aus den Abenteuerromanen von Karl May, das für Aufbruch, Freiheit und ungestümes Gebahren gleichsam synonym stand. Eingebettet in das revolutionäre Klima der Weimarer Republik währte die von zahlreichen, auch überregionalen Ausstellungen begleitete Gruppenaktivität jedoch kaum mehr als ein Jahr. In den 1920er Jahren schuf Zabotin, der als einer der „führenden Porträtmaler in Südwestdeutschland“ galt, eine Reihe von Bildnissen, die auch unter kulturhistorischem Aspekt Beachtung verdienen. Zumeist entstammten die Modelle seinem privaten Umfeld und einem kleinen Kreis von Förderern, zu dem die Baden-Badener Malerin Stefanie Grimm ebenso zählte wie der Leiter der Landesfrauenklinik, Prof. Dr. Georg Linzenmeier, sowie der Direktor der Badischen Kunsthalle, Dr. Willy F. Storck und dessen Schwager, der Mannheimer Kunsthändler Dr. Herbert Tannenbaum. Bildnisse waren es auch, die Zabotin zu Beginn der 1930er Jahre staatliche Preise und Ehrengeschenke einbrachten. Obgleich wichtige Werke der 1920er Jahre eine gewisse thematische, ikonographische oder stilistische Nähe zur Malerei der Neuen Sachlichkeit erkennen lassen, darf Zabotin keinesfalls dem in Karlsruhe zu besonderer Bedeutung gelangenden Realismus zugeordnet werden. Stets bleibt der Verzicht auf gesellschaftskritische Stellungnahme und jene malerisch-freie Auffassung des Bildgegenstandes bestimmend, die auch für Zabotins Landschaftsmalerei charakteristisch ist und die ihn der lokalen Tradition verpflichtet zeigt. Mit den Repressalien der Nationalsozialisten, die einem Berufsverbot gleichkamen, erlag Zabotins künstlerische Arbeit weitgehend, um in der Emigration schließlich zu versiegen. Erst in den späten 1940er Jahren erfolgte ein Neubeginn, der als Ausdruck künstlerischer Suche wiederum durch die Gleichzeitigkeit von Gegenständlichkeit und Abstraktion gekennzeichnet war. Neben pastos gemalten Landschaften und Portraits in kräftigem Kolorit entstanden zum Teil großformatige Werke, deren konstitutive Elemente spannungsreich variierte Farbformen und graphisch-lineare Figurationen bilden.
Werke: Ettlingen: Städtisches Museum; Freiburg i. Br.: Augustiner-Museum, Museum für Neue Kunst; Heidelberg: Kurpfälzisches Museum; Kaiserslautern: Pfalzgalerie; Karlsruhe: Landratsamt, Staatliche Kunsthalle, Städtische Galerie; Mannheim: Städtische Kunsthalle; Sindelfingen: Galerie der Stadt, Lütze-Museum
Nachweis: Bildnachweise: Portraitfotos sowie Selbstportraits im Ausstellungskatalog Wladimir von Zabotin 1994/95 (vgl. Literatur)

Literatur: ThB, 36, 1947, 371; Bénézit, 8, 1955, 830; Vollmer, 5, 1961, 191; Helmut Goettl, Die Vergessenen III. Wladimir Zabotin, in: Tendenzen, 20, 1963, unpaginiert; Eberhard Steneberg, Wladimir Zabotin, in: Das Kunstwerk 18, 1964/65 (4), 26-28; Beringer-Theilmann 1979, 282; Mülfarth, 1980, 199; Kunst in Karlsruhe 1900-1950, Ausstellungskatalog, 1981, 50-70, 163, Nr. 353-358; Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 2, T. 2, 1983, 1272; Ruth Gruber, Haven. The unknown story of 1000 World War II refugees, 1984, passim; Stilstreit und Führerprinzip, Ausstellungskatalog, 1987, 272 f., Nr. 116, 126; Günther Wirth, Verbotene Kunst. Verfolgte Künstler im Deutschen Südwesten 1933-1945, 1987, 96 und passim; Südwestdeutsche Kunst zwischen Tradition und Moderne 1914-1945, Ausstellungskatalog, 1993, 251, Abb. 172, 198; Antje Lechleiter, Die Künstlergruppe „Badische Secession“, 1994, 145-152; Für die Kunst! Herbert Tannenbaum und sein Kunsthaus, Ausstellungskatalog, 1994, Nr. 303-310; Annette Ludwig, Wladimir von Zabotin, Ausstellungskatalog, 1994/95 (dort weitere Literaturangaben)
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