Gerwig (bis 1934 Katz), Heinrich Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 03.02.1899;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 22.03.1983;  Bräunlingen 5 (Unterbränd)
Beruf/Funktion:
  • Präsident der Oberpostdirektion Freiburg
Kurzbiografie: 1917 Humanistisches Gymnasium Mannheim mit Abitur
1917-1919 Kriegsdienst
1919-1923 Studium an der TH Karlsruhe
1923-1924 Assistent am Schwachstromtechnischen Institut der TH Karlsruhe
1924-1926 Physiker bei der „Gesellschaft für praktische Geophysik“ Freiburg
1926-1928 01.03.1926 Eintritt als Postreferendar für den höheren technischen Dienst bei der DRP. Vorbereitungsdienst mit Abschluß der Großen Staatsprüfung, Ernennung zum Postassessor
1928-1934 Beamter im höheren technischen Dienst bei der DRP: Karlsruhe, Köln, Leipzig, Frankfurt
1935-1937 Reichspostzentralamt Berlin, Referent für Ausbau und Betrieb des Rundfunksendernetzes, später Referent für Funkentwicklung
1937-1939 Forschungsanstalt der DRP (RPF), Referent für Hochfrequenzentwicklung – Leitungen, Funk, Fernsehen
1939-1944 Reichspostministerium, Referent für Fernsehen und Angelegenheiten der Forschungsanstalt der DRP, ab 01.06.1942 mit der Verwaltung der Forschungsanstalt der DRP beauftragt
1944-1945 Präsident der Forschungsanstalt der DRP
1945-1950 01.09.1945 Chef du Service Technique Centrale des Postes et Télécommunications der französischen Zone, von 01.01.1947 bis 31.03.1950 Generalsekretär des Deutschen Postzentralamtes in der französischen Zone, ab 21.12.1949 mit der Leitung der Oberpostdirektion (OPD) Freiburg beauftragt
1950-1964 Präsident der Oberpostdirektion Freiburg
1964 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1928 Karlsruhe, Elisabeth, geb. Lehmann († 1940)
2. 1942, Prag Edith, geb. Staupe
Eltern: Vater: Georg August Katz, Kaufmann, Mitinhaber der Firma Holzhandlung Lambert und Katz Mannheim (1855-1916)
Mutter: Paula Luise, geb. Böhmerle (1872-1919)
Geschwister: 4
Kinder: aus 1. Ehe 1 Tochter
aus 2. Ehe 2 Söhne (geb. 1944, geb. 1950)
GND-ID: GND/1012413004

Biografie: Bernhard Mörmann (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 112-114

Nach dem Kriegsdienst als Funker begann Gerwig an der TH in Karlsruhe seiner Neigung entsprechend das Studium Elektrotechnik, Fachrichtung Schwachstromtechnik, das er mit der Diplomarbeit „Entwurf eines Ferndruckers“ abschloß. Der Eintritt bei der DRP war ein weiterer konsequenter Schritt. In seinen „Wanderjahren“ von 1928 bis 1934 konnte Gerwig seinem Können und seinen Interessen entsprechende Tätigkeiten ausüben, so u. a. Aufbau- und Betriebsleiter der Großrundfunksender Heilsberg/Ostpreußen und Leipzig; er nahm in Fachzeitschriften und im Rundfunk über Zweck und Aufbau moderner Rundfunksender Stellung und meldete auch verschiedene Patente im Bereich der Hochfrequenztechnik sowie der Elektroakustik an. Die hohen wissenschaftlichen Qualitäten führten schon frühzeitig zu seiner Berufung in das im Jahre 1928 geschaffene Reichspostzentralamt in Berlin und dann zu der im Jahre 1937 gebildeten Forschungsanstalt der DRP (RPF), für die damalige Zeit eine interessante, aber auch schwierige Aufgabe, zumal die Reichsregierung Erfolgsergebnisse erwartete. Bereits seit 1926 hatte die DRP als erste Fernmeldeverwaltung in der Welt mit Versuchen neuer Funk- und Fernsehtechniken begonnen. Das Nachrichtennetz hatte beim Kriegsausbruch allen berechtigterweise zu stellenden Anforderungen Genüge getan. Gerwig nahm in den Jahren 1939 bis 1940 in Fachzeitschriften zu neuen Antennenformen und Modulationsfragen Stellung und war im Auftrag seiner Dienststelle auch im besetzten Ausland (Errichten und Inbetriebnahme von Sendern). In den schwierigen Kriegsjahren wurde ihm auf Vorschlag seines Vorgängers, Prof. Dr. rer. nat. Friedrich Gladenbeck, die Verantwortung für die Forschungsanstalt übertragen.
Zwischen Gladenbeck und Gerwig bestand ein sehr gutes Vertrauensverhältnis, das sich auch in der Arbeit beim Wiederaufbau nach 1945 positiv auswirken sollte. Am 10.4.1945 begab Gerwig sich auftragsgemäß zu der ausgelagerten Dienststelle Aach/Hegau.
Gleich nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 war Gerwig an entscheidender Stelle beim Wiederaufbau des Post- und Fernmeldewesens in der französischen Zone initiativ. Der Wiederaufbau gestaltete sich hier besonders schwierig, weil die Zonengrenzen alte Direktionsbezirke durchschnitten und die französische Besatzungsmacht einer zentralen Postverwaltung ablehnend gegenüberstand. In Freiburg und Tübingen, an zentralen Standorten der Militärregierung, entwickelten sich deutsche Regierungsstellen mit eigenen Postverwaltungen – die OPD Freiburg wurde am 16.7.1945 errichtet –, zunächst als Außenstellen der alten Reichspostdirektionen Karlsruhe und Stuttgart und als ausführende Organe der Militärregierung. Nachdem die französische Besatzungsmacht den Mangel einer zentralen Verbindungsstelle beim Wiederaufbau des Post- und Fernmeldenetzes erkannt hatte, wurde schließlich das Deutsche Postzentralamt in der französischen Zone mit Sitz in Rastatt geschaffen, das bis März 1950 bestand. Zur Entstehung dieses Amtes hatte Gerwig wie folgt beigetragen: Um den Fernsprechbetrieb von der technischen Seite her wieder in Gang zu bringen, setzte sich Gerwig von Aach aus zunächst mit örtlichen Militärdienststellen und, weitertastend, mit der Zonenmilitärregierung in Baden-Baden in Verbindung. Dort wurde am 22.8.1945 eine aus französischen Fachbeamten zusammengesetzte „Direction des PTT“ gebildet, die den zivilen Post- und Fernmeldebetrieb in Gang bringen sollte. Diese Stelle bestellte Gerwig zu ihrem Berater und dann zum Leiter der neugeschaffenen deutschen Dienststelle, aufgebaut mit dem Personenstamm von Aach/Hegau und zuständig für Personalbildung und Materialbeschaffung aller Art für die gesamte französische Zone, wobei sich Gerwig mit seiner Dienststelle initiativ in Einzelfragen der Oberpostdirektionen einschaltete. Ab 1949 war Gerwig für den Bereich der französischen Zone verantwortlich für die sogenannte Überleitungskommission, die auch in Rastatt tagte. Als Gerwig die Verantwortung für den verwaltungsmäßig noch nicht abgesicherten OPD-Bezirk Freiburg übernahm, war er für die Verwaltung der französischen Militärregierung kein Unbekannter, war sein Rat gefragt bei dem inzwischen gebildeten Bundespostministerium in Bonn. Zu Beginn seiner Amtszeit gelangen Gerwig zwei bedeutende Schritte: Einmal der Abschluß des Mietvertrags mit der Stadt Freiburg über die Karlskaserne als Sitz der OPD, die mit Mitteln der DBP nach historischen Plänen wieder aufgebaut und in Anwesenheit von Bundespostminister Schuberth sowie Staatspräsident Wohleb am 30.5.1951 feierlich übergeben wurde. Mit Hilfe der badischen Landesregierung konnte Gerwig weiter erreichen, daß die OPD Freiburg bei den Überleitungsverhandlungen nicht gefährdet und nach Schaffung einer einheitlichen Bundesverwaltung ab 1.4.1950 im Bestand bis zur „Neuordnung im Südwesten“ garantiert wurde. Freiburg wurde geschäftsführende OPD im Bereich des SWF. Die Sonderforderungen der französischen Besatzungsmacht, der Sitz der Militärregierung in Baden-Baden, erforderten kluges und taktisches Vorgehen; die Errichtung des SWF, die geplanten Militärflugplätze in der Rheinebene sowie die Grenzlage verlangten fernmeldetechnische Sonderlösungen. Bereits 1953 konnten im Bereich des Fernmeldewesens die heutigen Strukturen der großen Fernmeldeämter Freiburg, Offenburg und Konstanz festgelegt und der Richtfunksender Hornisgrinde, mit Beginn des Fernsehens Knotenpunkt für die Einspeisung des Fernsehprogramms des SWF ins deutsche Fernsehleitungsnetz, in Betrieb genommen werden.
Eine besondere Leistung wurde im Postreisedienst geschaffen, wo die zahlreichen Kraftpostlinien in Mittelbaden und im Schwarzwald nicht nur dem Aufbau einer guten Infrastruktur für die Wirtschaft, sondern auch für den Ausbau des Mitte der 50er Jahre beginnenden Fremdenverkehrs dienten, einem Anliegen des damaligen Leiters der Postbetriebsabteilung Gustav Weber, das Gerwig nachhaltig unterstützte. Im Postwesen war die Aufbauphase Mitte der 50er Jahre abgeschlossen; mit dem Wirtschaftswachstum begann 1956 die Straffung des Postbeförderungsdienstes und die Bildung zentraler Abgangsknoten in Freiburg, Offenburg, Baden-Oos und 1961 Basel Badischer Bahnhof mit dem Auswechslungsamt für die Schweiz und Mittelmeerländer. Durch die von Gerwig veranlaßte und von Dr. Karl Mauz engagiert betriebene Grundstückspolitik wurden nicht nur der Nachholbedarf gedeckt, sondern auch die mit dem Wirtschaftswachstum sich abzeichnenden Zukunftsplanungen gesichert. So begannen auch die Grundstückskäufe für den Neubau einer OPD im Jahre 1962, nachdem Gerwig deren Existenz gesichert hatte.
Unter der Verantwortung von Gerwig, dessen Persönlichkeit wegen seiner Sachkompetenz und menschlichen Ausstrahlung überall hoch geschätzt war, vollzog sich der geschichtlich richtungsweisende Wiederaufbau des Postwesens im Südwesten der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Pensionierung im Jahre 1964 konnte sich Gerwig wieder mehrere Jahre seiner wissenschaftlichen Arbeit widmen.
Quellen: Zu den Vorträgen und Referaten siehe Hinweise und Aufzeichnungen Gerwigs, unveröffentlichter Nachlaß, Frau Edith Gerwig, Seestraße 3, 7715 Bräunlingen 5
Werke: Heinrich Gerwig und F. Vilbig, Modulationsverfahren, Mitteilungen aus der Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost (RPF), Bd. V, 1940, 69 ff.; Untersuchungen an neueren Antennenformen, VDE-Fachbr. Heft 10, 1938; mit Griem u. a., Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens 3 Bde., neubearbeitete Ausgagbe 1970
Nachweis: Bildnachweise: Archivbilder bei Pressestelle der Oberpostdirektion Freiburg

Literatur: H. Brückmann, Über Antennen, insbesondere selbstschwingende Masten. Mitteilungen aus der Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost (RPF), Bd. VI, 1941, 12; Steinmetz/Elias, Geschichte der Deutschen Post, Bd. 4, 1945-1978, 1979, 55 ff.; Neuer Präsident der Oberpostdirektion Freiburg, in: Zeitschrift für Post- und Fernmeldewesen 1964, 349 ff.; Berta Schäfer, Chronik der Oberpostdirektion Freiburg, Teil I: 1945-1950, Südwestdeutsche postgeschichtliche Blätter der OPD Freiburg, Heft Nr. 8 1990; dies., Chronik der Oberpostdirektion Freiburg, Teil II: 1950-1975, a. a. O., Heft Nr. 9 1992
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