Müller, Karl Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 25.02.1902;  Neustadt (Schwarzwald)
Sterbedatum/-ort: 10.12.1983;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Historiker, Namenforscher, Volkskundler
Kurzbiografie: 1920-1925 Studium der Geschichte und der deutschen Philologie an der Universität Freiburg i. Br., Abschluß mit Promotion
1927-1928 Lehramtsassessor in Kehl
1928-1936 Lehrer an der Bürgerschule Furtwangen
1936-1938 Leiter der Bürgerschule Neckarbischofsheim
1938-1940 Professor an der Fichteschule Karlsruhe und 1939/40 stellvertretender Leiter der Staatlichen Landesbildstelle Baden
1940-1944 Professor am Gymnasium Thann (Elsaß)
1944/45 Kriegsteilnehmer
1945-1948 ehrenamtlicher Mitarbeiter am „Badischen Wörterbuch“
1948-1951 Studienrat am Bertholdgymnasium Freiburg
1951-1961 Studienrat bzw. Oberstudienrat am Gymnasium Emmendingen
1961-1967 als Wissenschaftlicher Oberrat Bearbeiter des „Badischen Wörterbuches“ an der Universität Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Karl Friedrich (1872-1946), Oberrechnungsrat
Mutter: Rosina Magdalena, geb. Birmelin (1873-1977)
Geschwister: Martha, Hauswirtschafts-Schulrätin a. D. (geb. 1903)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012413063

Biografie: Helmut Maurer (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 245-247

Müller vertrat den immer seltener werdenden Typus eines Gymnasiallehrers, der sein ganzes Leben hindurch den Kontakt zur Wissenschaft aufrechtzuerhalten und mit eigenen Arbeiten an ihrem Fortschreiten teilzunehmen gewillt war. In Neustadt im Schwarzwald geboren, in Karlsruhe, Emmendingen und Freiburg aufgewachsen, wurden dem jungen Historiker und Germanisten der Breisgau und der Hochschwarzwald zu den beiden Landschaften, denen sich seine früh erwachten landeskundlichen Interessen vornehmlich zuwenden sollten. Wie seine beiden später als Mediävisten berühmt gewordenen Mitstudenten Hermann Heimpel und Gerd Tellenbach war Müller Schüler Georg von Belows geworden, bei dem er ursprünglich mit einer Arbeit zur Geschichte des Schwarzwälder Bergbaus promovieren wollte. Die Breite und die Schwierigkeiten des Themas haben ihn dann aber doch auf ein weniger ausuferndes Gebiet verwiesen: 1925 promovierte er bei von Below mit einer ganz aus Archivalien erarbeiteten wirtschaftsgeschichtlichen Dissertation über die „Geschichte der Getreidehandelspolitik, des Bäcker- und Müllergewerbes der Stadt Freiburg i. Br. im 14., 15. und 16. Jahrhundert“. Nicht weniger als von seinem Lehrer G. von Below fühlte sich Müller aber auch von Heinrich Finke und dem Germanisten Friedrich Wilhelm geprägt. Zur Landesgeschichte trat schon früh – nicht zuletzt angeregt durch das Sammeln der Flurnamen von Broggingen, der auf der Grenze von Breisgau und Ortenau gelegenen Heimatgemeinde seiner Mutter – ein lebhaftes Interesse an Volkssprache und Volkskunde, trat aber auch – mit der Freude an der Photographie – die landeskundliche Lichtbildnerei, die den von 1928 bis 1936 in Furtwangen lehrenden jungen Gymnasialprofessor zu zwei Fotobüchern über den Schwarzwald („Tannen und Wolken“, 1934 und „Der Schwarzwald“, 1939) und zu einer wertvollen Fotodokumentation über die „Furtwanger Erbhöfe“ (in: Mein Heimatland 23, 1936) anregte. Angesichts dieser Aktivitäten verwundert es nicht, daß der so Vorbereitete von 1939 bis 1940 vertretungsweise die Leitung der Staatlichen Landesbildstelle Baden übertragen erhielt. Nach dem Krieg war Müller, der bis 1944 im Elsaß gelehrt hatte, zunächst ohne Stelle. Damals hat er ehrenamtlich an Ernst Ochs „Badischem Wörterbuch“ mitgearbeitet, zu dessen Sammlungen er seit Jahren Wortbelege aus allen Teilen des badischen Landes beigebracht hatte. In diesen Nachkriegsjahren traten dementsprechend auch die Namen- und Sprachforschung in den Mittelpunkt seiner Interessen: Zeugen dafür sind zum einen die von ihm besorgte Herausgabe der Festschrift für Ernst Ochs (1951), zu der er selbst einen ganz auf Feldforschung beruhenden Beitrag über „Die Breisgauer Metzgersprache“ beisteuerte, und zum andern eine wissenschaftliche Veröffentlichungsreihe, der er den Namen „Oberrheinische Studien“ gab und die er vorwiegend eigenen Studien „aus dem Grenzgebiet von Geschichte, Siedlungsforschung, Sprachwissenschaft und Urgeschichte“ vorbehalten wollte.
Zusammen mit Arbeiten aus anderer Feder „zur oberrheinischen Geschichte im Altertum und Mittelalter, zur Landes- und Ortsgeschichte, zur Agrar- und Siedlungsgeschichte und somit auch zur Orts- und Flurnamenforschung“ sollten sie „Bausteine legen zu einem neuen Unterbau der oberrheinischen Geschichte“. Das war ein mutiges Programm, das Müller im 1951 erschienenen und von ihm mit der namenkundlichen Untersuchung über „Die Breisgauer Kinzigen“ allein bestrittenen ersten Heft seiner „Studien“ verkündete und das vor allem die Weite seiner Interessen zeigt. Freilich war der wieder voll und ganz im Schuldienst Tätige mit diesem Programm dann doch überfordert und so erfuhren die „Oberrheinischen Studien“ denn auch erst nach einer über zwanzigjährigen Pause in den Jahren 1974 bis 1977 ihre Fortsetzung mit vier weiteren Heften aus seiner Feder, deren Themen wiederum ausgesprochen „interdisziplinär“ anmuten. Zu bedauern ist, daß weitere geplante Hefte mit gesammelten „Breisgauer Aufsätzen“ und gesammelten „Schwarzwälder Aufsätzen“ sowie mit einer Untersuchung über den „Ursprung der Herzöge von Zähringen“ nicht mehr erscheinen konnten.
Die lange Unterbrechung seiner landesgeschichtlichen Forschungsarbeiten war gewiß mit dadurch bedingt, daß Müller zeitlich parallel zur Begründung der „Oberrheinischen Studien“ mit der im Moritz Schauenburg-Verlag erscheinenden „Silberdistel“-Reihe eine zweite Publikationsreihe initiiert hat, die seine Kennerschaft auf einem anderen Gebiet, nämlich auf dem der Gegenwartsliteratur der oberrheinischen Landschaften, unter Beweis stellt. Von 1952 bis 1982 hat er unter dem Signet der „Silberdistel“ rund 85 – äußerlich sehr ansprechend gestaltete – Bände mit Prosa und Lyrik oberrheinischer Dichter und Schriftsteller erscheinen lassen, die er jeweils mit dem Nachwort eines Sachkenners versehen ließ. Auf diese Weise ist eine ganze Bibliothek oberrheinischer Gegenwartsliteratur zustande gekommen, wobei freilich eine konservative Sicht bei der Auswahl der Autoren nicht zu übersehen ist. Nicht diese Herausgeber-Tätigkeit, sondern seine Verdienste um die Förderung der Namenkunde und der Sprachgeschichte sowie vorab seine jahrzehntelange Mitarbeit am Badischen Wörterbuch waren es, die ihn nach dem Tode des von ihm hochverehrten Ernst Ochs im Jahre 1961 zu dessen Nachfolge in der Leitung der in das Deutsche Seminar der Universität Freiburg integrierten Arbeitsstelle des Badischen Wörterbuches geradezu prädestinierten. Und so nahm sein beruflicher Lebensweg, der bislang derjenige eines Gymnasiallehrers gewesen war, in einem Alter, in dem ein solcher Wechsel eher selten vorkommt, noch eine für Müller gewiß erfreuliche Wende zur reinen Wissenschaft. Von 1961 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1967 hat er die Lieferungen 28 (1963) bis 32 (1970) des Wörterbuchs herausbringen können und „zwar in der ihm eigenen Gründlichkeit und lehrhaften Ausführlichkeit ... Er erweiterte den Wörterbuchfundus ... um die Bereiche, die ihm besonders am Herzen lagen, nämlich Namen-, hauptsächlich Flurnamenkunde und regionale Literatur“ (G. W. Baur 1985). Indessen erstreckten sich seine sprach- und namenkundlichen Interessen auch auf aktuelle Fragen. So hat er als Mitarbeiter der von der Gesellschaft für Deutsche Sprache herausgegebenen Zeitschrift „Sprachdienst“ auch über Themen gehandelt wie „Die Schiffsnamen der Bundesmarine“ oder die „Angst vor dem Passiv“.
Müller galt den Schülern seiner Emmendinger Jahre als gutmütig und zugleich als etwas skurril. Nur die wenigsten wußten, daß er weit gereist war und daß er die Ziele seiner Reisen auf einer Wandkarte mit farbigen Stecknadeln festgehalten hatte. Müller war nie ein Mensch des Wissenschaftsbetriebs gewesen. Tagungen, Sitzungen und dergleichen – von den Treffen seiner ‚Wingolf‘-Verbindung abgesehen – haben ihn nie anzulocken vermocht. Er blieb ein Stiller im Lande, aber aus dieser Stille heraus hat er für die Erforschung seiner oberrheinischen Heimat Bleibendes geleistet.
Werke: (Monographien) Geschichte der Getreidehandelspolitik des Bäcker- und Müllergewerbes der Stadt Freiburg i. Br. im 14., 15. und 16. Jahrhundert, Freiburg 1926 (Diss. phil. Freiburg i. Br. 1925); Tannen und Wolken, Lahr 1934; Der Schwarzwald, Karlsruhe 1939 und 2. Aufl. 1946; Die Breisgauer Kinzigen (Oberrheinische Studien 1), Lahr 1951; Anleitung zur Bearbeitung der Gemarkungsnamen, Lahr 1952; Die Schwarzwälder Gummen ... (Ebd. 2), Lahr 1975; Hartmann von Aue und die Herzöge von Zähringen (Ebd. 3), Lahr 1974; Schwarzwälder Bergbaunamen (Ebd. 4), Lahr 1976; Beiträge zur Geschichte der Stadt Ettenheim ... (Ebd. 7), Waldkirch 1977. – Herausgeber: Beiträge zur Sprachwissenschaft und Volkskunde. Festschrift für Ernst Ochs, Lahr 1951; „Silberdistel“-Reihe, Bd. 1 Lahr 1952 ff.; Badisches Wörterbuch, Lieferung 28-32, Lahr 1963-1970
Nachweis: Bildnachweise: Foto im Privatbesitz

Literatur: „Professor Dr. Karl Friedrich Müller“ (Beilage zu Lieferung 43. 1984 des Badischen Wörterbuches); G. W. Baur, Arbeitsstelle „Badisches Wörterbuch“, zum Stand der Arbeiten von 1976 bis 1985, in: Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg 1, 1985, 239-246, hier 244
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