Hecht, Helene 

Geburtsdatum/-ort: 19.08.1854; Mainz
Sterbedatum/-ort: 22·1941-10-22.10.1939; zwischen dem 22. und 24.10.1940 während derDeportation nach Gurs, für tot erklärt am 8.5.1945
Beruf/Funktion:
  • Mäzenin, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1875–1897 Enge Freundschaft mit Johannes Brahms
Seit 1888 Regelmäßige kulturelle Abendgesellschaften in d. Villa Hecht in L 10, 1 in Mannheim mit regionalen u. überregionalen Persönlichkeiten des Kulturlebens
1899 Beteiligung an d. Gründung d. Hochschule für Musik in Mannheim
Nach 1918 Wirtschaftliche Schwierigkeiten; Abendgesellschaften eingestellt u. Verkauf vieler Kunstwerke
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1875 (Mainz) Felix Hecht (1847–1909), Bankier
Eltern: Vater: Rudolph Bamberger, Bankier u. hess. MdL-Deutsche Fortschrittspartei (1821–1900)
Mutter: Bertha, geb. Seeligmann (1827–1915)
Geschwister: 7
Kinder: 4; Hans Paul Jacob (1876–1946), August (1878–1879), Rudolf Ludwig (* 1880) u. Arnold Robert (1885–1886)
GND-ID: GND/101257203X

Biografie: Susanne Schlösser (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 177-178

Als Tochter einer großbürgerlichen jüdischen Familie erhielt Hecht die für Mädchen standesgemäße Erziehung; sie lernte die Fremdsprachen Französisch und Italienisch und erhielt Klavierunterricht. Mit ihren sieben Geschwistern fühlte sie sich eng verbunden, besonders mit ihrer um 15 Jahre jüngeren Schwester Bertha, welche später eng mit Romain Rolland befreundet war. Der bekannte nationalliberale Politiker Ludwig Bamberger war ihr Onkel. Sie heiratete Felix Hecht aus Friedberg, der nach Studium und Habilitation in Rechts- und Staatswissenschaften seit 1871 Direktor der neugegründeten „Rheinischen Hypothekenbank“ in Mannheim war. Von vier Söhnen, die zwischen 1876 und 1885 geboren wurden, starben zwei im Kleinkindalter.
Felix Hecht war bereits vor der Ehe eng mit Johannes Brahms befreundet. Hecht, die großen musikalischen Sachverstand und vielseitige künstlerische Interessen hatte, wurde nach der Heirat in den Freundschaftsbund aufgenommen. Überlieferte Briefe von Brahms an Hecht zeugen von dieser engen, über Jahrzehnte bis zum Tod von Brahms 1897 gepflegten freundschaftlichen Beziehung. Für den ersten Sohn Hans Paul Jacob übernahm Brahms die Patenschaft. Wann immer er in Mannheim weilte, wohnte er im Hause Hecht. Felix Hecht wurde dann auch zum Testamentsvollstrecker von Johannes Brahms bestimmt.
1888 bezog die Familie die von Architekt Rudolf Tillessen (1857–1926) neu erbaute, bis heute erhaltene „Villa Helene“ in L 10, 1, die damals noch ganz am Rande der Stadt in einem gerade erschlossenen Villenviertel lag. Das Erdgeschoss mit Studio, Speise- und Musikzimmer wurde zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt, in dem jeder gern gesehen und großartig bewirtet wurde, der im Mannheimer und im überregionalen Kulturbetrieb Rang und Namen hatte. Enge Kontakte bestanden u. a. zu dem damals sehr berühmten Rosé-Quartett aus Wien. Dessen Namensgeber Arnold Rosé – mit der Schwester von Gustav Mahler verheiratet – zählte ebenfalls zu den immer wiederkehrenden Logiergästen im Hause Hecht. Da Felix Hecht als junger Mann kurzeitig Hauslehrer bei den Kindern des künstlerisch ebenfalls sehr interessierten Herzogspaares Georg und Helene von Sachsen-Meiningen gewesen war, bestanden auch dorthin rege Kontakte.
Hecht und ihr Ehemann waren wesentlich daran beteiligt, dass 1899 die „Hochschule für Musik“, der Vorläufer der heutigen „Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst“, gegründet wurde. Felix Hecht übernahm sogar die Geschäftsführung. Die künstlerische Leitung lag bei Wilhelm Bopp, der nicht nur ausübender Musiker, sondern auch ein renommierter und gefürchteter Musikkritiker bei der „Neuen bad. Landeszeitung“ war. Natürlich ging auch er bei den Hechts ein und aus.
Doch nicht nur für Musik interessierten sich Hecht und ihr Mann. In ihrem Haus hingen mehrere Originale von Franz von Lenbach, darunter ein Porträt des Ehepaares. Ein weiteres Porträt von Hecht aus dem Besitz des Malers ist im Lenbach-Haus in München erhalten. Auch mit Lenbach führte Hecht eine rege Korrespondenz, ebenso wie mit dem Geiger Joseph Joachim und mit Cosima Wagner. Im Besitz des Ehepaars Hecht war auch ein Selbstbildnis von Anselm Feuerbach.
Hecht wurde 1909 Witwe. Ihr Mann starb auf einer Reise nach Berlin im Zug. Nach dem I. Weltkrieg musste sie dann die Kunstschätze nach und nach verkaufen und Räume in ihrem Haus untervermieten, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Enkel, die weitgehend bei ihr lebten und von ihr erzogen und versorgt wurden, bestreiten zu können.
Hecht wurde im Alter von 86 Jahren am 22. Oktober 1940 zusammen mit allen badischen und pfälzischen Juden nach Gurs deportiert und starb auf dem Transport, weil die Einnahme von Herz-Medikamenten, auf die sie angewiesen ist, während Deportation nicht regelmäßig erfolgen konnte.
Quellen: StadtA Mannheim, Zug. 13/1998, Nachlass Charlotte Hecht.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim Bildsammlung, Album 02056.

Literatur: Barbara Becker, „In Mannheim habe ich an so viele Hübsche(s) und Schöne(s) zu denken …“ Helene Hecht – Ein Porträt mit Emotionen. In: Ilse Thomas/Sylvia Schraut (Hgg.), ZeitenWandel. Frauengenerationen in d. Geschichte Mannheims, 1995, 278–291; dies.: „Grüßen Sie Mannheim, das ich mir doch oft in d. Nähe wünsche …“. Johannes Brahms in Mannheim, in: Mannheimer Geschichtsblätter N.F. 4, 1997, 475–493.
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