Bormann, Gerda 

Geburtsdatum/-ort: 23.10.1909;  Konstanz
Sterbedatum/-ort: 23.03.1946; Meran
Beruf/Funktion:
  • Ehefrau des NSDAP-Reichsleiters
Kurzbiografie: Ausbildung zur Kindergärtnerin
1936 Erwerb eines Hauses in Pullach, später auch auf dem Obersalzberg nahe Hitlers Berghof
1943 Erwerb einer Villa am Schluchsee aus „arisiertem“ jüd. Besitz
1943/44 Briefwechsel Bormanns mit ihrem Ehemann; Eintreten für die Vielehe zur Stärkung der „arischen“ Rasse
1944 IV.–V. nach Zerstörung des Hauses auf dem Obersalzberg Flucht nach Südtirol
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., ab 1934 gottgläubig
Verheiratet: 1929 Martin Bormann (1900–1945), NS-Reichsleiter
Eltern: Vater: Walter Buch (vgl. Badische Biographien. Neue Folge, S. 50)
Mutter: Else, geb. Pleuser (1887–1944)
Geschwister: G 2; Walter (* 1912), Lore (* 1913)
Kinder: 10; Adolf Martin (* 1930), Ilse, seit 1941: Eicke (1931–1958),
E(h)rengard Franziska (*/† 1931), Irmgard (* 1933), Rudolf, seit 1941: Helmut Gerhard (* 1934), Heinrich Hugo (* 1936), Eva Ute (* 1938), Gerda (* 1940), Fred Hartmut (* 1942) u. Joseph Volker (1943–1946)
GND-ID: GND/101270209X

Biografie: Konrad Dussel (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 42-44

Das Leben Bormanns wies keine wichtigen Ereignisse auf, die nicht schon unter den Familiendaten genannt worden wären: Eigentlich war sie nur Tochter, Ehefrau und Mutter. Aber sie war auch durch und durch Nationalsozialistin, und dies nicht nur, weil sie die Tochter des NS-„Reichsleiters“ Walter Buch und die Ehefrau des Reichsleiters Martin Bormann war, sondern aus voller eigener Überzeugung.
Als Tochter eines nach dem I. Weltkrieg arbeitslosen Berufsoffiziers musste Bormann an etlichen Umzügen teilnehmen, bis die fünfköpfige Familie in der Nähe Münchens unterkam und der Vater in der NSDAP Karriere machte. Trotz der in der Familie herrschenden traditionell bürgerlichen Wertvorstellungen wurde Bormann eine Ausbildung zur Kindergärtnerin ermöglicht.
Zur Jahreswende 1928/29 lernte Bormann den neun Jahre älteren Martin Bormann kennen, damals Leiter einer Hilfskasse für SA-Mitglieder, später SA-Versicherung genannt. Auf ihre Initiative hin entwickelte sich daraus ein festes Verhältnis. Anlässlich der Verlobung am 1. April 1929 wurde Bormann unter Nr. 120 112 Mitglied der NSDAP, bei der Hochzeit im September waren Adolf Hitler und Rudolf Heß Trauzeugen. Heß war es dann, der Martin Bormann im Juli 1933 zu seinem Stabsleiter ernannte, die Grundlage zu dessen Aufstieg in der Parteihierarchie. Schon im Oktober 1933 erhielt Martin Bormann den Titel eines „Reichsleiters“. Er überstand den Englandflug von Heß am 10. Mai 1941 unbeschadet, indem er sich aufs Schärfste von seinem bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten distanzierte. Selbst die nach Rudolf Heß und seiner Frau Ilse benannten Kinder erhielten sofort neue Namen. Bereits am 12. Mai formte Hitler Heß’ Dienststelle zur Partei-Kanzlei um und bestätigte Martin Bormann als deren Leiter. Den Höhepunkt seiner Macht hatte dieser erreicht, als er am 12. April 1943 zum „Sekretär des Führers“ ernannt wurde.
Martin Bormann hatte keinen Gefallen an öffentlichen Auftritten, und seine Frau noch viel weniger. Bormanns Domäne war ihre Familie, war vor allem die Erziehung ihrer kontinuierlich wachsenden Kinderschar, weniger die Führung des Haushalts allgemein, den sie zunehmend ihrem selbst in Kriegszeiten vielköpfigen Personal überließ. Seit 1936 besaßen die Bormanns ein stattliches Haus in Pullach, übersiedelten jedoch auf den Obersalzberg, in die unmittelbare Nähe von Hitlers Berghof, wo sie schon zuvor die Sommer verbracht hatten. Das Ehepaar Bormann war gern gesehener Gast bei Hitler, sein Stammplatz befand sich stets dem Hausherrn gegenüber. Seit 1943 besaßen die Bormanns auch noch eine aus ‚arisiertemʻ jüdischen Besitz stammende Villa am Schluchsee im Schwarzwald.
Zu anderen NS-Größen unterhielten die Bormanns kaum Kontakt, zur Familie der Frau überhaupt keinen. Martin Bormann und Buch hatten sich seit 1935 zunehmend miteinander verfeindet, so dass Martin Bormann seiner Frau sogar den persönlichen Umgang mit ihren Eltern verbot. Bormann beschränkte sich daraufhin auf gelegentliche Telefonate mit der Mutter.
Von besonderem zeitgeschichtlichem Interesse ist die Ehe der Bormanns vor allem deshalb, weil sich aufgrund glücklicher Umstände ihr sehr ausführlicher privater Briefwechsel aus den Jahren 1943/44 erhalten hat. Er bezeugt nicht nur den tief verwurzelten, schon im Elternhaus eingeprägten Antisemitismus Bormanns, sondern lässt auch ihr völliges Unwissen über den Holocaust vermuten. Dies erscheint um so bemerkenswerter, als der normalerweise so wortkarge Leiter der Parteikanzlei seiner Frau gegenüber ansonsten äußerst mitteilsam war, so dass „die unauffällige Hausfrau Gerda zu den bestinformierten Geheimnisträgern des Dritten Reiches“ (Sigmund) gerechnet werden konnte; manche Pläne erfuhr sie noch vor Hitler. Über die Massenmorde erhielt wohl aber auch sie keine Informationen.
Besonderes Aufsehen erregten nach Veröffentlichung des Briefwechsels die spezifischen Moralvorstellungen der Bormanns. Hatte man zuvor geglaubt, Bormann würde die sexuellen Eskapaden ihres Mannes nur erdulden und an der Liebe des Reichsleiters zu seiner Frau aufgrund seines öffentlichen Verhaltens gezweifelt, so wurde man in beiderlei Hinsicht eines anderen belehrt. Bormann scheint seine Frau über alles geliebt zu haben. Allerdings hinderte ihn dies nicht daran, auch zu anderen Frauen mehr als nur gelegentlich sexuelle Kontakte zu unterhalten, bekannt vor allem zur Schauspielerin Manja Behrens. Von Bormann wurde dies jedoch nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Ganz ungeniert schrieb sie ihrem Mann am 24. Januar 1944 vom Obersalzberg: „Du musst nur darauf achten, dass M.(anja) in einem Jahr ein Kind bekommt und ich im darauffolgenden, dass du immer eine bewegliche Frau an deiner Seite hast. Dann geben wir alle Kinder zusammen […] und leben zusammen, und die Frau, die gerade kein Kind hat, wird immer bei dir am Obersalzberg oder in Berlin sein können.“ Selbst Martin Bormann wurde es dabei offenbar mulmig, wie sein Kommentar zu diesen Sätzen zeigt. Er hielt ein solches Einvernehmen für unmöglich und glaubte, dass jede am besten für sich bleiben solle.
Wäre es nach Bormann gegangen, hätte dieses private Modell politische Bedeutung erlangt. Als Martin Bormann Anfang 1944 seine Denkschrift zur „Sicherung der Zukunft des deutschen Volkes“ vorbereitete, schickte er seiner Frau einen ersten Entwurf zur Stellungnahme. Bormann antwortete am 10. Februar mit einem Plädoyer für die Zulassung mehrerer gleichzeitiger Eheverhältnisse. Ihre Ideen bezog sie teilweise aus dem Islam, dessen Vorzüge im Vergleich zu den christlichen Kirchen sie schon zuvor gepriesen hatte. Die Monogamie solle abgeschafft oder zumindest durch „Volksnotehen“ ergänzt werden. Nach dem Krieg sollten allen Männern, die sich als „wertvolle Mitglieder der Gemeinschaft“ erwiesen hätten, eine oder zwei zusätzliche Verbindungen ermöglicht werden – selbstverständlich nur der Kinder wegen! – und die Nebenfrauen mit ihren Kindern für sich leben und nur etwa alle zwei Wochen von den Männern besucht werden. Die Männer, die dadurch von den Kleinigkeiten des Alltags befreit wären, würden ihnen einen „freieren Geist“ bringen. Bormann entwarf sogar Formulierungen, wie die neuen Gegebenheiten rechtlich umgesetzt werden könnten.
Am 18. März 1945 kam Martin Bormann, der sich ansonsten stets in unmittelbarer Nähe Hitlers aufhielt, zum letzten Mal zu seiner Familie nach Berchtesgaden. Am 25. April dann wurde, wie schon länger erwartet, der Obersalzberg schwer bombardiert, wobei das Haus der Bormanns genauso vernichtet wurde wie Hitlers Berghof. Am nächsten Tag flohen Bormann und ihre Kinder, die den Angriff in ihrem luxuriösen Bunker unversehrt überstanden hatten, über Innsbruck nach Südtirol, wo sie unter falschem Namen untertauchten. Kurz nach ihrer Ankunft dort stellten sich bei Bormann starke Unterleibsblutungen ein. Sie wurde zunächst in Bozen und schließlich in Meran behandelt, wo sie sich auch zu erkennen gegeben hatte. Eine Verlegung der an Unterleibskrebs Erkrankten zur Operation nach München wurde von der britischen Besatzungsmacht nicht gestattet. Sie verstarb im Frühjahr 1946 jedoch nicht unmittelbar am Krebs sondern an einer durch die Behandlung hervorgerufenen Quecksilbervergiftung.
Zum Vormund ihrer Kinder hatte sie Theodor Schmitz bestellt, den kath. Geistlichen des Militärkrankenhauses, der nach und nach alle in Pflegefamilien unterbringen konnte. Mit Ausnahme Irmas nahmen alle das kath. Bekenntnis an, Adolf Martin, der Älteste, wurde Priester und Missionar.
Quellen: Hugh Trevor-Roper, The Bormann Letters. The private correspondence between Martin Bormann and his wife from January 1943 to April 1945, 1954. Kopien maschschriftl. Abschriften im Inst. für Zeitgesch. München (F 189).
Nachweis: Bildnachweise: Sigmund, 2000, passim.

Literatur: Anna Maria Sigmund, Die Frauen d. Nazis II, 2000, 7–44; Norbert u. Stephan Lebert, Denn Du trägst meinen Namen, 2002, 83–110; Jochen von Lang, Der Sekretär: Martin Bormann.
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