Schwinn, Ignaz 

Geburtsdatum/-ort: 01.04.1860;  Hardheim
Sterbedatum/-ort: 31.08.1948; Chicago
Beruf/Funktion:
  • Fahrradfabrikant, Erfinder und Konstrukteur
Kurzbiografie: 1866–1874 Volkschule in Hardheim, danach Lehre als Maschinenbauer; Gesellenjahre in Fahrradfabriken in Norddeutschland, dann Beschäftigung in Frankfurt, erste Pläne für ein verbessertes „safety“-Fahrrad
um 1880 Zusammentreffen mit Heinrich Kleyer; Anstellung als Konstrukteur u. Meister bei den „Kleyer-Werken“
1889 Mithilfe beim Bau u. d. Ausrüstung des neuen „Kleyer-Werks“, später als „Adler-Werk“ bekannt
1891–1894 Reise nach Chicago, Anstellung bei d. Firma „Fill&Moffat“, welche Fowler-Fahrräder herstellte, dann Tätigkeit für die „International Manufactoring Company“
1895 zusammen mit Adolph Arnold die „Arnold, Schwinn&Company“ gegründet
1908 Kauf d. Firmenanteile seines Partners u. alleiniger Inhaber bis zu seinem Tod
1896–1910 Konstruktion u. Bau von Autos, 1905 letztes Automobil mit einem wassergekühlten 4-Zylinder-Motor gebaut
1911 Kauf d. „Excelsior“-Motorradfabrik, bis 1931 Fertigung von Motorrädern u. zeitweise Flugzeugmotoren
1917 Kauf d. „Henderson Motorcycle Company“
1933 Erstmals Ballonreifen verwandt, innerhalb von zwei Jahren Standard in d. Fahrradbranche
1967 Umfirmierung in „Schwinn Bicycle Company“
1991 Seit Wiedereröffnung des Erfatal-Museums in Hardheim Ausstellungsbereich zu Leben u. Werk von Schwinn
1992/93 Konkurs d. „Schwinn Bicycle Company“
seit 2001 Markenname „Schwinn“ als Sub Marke von „Pacific Cycle“, seit 2004 Teil des multinationalen Mischkonzerns „Dorel Industries“
2003 Ignaz-Schwinn-Straße im neuen Industriegebiet Hardheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Helen, geb. Wagner (1863–1932), aus Frankfurt
Eltern: Vater: Johann Ignaz (1826–1871), Schreiner u. Besitzer einer kleinen Orgel- u. Klavierfabrik
Mutter: Magdalena Theresia, geb. Scheuermann (1828–1905)
Geschwister: 6; Josepha (* 1855), Franz Joseph (* 1858), August Carl (1861–1931), Joseph Friedrich (1863–1932), Anna Theresia (1867–1949), Luise Karolina (1870–1931) u. 2 Halbgeschwister aus erster Ehe: Maria Catharina (1854–1922) u. Timotheus (1854–1855)
Kinder: 3; Frank W. (1894–1963), Fahrradfabrikant, Margarethe (1896– 1970) u. Elizabeth (1905–1974)
GND-ID: GND/1012702367

Biografie: Torsten Englert (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 367-369

Als Vorläufer unseres heutigen Fahrrades gilt die von dem bad. Forstbeamten Freiherr Karl Drais von Sauerbronn (1785–1851) in Mannheim konstruierte zweirädrige hölzerne Laufmaschine mit Sattel, die „Draisine“, mit der er am 12. Juni 1817 in einer Stunde von Mannheim nach Schwetzingen lief; die Postkutsche brauchte vier. Er hatte an der bad. Revolution teilgenommen und starb im Armenhaus, die Draisine aber wurde weiterentwickelt, das Holz bald durch Stahl ersetzt und mit einer Tretkurbel versehen. In Paris stellte Pierre Michaux (1813–1883) 1867 die „Michauline“ vor, deren Vorderrad nur wenig größer war als das Hinterrad und mit Pedalen betrieben wurde. Der Engländer James Starley (1830–1881) indes setzte um die gleiche Zeit in Coventry auf das Hochrad, das 1870 unter dem Namen „Ariel“ gebaut wurde. Mit Hilfe des großen Vorderrads konnten bis zu 40 km/h Geschwindigkeit erreicht werden. Radfahren wurde modern, nicht nur in England, dieser Radtyp aber war wegen seiner Höhe und Instabilität und damit verbunden hoher Verletzungsgefahr bei Stürzen gefährlich. Darum wurde am „Safety-Bicycle“, einem sichreren Niederrad aus zwei gleichgroßen Rädern und Pedalantrieb auf das Hinterrad, bald über eine Kette, konstruiert. Hier setzt die Anteil Schwinns ein, der sich früh mit der Entwicklung dieses Rad-Typs beschäftigte.
Die Familie Schwinn lässt sich bis zum Beginn des 18. Jh.s nachweisen und stammt aus Breitendiel. Franz Anton Schwinn (1779–1832), der Großvater von Schwinn, heiratete 1815 nach Bretzingen bei Hardheim, sein Vater schließlich heiratete nach Hardheim, wo er eine kleine Orgel- und Klavierfabrik betrieb. Schwinn war erst elf Jahre alt, als der Vater verstarb. Er besuchte in Hardheim die Volksschule und erlernte anschließend das Maschinenbauerhandwerk. Nach der Lehre folgten Gesellenjahre in norddeutschen Fahrradfabriken. In Frankfurt fand er in einer Maschinenfabrik Arbeit, die Hochradteile produzierte. Schwinn, der sich schon damals mit der Verbesserung des „Safety-Rads“ befasste, lernte den Fabrikanten Heinrich Kleyer kennen und zeigte ihm seine Pläne. Dieser war so beeindruckt, dass er Schwinn in seiner Firma als Konstrukteur und Meister anstellte. Um 1889 half Schwinn beim Bau und der Ausrüstung des neuen „Kleyer-Werks“, das später als „Adler-Werk“ über die deutschen Grenzen hinaus bekannt wurde.
1891 reiste Schwinn nach Chicago. Er wollte die aufblühende Fahrradindustrie mit neuen Konstruktionen und Produktionswegen in der Neuen Welt kennenlernen. Anfangs arbeitete er bei der Firma „Fill&Moffat“, welche Fowler-Fahrräder produzierte, anschließend für die „International Manufactoring Company“, für welche er eine neue Fahrradfabrik plante und errichtete. 1894 löste er seinen Vertrag mit der Firma und gründete im Jahr darauf zusammen mit dem Deutschamerikaner Adolph Arnold, der von der Fleisch-Packer Industrie herkam, die „Arnold, Schwinn&Company“. Nun hatte Schwinn sich die Möglichkeit geschaffen, um nach seinen Vorstellungen die besten und schönsten Fahrräder herzustellen. Er hatte mit seinen Ideen und Vorstellungen durchschlagenden Erfolg und war einer der Vorreiter der rasanten Entwicklung im Fahrradgeschäft. Bereits im ersten Geschäftsjahr konnte er über 25 000 Fahrräder verkaufen. In den folgenden Jahren fertigte die „Arnold, Schwinn&Company“ pro Jahr zwischen 80 000 und 90 000 Fahrräder unter dem Markennamen „World Bicycles“. Bis in die 1950er Jahre verkaufte die Firma ungefähr einen Marktanteil ein Viertel aller Fahrräder in den USA.
Chicago wurde zum Zentrum der amerikanischen Fahrradindustrie mit über dreißig Fahrradfabriken. Die Produktion wuchs auf über eine Million Fahrräder im Jahr 1900. Dieser Fahrradboom aber war nur von kurzer Dauer. Automobile und Motorräder verdrängten das Fahrrad auf den amerikanischen Straßen. Bis 1905 fiel der Fahrradjahresumsatz auf 25% des Jahres 1900, viele kleine Fabriken wurden aufgekauft oder gingen in Konkurs. Auch Schwinn kaufte mehrere kleine Firmen auf und baute 1901 im Westen von Chicago eine der modernsten Fahrradfabriken für die Massenproduktion. 1908 kaufte Schwinn die Firmenanteile seines Partners Arnold und wurde alleiniger Inhaber der Fabrik, deren Entwicklung und Geschicke er bis zu seinem Tod bestimmte.
Von 1896 bis 1910 war die Firma auch für die im Aufbau begriffene Automobilindustrie tätig. Schwinn konstruierte und baute insgesamt zwölf experimentelle Automobiltypen, das letzte Modell mit einem wassergekühlten 4-Zylinder-Motor 1905.
1911 erwarb Schwinn die „Excelsior“ Motorradfabrik und 1917 die „Henderson Motorcycle Company“. Unter seiner Leitung wurde Excelsior einer der weltweit führenden Motorradhersteller bis in die 1920er Jahre und neben „Indian“ und „Harley Davidson“ für fast ein viertel Jahrhundert die drittgrößte Motorradfabrik der USA. Die Produktion der Excelsior, Henderson und Super X Motorräder wurde 1931 eingestellt. Zeitweise wurden neben Motorrädern auch Flugzeugmotoren angefertigt. Im I. und II. Weltkrieg wurde von „Arnold, Schwinn&Company“ Kriegsmaterial für alle drei Waffengattungen, Armee, Marine und Luftwaffe, produziert. Wegen der excellenten Qualität der Kriegsproduktion wurde der Firma das „Army and Navy E“ zugesprochen.
Fahr- und Motorräder von Schwinn gehörten zu den begehrtesten Produkten auf ihrem Gebiet. Insbesondere Schwinn-Fahrräder verkörperten den „American Way of Life“ wie kaum eine andere Marke. Ihr Design begründete den Verkaufserfolg der stromlinienförmigen „Aerocycles“ der 1940er Jahre, die wie Vorbilder moderner Fahrräder wirken. Vielleicht diente bei den Mountain-Bikes der 1970er Jahre ein „Schwinn-Bike“ von 1937 als Vorbild? Weitere Verkaufsschlager waren u. a. die „Paramount“, „Phantom“, „Continental“ und die „Varsity“ Modelle. Erfolge im Rennsport gehörten zum Markenimage, besonders der Fahrräder. Das Sechs-Tage-Rennen in Chicago, auch Pariser Radrennen wurden auf Schwinn-Rädern gewonnen. „Hollywood rides Schwinn“ lauteten die Werbeslogans der 1940er Jahre, große Filmstars wie Bing Crosby und Rita Hayworth warben für diese Marke. In „Craceland“ in Memphis, einst Wohnhaus von Elvis Presly, kann noch heute sein Schwinn-Rad besichtigt werden.
Besonderheit und ebenfalls Grund für die frühe Erfolgsgeschichte der Schwinn-Fahrräder war das Vertriebssystem der „Arnold, Schwinn&Company“, die nur mit Vertragshändlern arbeitete. Die Firma und ihre Leitung blieben bis 1992/93 in Familienhand. Das bis Ende der 1950er Jahre erfolgreiche Vertriebssystem allerdings wurde nicht hinreichend den gewandelten Bedürfnissen des Marktes angepasst, genauso wie die Produktion in den USA veraltete und schließlich in der Konkurrenz mit Japan und Taiwan unterlag. Verschiedene Umstrukturierungs-Maßnahmen brachten nicht den durchschlagenden Erfolg. Der Marktanteil lag 1992 nur noch bei 5%, der Konkurs wurde unvermeidlich.
Der Markenname „Schwinn“ ist seit 2001 ein Produkt der „Pacific Cycle“, welche seit 2004 zum multinationalen Mischkonzern „Dorel Industries“ gehört.
Quellen: A des Erfatal-Museum, Hardheim, Ahnentafel d. Familie; Kath. PfarrA St. Alban, Hardheim.
Nachweis: Bildnachweise: A des Erfatal-Museums (vgl. Quellen).

Literatur: 50 years of Schwinn-Built Bicycles, 1945; Mit zwei Rädern eroberte Ignaz Schwinn Amerika, in: Hardheim – Perle des Erfatals, 1988; Von Hardheim nach Amerika, in: Unser Land, 1996; American X – Excelsior-, Super X u. Excelsior- Henderson-Motorräder 1907 bis 1931, 2007; Berichte in: Fränk. Nachrichten vom 29. 5. 2008 u. 22. 7. 2010, RNZ vom 29. 5. 2008, 14. 7. 2010 u. 22. 7. 2010, Amtsblatt d. Gemeinde Hardheim vom 29. 5. 2008 u. 22. 7. 2010, Info- Tafel des Motorcycle Museum Hall of Fame in Chicago.
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