Klaus, Emil 

Geburtsdatum/-ort: 03.09.1907;  Bischoffingen am Kaiserstuhl
Sterbedatum/-ort: 16.11.1994;  Offenburg
Beruf/Funktion:
  • Winzer und Agrarpolitiker, MdL-CDU
Kurzbiografie: 1913-1921 Volksschule Bischoffingen
1922-1937 Tätigkeit im von der Mutter übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb
1937-1938 Aufgabe der Landwirtschaft; Weinbau im Nebenerwerb; Übernahme eines Wäschereibetriebes
1938-1942 Aufsichtsrat der Winzergenossenschaft (WG) Bischoffingen
1942-1954 Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer dieser WG
1943-1954 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Raiffeisenbank Bischoffingen
1946-1951 Gemeinderat in Bischoffingen
1947-1952 Mitglied der CDU-Fraktion des Badischen Landtags
1946 Mitbegründer des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV)
1947-1949 Geschäftsführender Präsident des BLHV, dann bis 1964 Erster Vizepräsident
1948 Mitbegründer des Badischen Weinbauverbandes (BWV), Mitglied des Verbandsausschusses des Badischen Raiffeisenverbandes und etlicher Fachausschüsse des Deutschen Genossenschaftsverbandes
1950 Mitbegründer des Deutschen Weinbauverbandes
1952-1964 Vizepräsident des BWV und bis 1980 auch des Deutschen Weinbauverbandes, 1964-1977 Präsident des BWV
1949-1959 Berufung in diverse Sachverständigenausschüsse des Deutschen Bauernverbandes und als Landwirtschaftsexperte zur Teilnahme an Verhandlungen über Handelsverträge mit den meisten europäischen Ländern
1951 Fünfmonatiger Aufenthalt in den USA zum Studium von Erzeugungs- und Marktstrukturen und Marketingfragen der Landwirtschaft
1952 Initiator und Mitbegründer der Zentralkellerei Badische Winzergenossenschaften in Breisach, 1952-1972 Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer dieses Unternehmens
1955-1964 Mitglied des Ausschusses des Bundeslandwirtschaftsministeriums für das Landwirtschaftsgesetz (Grüner Bericht und Grüner Plan)
1972-1978 Vorsitzender des Aufsichtsrates des ZBW (heute „Badischer Winzerkeller“)
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: Goldene Staatsmedaille von Baden-Württemberg (1960)
Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der BRD (1973)
Verleihung der „Johann-Heinrich von Thünen-Medaille“ in Gold der Stiftung Freiherr vom Stein zu Hamburg (1973)
Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg (1977)
Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1978)
Ehrenbürger der Stadt Vogtsburg am Kaiserstuhl (1982)
Ehrenpräsident des Badischen Weinbauverbandes und des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (1982)
Verheiratet: 1930 Bischoffingen, Luise, geb. Steinmann (1908-1989)
Eltern: Emil (1882-1918)
Emilie (1886-1942)
Geschwister: Zwillingsbruder Carl (gest. 1989)
Kinder: Richard (geb. 1930), Winzer in Bischoffingen
Gottlieb (geb. 1932), Winzer in Durbach
Ernst I. (1936-1939)
Ernst II. (geb. 1945), Bankleiter in St. Märgen
GND-ID: GND/101271523X

Biografie: Clemens Seiterich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 187-189

Klaus entstammte einer in Bischoffingen am Kaiserstuhl – heute Ortsteil der Stadt Vogtsburg – alteingesessenen evangelischen, freisinnigen, kleinbürgerlichen Winzerfamilie. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Carl konnte er nur die Volksschule besuchen, nachdem der Vater im letzten Kriegsjahr gefallen und die Mutter lange Zeit schwer krank war. Beide mußten so lernen, von frühauf den landwirtschaftlichen Betrieb umzutreiben, daraus den Lebensunterhalt zu bestreiten und die Mutter bis zu ihrem Tod zu pflegen. Ihre beruflichen Ziele galten der Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehhaltung, mehr aber dem Wein- und Obstbau. Beide, hoch begabt, sammelten nebenher im harten Selbststudium Erfahrungen in diesen Wirtschaftszweigen und in betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Fragen in der Schweiz und im Elsaß. Klaus zwang eine schwere Erkrankung, diese Tätigkeit bald aufzugeben und sich einer handwerklichen und kaufmännischen Beschäftigung (Wäscherei) zuzuwenden.
Bereits Mitte der 1930er Jahre wurden Klaus leitende Aufgaben im örtlichen Genossenschaftswesen übertragen. Während des II. Weltkriegs – er war wegen seiner Krankheit vom Soldatendienst befreit – wurde er auf der Ortsebene zum Geschäftsführenden Vorstand der Winzergenossenschaft und in die Führung der Raiffeisenbank gewählt und mit der Organisation des Obstabsatzes beauftragt. Schon in dieser Zeit gehörte er zu den Initiatoren von Rebflurbereinigungen. Klaus, der keiner NS-Organisation angehörte, hat gegen Ende des Krieges den Zugriff von NS-Größen auf Weinbestände in der Winzergenossenschaft unter Einsatz seines Lebens abgewehrt.
Aufgrund dieser Tatsache und seiner erfolgreichen Genossenschaftsarbeit wurde Klaus kurz nach Kriegsende aufgefordert, den Kreis derjenigen zu komplettieren – u. a. Lambert Schill, Carl Dietz, Dr. Franz J. Schwörer – als „unverschämt junger Mann“ (so C. Dietz), die sich der Neuordnung der politischen, staatlichen und berufsständischen Organisation auf land-, forst- und ernährungswirtschaftlichem Gebiet zugewandt hatten. Die Bewältigung dieser Aufgabe, verbunden mit der Förderung der Agrarproduktion und der Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung und großer Teile der Besatzungsmacht stellten für Klaus als Geschäftsführenden Präsidenten des BLHV und als Agrarsprecher der CDU-Fraktion im Badischen Landtag eine große Herausforderung dar.
Klaus, ein ausgezeichneter Debattenredner, wurde nach und nach in Präsidentenfunktionen des Badischen und Deutschen Weinbauverbandes „zur überragenden Figur, zu einer der eindrucksvollsten Gestalten der deutschen Weinwirtschaft überhaupt“ (H. G. Wehling). Seinem Bemühen ist größtenteils die Modernisierung der badischen und auch der deutschen Weinwirtschaft zuzuschreiben. Zugute kamen ihm dabei zahlreiche Reisen zu Handelsvertragsverhandlungen mit europäischen und außereuropäischen Ländern und ein fünfmonatiger Aufenthalt in den USA zum Studium von erzeugungs- und marktstrukturellen Verhältnissen und Marketingfragen.
Als eine geglückte Folgerung daraus kann die von ihm initiierte Gründung der Zentralkellerei Badischen Winzergenossenschaft (ZBW, heute: Badische Weinkeller) bezeichnet werden, eine als „Hilfe zur Selbsthilfe“ projektierte und realisierte genossenschaftliche Maßnahme für ca. 23 000 badische Winzerfamilien, wie sich ihresgleichen in Europa sonst nicht finden läßt. Ein politischer Erfolg von außergewöhnlichem Rang gelang ihm mit der Eingruppierung des badischen Weinbaugebietes in die „Zone B“ der Weinmarktordnung der EG entsprechend seiner im Vergleich zu anderen deutschen Weinbaugebieten vorzüglichen Ertragsbedingungen. Dadurch konnte eine Gleichstellung in den weinwirtschaftlichen Ausgangslagen Badens mit denen in Frankreich und Italien erreicht werden. Auch auf anderen Sektoren der Landwirtschaft in Baden, beispielsweise der Obstwirtschaft, der Veredlungswirtschaft und der allgemeinen Strukturverbesserung, vermochte Klaus fördernde Akzente zu setzen.
Klaus wurde mit vielfältigen Aufgaben in berufsständischen und genossenschaftlichen Spitzengremien Deutschlands und in der EG betraut. Sein eminent engagiertes Eintreten für ein freiheitliches, demokratisch geordnetes Staats- und Wirtschaftswesen, sein konsequentes Fechten für die Einbindung des agrarpolitischen Geschehens in die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, aber immer auch sein eindeutiges Plädoyer für korrigierende Eingriffe in diese Ordnung, wenn es standörtliche oder strukturelle Benachteiligungen der Landwirtschaft erforderlich machten, ließen aufhorchen. Auf seinen Rat setzten Minister, Staatssekretäre, Präsidenten und Generalsekretäre in Bundes- und Landesregierungen und Kommissare der EG. Auch in Kreisen der Wirtschafts- und Agrarwissenschaften genoß er hohes Ansehen. Wie kaum einem Agrarpolitiker in Deutschland war es ihm, ohne ein politisches Mandat zu besitzen (außer von 1947-1952 der Mitgliedschaft im Badischen Landtag) möglich, gangbare Wege aus Problemlagen zu finden und Entscheidungen herbeizuführen.
Der für sein Lebenswerk Hochgeehrte hat Zeit seines Lebens nie vergessen, daß er aus sehr einfachen, ärmlichen Verhältnissen stammte. Von daher und aus einer von außen kaum erkennbaren tiefen christlich-evangelischen Geisteshaltung heraus setzte er sich vielfach für in Not Geratene und Benachteiligte ein. Er selbst lebte bescheiden, ja anspruchslos. Für sein Hobby, die Jagd, nahm er sich wenig Zeit. Auf die Frage anläßlich seines 85. Geburtstages, was sein Leben besonders geprägt habe, sagte er: „das christlich-evangelische Elternhaus, besonders die Mutter; offene Augen und Ohren für Notlagen am Kaiserstuhl, in Baden, in der Welt und das „Geschenk“ eines freiheitlich geordneten Staats- und Wirtschaftswesens und darin zu leben und zu wirken“.
Quellen: Werner Schön: Lebensbild von Präsident und Ehrenpräsident Emil Klaus aus Bischoffingen, 1973, 3 S., Manuskript im Besitz des Badischen Weinbauverbandes e. V., Freiburg
Werke: Die letzten 25 Jahre – Entwicklung und Bedeutung des badischen Weinbaus und des Badischen Weinbauverbandes, hg. vom Badischen Weinbauverband (BWV), 1973, in: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BWV im Besitz des Verbandes, 13-26; Brief (als MdL und Präsident des BLHV) an Staatspräsident Wohleb vom 29.01.1948, in: StAFC 1/1
Nachweis: Bildnachweise: Archive der Stadt Vogtsburg, des Badischen Weinbauverbandes und der Badischen Bauern Zeitung

Literatur: Clemens Seiterich, Lebensverhältnisse eines südbadischen Winzerdorfes, 1954, 194 S.; Hans-Georg Wehling, Die politische Willensbildung auf dem Gebiet der Weinwirtschaft, 1971, 256 S.; Badischer Weinbauverband und Weinwerbezentrale der badischen Winzergenossenschaften (Hg.), Weinland Baden, 3. erweiterte Aufl. 1974, 196 S.; Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (Hg.), 100 Jahre bäuerliche Berufsvertretung in Baden, 1985, 200 S.; Hans-Georg Merz, Bodenreform-Agrarreform-Flurbereinigung. Zum badischen Agrarreformgesetz vom 27.2.1948, in: Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre, hg. von Paul-Wilhelm Weinacht, 1988, 179-199. – Außerdem Beiträge in Badische Bauern-Zeitung (BBZ): Clemens Seiterich, Ein Mann mit großen Verdiensten, Emil Klaus zum 75. Geburtstag, in: BBZ Nr. 37/1982, 5-7; ders., Emil Klaus zum 85. Geburtstag, in: BBZ Nr. 36/1992, 5-8; ders., Emil Klaus zum Gedenken, in: BBZ Nr. 48/1994, 6-7
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