Mederle, Franz 

Geburtsdatum/-ort: 09.09.1893;  Rottweil
Sterbedatum/-ort: 30.07.1955;  Rottweil
Beruf/Funktion:
  • Kommunalpolitiker, katholischer Föderalist
Kurzbiografie: 1903-1912 Gymnasium in Rottweil
1912-1919 Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen
1914-1918 Kriegsteilnahme
1920-1921 Referendar am Landgericht Rottweil
1923 Promotion zum Dr. jur.
1924 Daselbst Eröffnung einer Rechtsanwaltspraxis
1933-1945 Gegner des Nationalsozialismus
1945-1946 Bürgermeister von Rottweil
1945-1946 Oberstaatsanwalt am Landgericht Rottweil
1946 Gründungsmitglied des „Schwäbisch-Alemannischen Heimatbundes“
1947-1955 Selbständiger Rechtsanwalt
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1925 Rottweil, Hildegard, geb. Rogalla (1898-1963)
Eltern: Paul (1855-1926), Finanzrat und Kameralamtsvorstand in Rottweil
Anna (1865-?), geb. Schnitzler
Geschwister: Elisabeth (geb. 1889)
Pauline Anna (geb. 1891)
Karl (geb. 1894)
Kinder: Eberhard (geb. 1933)
GND-ID: GND/1012715280

Biografie: Jürgen Klöckler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 248-249

Aus dem katholischen Milieu der Stadt Rottweil stammend, war das Leben von Mederle, einem der beiden Söhne des vormaligen Kameralamtsvorstands, eng mit der ehemaligen freien Reichsstadt verbunden. Innig liebte er seine Heimatstadt am Neckar, wo er auch nach der Jahrhundertwende das Gymnasium besuchte.
Nach bestandenem Abitur begann Mederle ein rechtswissenschaftliches Studium an der Universität Tübingen, das nach 1914 durch Kriegsteilnahme in Rußland unterbrochen wurde; an der Eberhard-Karls-Universität schloß er sich der katholischen Studentenverbindung „Alamannia“ im Kartellverband an. Seine nichtfarbentragenden Bundesbrüder waren neben dem ebenfalls aus Rottweil stammenden Lorenz Bock die beiden späteren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Gebhard Müller und Kurt Georg Kiesinger.
In den unmittelbaren Nachkriegsjahren begann Mederle seine juristische Laufbahn als Referendar am Landgericht Rottweil, wo er in der I. Zivilkammer Landgerichtsrat Bertele zugeteilt war. Bertele wiederum sollte gegen Ende der Weimarer Republik als konsequenter Stammesföderalist mit einer Schrift über „Groß-Schwaben“ in Erscheinung treten. Nach dem zweiten Staatsexamen hat sich Mederle Mitte der 1920er Jahre als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt selbständig gemacht. Der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten stand der Katholik ablehnend gegenüber.
Den im Zentrum engagierten Mederle provozierten Studienfreunde mit folgender Anzeige in der Nationalsozialistischen Volkszeitung vom 9. Dezember 1933: „Die Ankunft eines kräftigen Hitlerjungen zeigen hocherfreut an: Dr. Mederle und Frau“. Sein aufbrausendes, fast cholerisches Wesen dürfte bei der Lektüre der Geburtsanzeige zum Ausbruch gekommen sein. Seit Mitte der 1930er Jahre bis zu seinem Tod bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des Aufsichtsrats bei der Firma Oscar Müller&Cie. in Schwenningen. Doch vor allem seine Rechtsanwaltspraxis ernährte in den Jahren der Diktatur ihn und seine Familie.
Am 7. Mai 1945 wurde Mederle von der französischen Besatzungsmacht anstelle des seit 21. April provisorisch ernannten Stadtkämmerers Josef Flaig zum Bürgermeister der Stadt Rottweil eingesetzt, da er als unbescholten, frankophil und ausgewiesener Gegner des Nationalsozialismus galt. Zugleich reorganisierte er als Oberstaatsanwalt das Landgericht Rottweil.
Ein latenter Antiborussianismus und autonomistische Konzepte verbanden sich bei Mederle mit einer inbrünstigen Heimatliebe. Als führender Kopf einer Rottweiler Honoratiorengruppe beantragte er im Frühjahr 1946 bei der Militärregierung die Lizenz für eine „Schwäbisch-Alemannische Volkspartei“ mit strikt föderalistischer Ausrichtung: „Das Reich als politisch-nationales Gebilde ist eine Angelegenheit der Vergangenheit“. Ein autonomer Stammesstaat im Südwesten, der in ein konföderiertes, „abendländisches“ Europa eingebunden sein sollte, war erklärtes Ziel der Antragsteller. Doch die Parteigründung wurde von der Besatzungsmacht – trotz deren dezentralistischer Deutschland- und Besatzungspolitik – umgehend abgelehnt; zu groß schien die Gefahr eines Übergreifens auf das alemannische Elsaß. Daher schloß sich Mederle den Bestrebungen seines Bürgermeisterkollegen Bernhard Dietrich in Singen am Hohentwiel an, die am 12./13. August 1946 zur Gründung des „Schwäbisch-Alemannischen Heimatbundes“ führten. Innerhalb des Heimatbundes kooperierte Mederle eng mit dem von ihm hochgeschätzten Konstanzer Stadtarchivar Otto Feger, dem Autor des mit 50 000 Exemplaren auflagenstärksten Buches in der Französischen Besatzungszone im Jahr 1946 („Schwäbisch-Alemannische Demokratie“). Zusammen mit Dietrich wurde bald die Lizenz für eine extrem föderalistische Zeitung („Der Freie Süden“) beantragt. Mederle hatte bereits konkrete Verhandlungen mit einer leistungsfähigen Druckerei in Balingen geführt. Indes die Zeitung, für die eigens der Augsburger Chefredakteur der Zeitschrift „Das Neue Abendland“, Walter Ferber, zur Anfertigung der Nullnummer gewonnen wurde, sollte nicht lizenziert werden. In ganz Württemberg-Hohenzollern machte Mederle Stimmung für den „Schwäbisch-Alemannischen Heimatbund“, wobei ihm die Abhaltung öffentlicher Versammlungen durch den Oberdelegierten Widmer in Tübingen verboten war. Enttäuscht über den aus seiner Sicht auf Entschlußlosigkeit seiner Mitstreiter beruhenden mangelnden Erfolg der Vereinigung und zutiefst befremdet von der ablehnenden Haltung der Militärregierung wandte er sich 1948 vom Heimatbund ab.
Sein berufliches Auskommen fand Mederle nach 1947 wieder als Rechtsanwalt in der Stadt am Neckar, wobei er in engem Kontakt mit seinem Nachbarn Lorenz Bock, dem Staatspräsidenten von Württemberg-Hohenzollern, stand. Mederle starb unerwartet und plötzlich im Jahr 1955.
Quellen: Personalakte bei der Staatsanwaltschaft und im Landgericht Rottweil (LG RW II AR 10/95); Archiv der Besatzung in Colmar (W-H 1 f. Ser. Div. c. 2528 p. 3 d. 5 bzw. HCFA AP Dir. de l’Int. c. 228 p. 9 d. 22); Gemeinderatsprotokolle 1945-1947 im Stadtarchiv Rottweil
Werke: Die Verwaltungsaktie, Diss. jur. Tübingen 1931; Warum Groß-Schwaben, in: Schwarzwälder Post vom 01.02.1946; Das deutsche Problem, 1946
Nachweis: Bildnachweise: Stadtarchiv Rottweil, Bildsammlung; Klöckler, in: Land, 1999, 71 und Chronique, 2000, 327

Literatur: Dr. jur. Franz Mederle zum Gedächtnis, in: Schwarzwälder Volksfreund Nr. 176 vom 03.08.1955; J. Klöckler, „Es wird mir übel, wenn ich vom ‚Wiederaufbau des Reiches‘ höre“. Autonomieforderungen im französisch besetzten Südwestdeutschland nach 1945, in: Beiträge zur Landeskunde. Regelmäßige Beilage des Staatsanzeigers für Baden-Württemberg, Dezember 1996, 1-5; J. Klöckler, Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945 bis 1947, 1998; ders., „Das Land der Alemannen ...“, Pläne für einen Heimatstaat im Bodenseeraum nach 1945, 1999; Chronique du cercle de Rottweil depuis le 27 avril 1945 jusqu’à 30 septembre 1949. Zweisprachige Edition, bearb. und eingeleitet von Jürgen Klöckler, 2000, passim
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