Straub, Johanna 

Geburtsdatum/-ort: 31.05.1864;  Freiburg im Br.
Sterbedatum/-ort: 12.07.1956;  Freiburg im Br.
Beruf/Funktion:
  • Mitglied des Landtags (Baden) – DDP, Sozialpolitikerin
Kurzbiografie: 1870-1880 Höhere Mädchenschule in Freiburg, danach Privathandelsschule, Krankenpflegeschule, Kurse für soziale Tätigkeit
1901 verwitwet, danach Leiterin eines großen Kinderhorts des Badischen Frauenvereins; Gründerin und Leiterin einer Ferienkolonie für Mädchen
1921-1929 Mitglied des Landtags (Baden) – DDP
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1894 (Freiburg) Karl Straub (1834-1901), Notar
Eltern: Vater: Ernst Zipp (1811-1974), Professor am Großherzoglichen Lyzeum in Freiburg (später: Bertholds-Gymnasium)
Mutter: Ernestine, geb. Krayer (gest. 1888)
Geschwister: 2
Kinder: keine
GND-ID: GND/101277564X

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 362-363

Fest angestellte Fürsorgerinnen sollten nach den Vorstellungen der bad. DDP-Abgeordneten Straub als weibliche Polizei auf die Hebung von Sitte und Moral hinwirken, zum Beispiel in den Strafanstalten. Eigens erwähnte sie 1924 das Arbeitshaus Kislau, wo sich harmlose Landstreicher befanden, und mit einem Lob für die Behandlung der Insassen das Gefängnis in Freiburg. Hier hatte sie 1926 ihre Landtagskollegin, die KP-Abgeordnete Frieda Unger besucht, die wegen ihrer Teilnahme an den sogenannten Hungerunruhen von 1923 als Untersuchungsgefangene auf ihren Prozess wartete. Wohlfahrtspflege und Frauenfragen waren Schwerpunkte von Straubs Parlamentsarbeit. Die Volksschulen und staatlichen Fortbildungsschulen, insbesondere für Mädchen, lagen ihr am Herzen. Sie forderte aber auch Etatmittel für nichtstaatliche Bildungseinrichtungen, etwa für die Krankenpflege- und Hebammenschule und die Seminare für Handarbeitslehrerinnen des Badischen Frauenvereins vom Roten Kreuz, den sie als staatsnah beschreibt. Zeitaufwendig war das Amt der Schriftführerin des Landtags, das Straub von 1921 bis 1926 offenbar flink und zuverlässig ausfüllte.
Straub stammte aus dem bildungsbürgerlichen Milieu. Der Vater, Lehrerssohn aus Ichenheim, wirkte als Professor am Großherzoglichen Gymnasium, dem späteren Berthold-Gymnasium in Freiburg. Der Bruder studierte Medizin und ließ sich als praktischer Arzt in Freiburg nieder. Straub besuchte wie damals für Töchter ihrer Kreise üblich die zehn Klassen der Höheren Mädchenschule. Im Personalbogen des Landtags nennt sie zusätzlich den Besuch einer privaten Handelsschule, einer Krankenpflegeschule und die Teilnahme an Kursen für soziale Fürsorge. Als 30-jährige heiratete sie den genau doppelt so alten Juristen Karl Straub. Ob die gesellschaftlichen Verpflichtungen als „Frau Notar“ sie ausfüllten, lässt sich nicht mehr feststellen; die drei Kinder aus der ersten Ehe ihres Mannes lebten nicht mehr im Haushalt des Vaters. Sicher gehörte sie schon damals dem Freiburger Zweig des Badischen Frauenvereins an. Ob sie sich auch bereits in einer liberalen Vorläuferpartei der DDP engagierte, muss ebenso offen bleiben wie die Frage nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts in den Arbeiterbildungsverein und den Freiburger Hausfrauenverein, eine Berufsorganisation, die 1914 einer Initiative des Vereins „Frauenbildung – Frauenstudium“ entsprang. 1901, im Alter von 37 Jahren, wurde Straub Witwe. Die Gründungswelle von Einrichtungen zur Betreuung schulpflichtiger Kinder „namentlich der Arbeiterklasse“, die eben vehement eingesetzt hatte, eröffnete ihr ein Betätigungsfeld: Vierzehn Jahre lang hat sie einen großen Kinderhort des Badischen Frauenvereins geleitet, außerdem eine Ferienkolonie für Mädchen gegründet und betreut.
Nach 8 Jahren Mitgliedschaft schied Straub, die gerade das 65. Lebensjahr vollendet hatte, aus dem Landtag aus. Aus dem verbleibenden Lebensabschnitt ist wenig Konkretes dokumentiert. Sie führte vermutlich das ganz normale Leben einer Beamtenwitwe. In den 1930er Jahren wird sie als Mitglied des 16-köpfigen Vorstands des Freiburger Frauenbunds genannt im Kreis von Ehefrauen namhafter Bürger. Die Nachlassakte ihres Mannes von 1901 lässt erkennen, wie dieser als Fachmann 1894 die Familienangelegenheiten in einem Ehevertrag geregelt hatte. Hier werden auch die Kinder aus der ersten Ehe aufgeführt, deren beachtliche Mobilität auffällt: Die Tochter Hermine, geboren 1862, also zwei Jahre vor ihrer späteren Stiefmutter, war mit einem Kaufmann in Zürich verheiratet; der 1865 geborene Sohn Alfred arbeitete als Ingenieur im US-Staat Washington; die 1874 geborene Tochter Hedwig lebte als Ehefrau in London. Straubs eigene Nachlassakte von 1956 benennt die beiden Töchter ihrer Schwester als Erben. Eine der beiden war Lehrerin und damit in die Fußstapfen von Urgroßvater und Großvater Zipp getreten.
Als Straub im beachtlichen Alter von 92 Jahren starb, durfte sie sich zugute halten, der Demokratie und den Rechten der Frau gedient zu haben, in bürgerlich gemäßigter Form. Immerhin hatte sie sich aufgerafft, aus der Welt der Kaffeekränzchen auszubrechen. Ob Straub das entschiedene bis radikale Vorgehen der Frieda Unger im Stillen bewunderte, mag offen bleiben. Jedenfalls solidarisierte sie sich 1922 in einem Redebeitrag über die Ernährungslage der Stadtbevölkerung ausdrücklich mit ihr.
Quellen: GLA Karlsruhe 231/10957, 466/17747, 234/3108; StadtA Freiburg VIII/25, l u. 6, H 19453; Notariat Freiburg, Nachlassakte AZ 5H 1154/56; EAF Kirchenbücher von Buchen, Emmendingen u. Freiburg.
Nachweis: Bildnachweise: GLA Bildersammlung, abgedr. bei Hochreuter, 1980 (vgl. Lit.).

Literatur: Verhandlungen des Bad. Landtags, Protokollhefte 1921-1929; Angelika Hochreuter, Frauen im Parlament, 1952; Angelika Schwall-Düren, Kinder- u. Jugendfürsorge im Großherzogtum Baden in d. Epoche d. Industrialisierung, 1980; Engelbert Krebs, Geschichte des Freiburger Frauenvereins 1815-1915, 1915; Grete Borgmann, Freiburg u. die Frauenbewegung, 1973.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)