Senfft, Carl Johann 

Geburtsdatum/-ort: 12.03.1858;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 02.05.1927; Düsseldorf
Beruf/Funktion:
  • Vorstand der Mannesmannröhren-Werke AG in Düsseldorf
Kurzbiografie: Königliche Realschule in Stuttgart bis zum Einjährigen; Lehre beim Bankhaus I. M. Hausmeister in Stuttgart
1876-1877 Militärdienst
1877-1879 Mitarbeiter der Firma Michell&Kimbel, Commissionaires-Expéditeures in Paris
1880 Mitarbeiter der Firma Schuster Son&Co., Effekten-und Devisenhandel in London
1885 Mitarbeiter der Firma Lazard Brothers&Cie., Foreign Bankers in London
1890 Kaufmännischer Leiter mit Prokura der Gewerkschaft Hilden
1895 Leiter der Verkaufsstelle für Gas-und Siederöhren unter der Firma C. J. Senfft in Düsseldorf
1900 1. Apr. Mitglied des Vorstands der Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG (ab 1907 Mannesmannröhren-Werke AG) in Düsseldorf
1913 30. Jun. Mitglied des Aufsichtsrats der Mannesmannröhren-Werke AG in Düsseldorf
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Carl Ferdinand Senfft (10.9.1828-1909), Kaufmann, Versicherungsagent, Mitarbeiter des Gewerbemuseums, Ausstellungsfachmann und Hofrat
Mutter: Margret, geb. Moßhammer aus Nürnberg
Geschwister: Heinrich
Elise
GND-ID: GND/1012781453

Biografie: Horst A. Wessel (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 260-263

Senfft ist in der Stuttgarter Königstraße – mit Blick auf das Königliche Schloss – aufgewachsen. Er war der zweite Sohn des Kaufmanns Carl Ferdinand Senfft, der hier mit seiner Frau Margarethe ein Metallwarengeschäft betrieb, dem später noch die Hauptagentur für Württemberg der Allgemeinen Versicherungsgesellschaft für See-, Fluss- und Landtransport in Dresden angegliedert wurde. Ab 1849 lag die Führung des Geschäftes mehr und mehr in den Händen der Ehefrau, während ihr Mann im rasch wachsenden Umfang durch die Betreuung des Württembergischen Musterlagers bei der Zentralstelle für Gewerbe und Handel (später „Gewerbemuseum“) unter dem Präsidenten Ferdinand Steinbeis in Anspruch genommen wurde. Außerdem unterrichtete er zeitweise die Fächer Buchhaltung und Wechselkunde an der Fortbildungsschule. Carl Ferdinand wurde ein bekannter und anerkannter Ausstellungsfachmann, der u. a. an den Weltausstellungen in Paris und Wien und an der großen Internationalen Moskauer Ausstellung von 1873 mitwirkte. Seine Arbeit fand Anerkennung – im Lande erst durch die Festanstellung, durch die Ernennung zum Inspektor, Oberinspektor und schließlich zum Hofrat sowie durch die Auszeichnung mit der 1. Klasse des Friedrichsordens mit dem Ritterkreuz und dem Löwen des Ordens der Württembergischen Krone, von den zahlreichen ausländischen Auszeichnungen kommt der Offiziersklasse des Franz-Joseph-Ordens und dem Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion die größte Bedeutung zu.
Für Ausbildung und Berufsweg des zweiten Sohnes dürften die internationalen Beziehungen des Vaters ausschlaggebend gewesen sein. Dieser besuchte das Königliche Realgymnasium in Stuttgart bis zum Einjährigen. Schon hier zeigte er ein besonderes Interesse an den lebenden Fremdsprachen. Im Anschluss absolvierte er eine Lehre beim Bankhaus I. M. Hausmeister, das in Stuttgart seinen Sitz hatte. Nach der Erfüllung seiner Militärdienstpflicht zog es ihn ins Ausland. 1877 bis 1879 war er als Buchhalter und Korrespondent bei dem Kommissionswaren- und Ausfuhrgeschäft Michell&Kimbel in Paris tätig, 1880 als Effekten- und Devisenkaufmann bei Schuster Son&Co. in London. 1885 wechselte er innerhalb der britischen Hauptstadt zum Bankhaus Lazard Brothers&Cie., das stark in Überseegeschäften engagiert war.
Was den damals 29jährigen noch im selben Jahr bewogen hat, die Stelle des Bürochefs der bedeutenden Seidenweberei der Firma Gressard&Cie. im rheinischen Hilden zu übernehmen, darüber erfahren wir nichts.
1890 übernahm er die kaufmännische Leitung mit Prokura der Hildener Gewerkschaft, ein Stahlröhrenwerk, das von den Mitgliedern der deutschen Röhrenkonvention gegründet worden war. Im Jahr darauf übernahm er zusätzlich die Geschäftsführung der später unter seinem Namen firmierenden Verkaufsstelle für Gas- und Siederöhren der nun zu einem straffen Kampfverband gegen den aufgrund eines neuen Verfahrens übermächtigen Konkurrenten Mannesmannröhren zusammengeschlossenen Gas- und Siederohrkartelle in Düsseldorf. Schnell zeichnete sich ab, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen war; denn die nahtlos gewalzten Mannesmannröhren waren den geschweißten Produkten in allen Belangen überlegen. 1901 musste der Konkurrent nicht nur als Mitglied des Siederohrsyndikats, sondern mit einer Quote von fast einem Viertel akzeptiert werden. Bereits in der Endphase der Verhandlungen hatte Senfft ein Angebot von Mannesmann angenommen. Er wechselte zum 1. April 1900 und wurde Mitglied des Vorstands der noch Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG (ab 1907 Mannesmannröhren-Werke AG), gleichfalls mit Sitz in Düsseldorf. Der Mannesmann-Vorstand bestand damals aus nur zwei Personen, und Senfft war für die Neuorganisation des Vertriebs der inzwischen fünf Mannesmannröhren-Werke in vier Ländern, insbesondere für den Aufbau eines weltweiten Vertriebsnetzes und damit für die Erschließung neuer Märkte, zuständig.
Das war eine Aufgabe, die Senfft nicht nur im außerordentlichen Maße forderte, sondern für die er auch denkbar günstige Voraussetzungen mitbrachte: er kannte das Röhrengeschäft, verfügte über Auslandserfahrungen, beherrschte Englisch und Französisch in Wort und Schrift und besaß Grundkenntnisse in der spanischen und italienischen Sprache.
Senfft war während seines ersten Jahrzehnts bei Mannesmann unermüdlich unterwegs – nicht selten neun Monate eines Jahres – auch an einem Stück. Bereits 1901/02 besuchte er USA, Kanada und Mexiko. Ein halbes Jahr später bereiste er erneut Nordamerika, und nur wenige Monate darauf befand er sich bereits auf dem Wege durch Russland nach Asien, Australien und Neuseeland. Im Jahre 1903 standen Ziele in Niederländisch-Indien (Indonesien), Malaysia, im Jahr darauf in Südamerika, Brasilien, Argentinien, Chile und Ecuador, 1905 in Transvaal und Natal im südlichen Afrika, 1906 sowie 1908 bis 1912 erneut in Südamerika auf dem ausgebuchten Reiseplan.
Da Senfft keine familiären Verpflichtungen hatte, scheinen diese Reisen über alle sieben Meere und in fast alle Kontinente dieser Erde kein allzu großes Opfer für ihn gewesen zu sein. Im Gegenteil, ausgestattet mit Generalvollmacht und Entlastung im voraus für alle von ihm zu treffenden Abmachungen und zu schließenden Verträge sowie Einführungsschreiben der Deutschen Bank hat dieser weltgewandte Mann die mit großem Komfort verbundenen Reisen auf Ozeandampfern und mit Pullmannwagen nicht nur zur Anknüpfung neuer und zur Pflege bestehender Geschäftsverbindungen, sondern auch zur Erholung genutzt. Selbst die Aufenthalte in fernen Ländern hat er manchmal unterbrochen, um wieder zu Kräften zu kommen oder auch, um nur zu genießen. Nach dem Urteil von Geschäftspartnern war Senfft ein überaus tüchtiger Mann, den nichts aus der Ruhe bringen konnte. Allerdings lässt die auf Leibesschaden und Todesfall abgeschlossene Versicherung, für die jede Reise angemeldet werden musste und die eine Reihe von Risiken, selbst das Fahren von Automobilen und Fahrrädern, ausschloss, vermuten, dass diese Reisen nicht ohne Gefahren waren und – trotz Erholungspausen auch Kraft kosteten.
Für Mannesmann zahlte sich das Engagement seines Vertriebsvorstands aus. Wie die im Mannesmann-Archiv verwahrten Dokumente belegen, wurden Mannesmannröhren im rasch wachsenden Umfang weltweit für Wasser, Öl und Gas, für Strom- und Fernmeldeleitungen, für Masten, für den Bohrbetrieb und den Maschinenbau verwendet. An allen wichtigen Plätzen der Erde entstanden Handelsniederlassungen mit Fachpersonal und teilweise auch Röhrenlagern; in Argentinien, Brasilien, Chile und Kanada gründete Senfft rechtlich selbständige Handelsgesellschaften, deren Aufsichtsgremien er angehörte und deren Geschäfte er anlässlich seiner jährlichen Aufenthalte prüfte. Er verstand es, mit Menschen aus allen Ständen umzugehen.
Im Jahre 1913 trat der inzwischen 53jährige zurück. Offensichtlich hatte die jahrelange intensive Reisetätigkeit ihm zugesetzt; denn zur Begründung wird die angegriffene Gesundheit angegeben. Dafür spricht auch, das sich Senfft jährlich einer Herzkur in Bad Nauheim unterzog. Entsprechend ist der Hinweis „nach langem Leiden“ zu verstehen, den Neffe und Nichte in die Todesanzeige einrücken ließen. In Anerkennung seiner Leistung für das Unternehmen, jedoch auch um seine Kenntnisse weiterhin nutzen zu können, wurde er in den Aufsichtsrat gewählt, dem er bis zu seinem Tode angehörte.
Der Erste Weltkrieg und die Inflation brachten Senfft um einen großen Teil seines Vermögens; er stand wie so viele Vertreter der bürgerlichen Schicht fast mittellos da. Die Aufsichtsratstantieme reichte bei weitem nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern und das ihm noch verbliebene Haus in Düsseldorf instand zu halten. Er zog zu seinen Verwandten nach Stuttgart und kehrte erst ins inzwischen von französischem Militär besetzte Düsseldorf zurück, als ihm Mannesmann – wie auch den anderen Pensionären – die Sicherung der Existenz durch eine monatliche Zuwendung, dazu gehörten auch Kohlen, zugesichert hatte. Es muss ihn, der in seinem Leben so viele Grenzen passiert hatte, seltsam berührt haben, als er auf dem Weg ins Rheinland von französischem Militär kontrolliert wurde. Diesem Umstand verdanken wir eine letzte erkennungsdienstliche Behandlung: Gestalt-mittel, Augen-braun, Haare-dunkelbraun, Gesicht-oval. Das entspricht, jedenfalls was „Gestalt“ und „Gesicht“ betrifft, den Fotos, die im Mannesmann-Archiv verwahrt werden.
Es fehlt das, was als „Markenzeichen“ von Senfft überliefert ist, die weiße Nelke im Knopfloch seines Jacketts.
Ende März 1927 erkrankte Senfft an einer schweren Grippe. Von ihr hat er sich nicht mehr erholt. Am 3. Mai 1927, im 70. Lebensjahr, trat dieser Weltreisende seine allerletzte Reise an. Seine sterblichen Überreste wurden eingeäschert. Die Kinder seines älteren Bruders aus Stuttgart erbten das Haus in Düsseldorf und mindestens 125 Mannesmann-Aktien nominal à 1 000 Reichsmark.
Quellen: Mannesmann-Archiv, Mülheim/Ruhr.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Mannesmann-Archiv.

Literatur: Lutz Hatzfeld, C. J. Senfft (1858-1927), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 9, 1982, 227-235.
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