Eckert, Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 10.06.1899;  Freiburg im Br.
Sterbedatum/-ort: 12.11.1980;  Freiburg im Br.
Beruf/Funktion:
  • Finanzminister von (Süd-) Baden
Kurzbiografie: 1917-1919 Notabitur (1917) an der Rotteck-Oberrealschule Freiburg (dort seit 1909, zuvor Lessingschule) Militärdienst und Einsatz an der Westfront, 1919 Entlassung aus der Armee im Rang eines Unteroffiziers
1919-1922 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg, 1922 Promotion bei Prof. Mombert: „Der Familienlohn“
1922-1925 Volontär bis 1923 beim städtischen Arbeitsamt und beim Schlichtungsausschuss in Freiburg; anschließend bis 1925 im Freiburger Büro des Rechtsanwalts und Syndikus Otto Fehrenbach, Arbeitgeberverbände
1925-1930 Geschäftsführer des badisch-pfälzischen Zimmermeisterverbandes und des Fachblatt-Verlages GmbH in Freiburg
1928 Landtagskandidatur für die Zentrumspartei
1930-1934 Stellvertretender Syndikus, ab Juli 1931 Erster Geschäftsführer der Badischen Handwerkskammer in Freiburg
1934-1936 Selbständiger Steuersyndikus und Wirtschaftstreuhänder in Freiburg
1937-1939 Verwaltungschef der Exportgemeinschaft deutscher Automobilfabriken AG in Berlin, einem Zusammenschluss der deutschen Autohersteller, 1939 kurzzeitig selbständiger Export-Syndikus in Berlin
1939-1945 Wehrmacht: zunächst Unteroffizier, ab 1940 Kriegsverwaltungsrat beim Heereswaffenamt in Berlin und ca. 1943/44 Heereskriegsrat der Reserve, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft (in England)
1945-1947 Syndikus bei der Badischen Handwerkskammer in Freiburg
1946 Wahl in den Stadtrat von Freiburg und in die Beratende Landesversammlung von Südbaden
1947 Ernennung zum Professor für Arbeits- und Sozialwissenschaft an der Verwaltungsakademie Speyer (ohne Vorlesungen gehalten zu haben); 1948 Niederlegung der Professur
1947-1952 Mitglied des Landtags (Süd-)Baden – BCSV/CDU für den Wahlkreis 3, Donaueschingen-Neustadt
1948-1952 (Süd-)Badischer Minister der Finanzen
1952-1953 Tätigkeit im Regierungspräsidium Freiburg, 1953 Versetzung in den Wartestand
1954-1964 (?) Ministerialdirektor im Finanzministerium Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Arbeitsrichter beim Arbeitsgericht Freiburg; Beisitzer der Spruchkammer des Oberversicherungsamts Freiburg; Beisitzer des Schlichtungsausschusses Freiburg; Vorstandsmitglied der Ortskrankenkasse Freiburg; Mitglied des Verwaltungsausschusses des Arbeitsamts Freiburg; Mitglied des Landeseisenbahnrats in Baden; Mitglied des Deutschen Handwerkstags Hannover (alle vor 1933); Ehrensenator der Universität Freiburg (nach 1945)
Verheiratet: (Freiburg) 1937 Luise Charlotte, geb. Herr
Eltern: Vater: Wilhelm, Schriftsetzer
Mutter: Pauline, geb. Hasenfratz
Kinder: 2: Barbara und Ulrich
GND-ID: GND/1012786927

Biografie: Martin Stingl (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 58-60

Eckert wurde als Sohn eines Handwerkers geboren und blieb bis zum Beginn des II. Weltkriegs als Mitarbeiter in berufsständischen Einrichtungen des Handwerks, als Schriftleiter bzw. Herausgeber verschiedener Fachorgane sowie in seiner selbständigen Berufstätigkeit diesem Milieu verbunden.
Während des „Dritten Reiches“ wurde seine berufliche Laufbahn mehrfach nachhaltig gestört; in welchem Ausmaß politische Gründe dabei eine Rolle spielten, lässt sich heute nicht sicher überprüfen. 1934 musste er seine Stellung als Syndikus bzw. Geschäftsführer der Handwerkskammer Freiburg aufgeben, offenbar weil er als früheres Mitglied der Zentrumspartei als politisch unzuverlässig galt. Er machte sich als Steuersyndikus und Wirtschaftstreuhänder in Freiburg selbständig, jedoch wurde ihm 1936 die Zulassung entzogen. Seine anschließende Stellung als Verwaltungschef der Exportgemeinschaft deutscher Automobilfabriken AG in Berlin verlor er im Frühjahr 1939 eigenen Angaben zu Folge auf Betreiben der NSDAP. Er galt den Machthabern aber offenbar als zuverlässig genug, um einen Posten in der Heeresverwaltung in Berlin erhalten zu können.
Nach dem Ende des Krieges und der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft fand Eckert für kurze Zeit zur Handwerkskammer in Freiburg zurück und begab sich in die Kommunal- und Landespolitik. Obgleich er nicht zu den wirklich impulsgebenden politischen Köpfen seiner Zeit gezählt werden konnte, berief Staatspräsident Leo Wohleb ihn am 26. Januar 1948 zum Finanzminister. Am 6. März 1952 trat er von diesem Posten zurück, blieb aber als Ministerialdirektor an der Spitze dieser Behörde und war mit ihrer Abwicklung beauftragt. Anschließend arbeitete er zunächst im Regierungspräsidium Freiburg und wurde mit Wirkung vom 27. Oktober 1953 in den Wartestand versetzt. Wenig später wechselte er in das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg nach Stuttgart. Seinen Ruhestand verbrachte Eckert in Freiburg.
Als Politiker und Mitglied der südbadischen Landesregierung wirkte Eckert relativ blass; erst gegen Ende seiner Amtszeit ist er unfreiwillig öffentlichkeitswirksam in Erscheinung getreten. Die Umstände seines Rücktritts als Finanzminister sorgten für Aufsehen. Als offizielle Begründung gab Eckert am 6. März 1952 an, dass die Landesregierung eine Änderung des vom Finanzministerium vorgelegten Entwurfs des Nachtrags zum Staatshaushalt beschlossen und gegen seine Bedenken dem Landtag vorgelegt habe. Unmittelbar vorausgegangen waren diesem Schritt aber die Aufforderung des CDU-Landesvorsitzenden Anton Dichtel, vom Ministeramt wegen parteischädigenden Verhaltens zurückzutreten, womit Dichtel nur das wiederholte, was der Landesausschuss der südbadischen CDU schon im Dezember 1951 erstmals öffentlich gefordert hatte. Es gab seinerzeit auch Überlegungen der CDU-Landtagsfraktion, einen Misstrauensantrag gegen ihn einzubringen. Eckert hatte auf diese Missfallensbekundungen am 18. Februar 1952 mit seinem Austritt aus der badischen CDU und aus der CDU-Fraktion im Landtag reagiert.
Hintergrund dieser Querelen waren verschiedene Anschuldigungen gegen Eckert, deren Bekanntmachung in Zusammenhang mit der Südweststaatsfrage zu sehen ist. Im Februar 1952 wurden Vorwürfe publik, Eckert habe sich in seinem Spruchkammerverfahren fälschlich als NS-Opfer dargestellt, in Wirklichkeit aber 1933 die Aufnahme in die NSDAP beantragt; er habe also aufgrund falscher Angaben einen Antrag auf Wiedergutmachung von NS-Unrecht gestellt und sich die Wiedergutmachungsleistungen, u. a. die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, erschlichen. Außerdem war ein Rechtsgutachten beigebracht worden, nach welchem die Wiedergutmachungsentscheidung für Eckert aus formalen – Verstöße gegen die Verfahrensordnung, falsche Zusammensetzung der über den Antrag entscheidenden Kommission – wie aus materiell-inhaltlichen Gründen – die Wiedergutmachungspflicht hätte demnach nicht beim Land Baden, sondern bei der Handwerkskammer Freiburg gelegen – unrichtig war. Über Eckerts Verhalten während des „Dritten Reichs“ war damit aber nichts ausgesagt worden. Dennoch geriet Eckert in den Ruf, korrupt zu sein, zumal sein eigenes Ministerium die Wiedergutmachungsangelegenheiten im Land (Süd-)Baden federführend bearbeitete. Der Korruptionsvorwurf wurde noch durch die Anschuldigung unterstrichen, dass Eckert für den Bau seines Privathauses in Freiburg einen ungewöhnlich hohen staatlichen Wohnungsbauzuschuss erhalten habe. Diese Anschuldigungen mündeten in eine parlamentarische Anfrage der KP-Landesgruppe im Landtag und am Tag seines Rücktritts in eine Strafanzeige gegen ihn. Nachdem die südbadische Landesregierung im April 1952 in vertraulichen Beratungen die Möglichkeit eines Widerrufs des Eckert zugute gekommenen Wiedergutmachungsbescheids sowie dessen Versetzung in den Wartestand und der Einleitung eines Dienststrafverfahrens erörtert hatte, nahm im Juni 1952 die Staatsanwaltschaft Freiburg Ermittlungen auf. Diese wurden aber im November 1952 eingestellt, weil die Anschuldigungen sich als nicht begründet erwiesen. Im Oktober 1952 leitete Eckert seinerseits rechtliche Schritte ein, weil er Hinweise zu haben glaubte, Opfer eines Komplotts der Altbadener geworden zu sein. Auch in diesem Fall verlief das Ermittlungsverfahren im Sande und wurde 1957 eingestellt.
Die wahren Hintergründe der Affäre Eckert dürften sich kaum je aufklären lassen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine im Nachlass von Leo Wohleb überlieferte vertrauliche Vereinbarung vom 9. Januar 1952 zwischen Eckert, Wohleb und Dichtel, derzufolge sich Eckert verpflichtete, im Laufe des Monats Februar seinen Rücktritt zum 31. März 1952 zu erklären und sich im Gegenzug die Zusicherung einhandelte, die Landesregierung und die CDU würden alles unterlassen, was die weiteren beruflichen Absichten von Eckert schädigen könnte. Möglicherweise – diesen Eindruck erwecken zumindest die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten – waren die wenige Wochen später gegen Eckert vorgebrachten Vorwürfe das Werk eines einzelnen, subalternen Mitarbeiters des Freiburger Büros der Arbeitsgemeinschaft der Badener, der eigenmächtig handelte, dadurch einen eigendynamisch verlaufenden Prozess auslöste und so den in der Vereinbarung vom Januar 1952 geplanten „geordneten Rückzug“ unmöglich machte. Andererseits lässt die Vereinbarung vom Januar 1952 aber auch die Frage zu, ob es in der gegen Eckert gerichteten Kampagne nicht doch Mitwisser höheren Orts gegeben hat, da Eckerts Vertragspartner im Verlauf des Februar 1952 rasch von ihrem Teil der Verpflichtungen abrückten.
Quellen: (Auswahl) StAF D 180/2 Nr. 103917 (Spruchkammerakte), C 1/1 Nr. 34 u. 36 (Landtag), F 196/2 Nr. 4261 (Wiedergutmachung), T 1 Nachlass Leo Wohleb Nr. 52 u. 55 (Rücktritt), F 176/3 Nr. 311-312 (Ermittlungsakten d. Staatsanwaltschaft Freiburg); StA Chemnitz Bestand 31050 Auto Union AG Chemnitz; die zuletzt beim Finanzministerium B-W geführte Personalakte (außer d. Teilakte StAF F 30/1 Nr. 599) war dort sowie beim HStAS u. beim Staatsministerium nicht ermittelbar.
Werke: Der Familienlohn, Diss. jur. Freiburg, 1922; 1925-1930 Schriftleiter bzw. Herausgeber (mit Eigenbeiträgen) folgender Organe: Der dt. Zimmermeister – Dt. Zimmermeisterzeitung (Organ des Bundes dt. Zimmermeister), Holz-Her (Organ des Verbandes Bad.-Pfälzischer Zimmermeister), Dt. Zimmermeister-Kalender; Mitwirkung an: Das dt. Zimmerhandwerk. Ein Jubiläumsbuch 1903-1928, im Auftrag des Bundes deutscher Zimmermeister bearb. von Erwin Garland, 1928. – Beiträge 1925-1934 in: Das bad. Handwerk – Bad. Gewerbe- u. Handwerkerzeitung (Handwerkskammerbote), Freiburger Tagespost (Organ d. Zentrumspartei), Der Große Herder (u. a. Artikel „Handwerk“) u. a. Fachzeitschriften des Handwerks.
Nachweis: Bildnachweise: StAF T 1 Nachlass Leo Wohleb passim, v. a. Nr. 295, 381, 383, 485 u. W 134 Fotosammlung Willy Pragher Nr. 23065.
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