Kempf, Gustav 

Andere Namensformen:
  • Pseudonym: Wolfgang Goldin
Geburtsdatum/-ort: 08.01.1890;  Göggingen/Baden
Sterbedatum/-ort: 25.05.1972;  Göggingen/Baden
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher, Redakteur des St. Konradskalenders
Kurzbiografie: 1896-1900 Volksschule Göggingen
1900-1904 Bürgerschule Meßkirch
1904-1910 Gymnasium Konstanz bis Abitur; Zögling im Gymnasialkonvikt Konradihaus
1910-1914 Studium der katholischen Theologie in Freiburg und St. Peter/Schwarzwald; am 7.7.1914 Priesterweihe durch Erzbischof Thomas Nörber
1914-1923 verschiedene Seelsorgestellen
1923-1933 Religionslehrer in Ettlingen, 1923/26 Lehrerseminar, 1923/33 Realgymnasium (heute: Goethegymnasium), 12.9.1927 Ernennung zum Professor
1930-1937 Redakteur des St. Konradskalenders (Karlsruhe)
1933-1938 Religionslehrer am Schlossgymnasium (heute: Schönborngymnasium) in Bruchsal; 1937/38 Zeppelinschule (heute: Alexander-von-Humboldt-Gymnasium) in Konstanz
1938-1953 Religionslehrer am Grimmelshausen-Gymnasium Offenburg
1945-1958 nebenamtlicher, seit 1953 hauptamtlicher Leiter des Mädchengymnasiums Unsere Liebe Frau und Klosterpfarrer des gleichnamigen Frauenklosters in Offenburg
1958-1972 Ruhestand in Göttingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: 1945 22. Jun. Erzbischöflicher Geistlicher Rat
1964 19. Jul. Ehrenbürger von Göggingen; am 19.9. Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Valerian (1841-1918), Landwirt und 1893-1912 Bürgermeister
Mutter: Barbara (Babette), geb. Haberbosch (1848-1927)
Geschwister: Josef (1877-1952)
Hermann (1879-1970)
Emma (1885-1972)
Halbschwester Stefanie (1870-1948)
GND-ID: GND/101278701X

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 178-180

In Göggingen geboren wuchs Kempf auf dem Lochbauernhof auf, wo sein Geschlecht seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert ansässig ist. Zeitlebens bekannte er sich zu seiner bäuerlichen Herkunft, und es erfüllte ihn immer wieder mit Freude und Stolz, derselben Gegend zu entstammen, aus der auch Martin Heidegger und Conrad Gröber kamen. Seit seiner Gymnasialzeit brachte Kempf dem früheren Konstanzer Pfarrer und späteren Freiburger Erzbischof große Verehrung entgegen; und mit der Philosophie Heideggers hat er sich noch bis ins hohe Alter beschäftigt.
Seine schulische Ausbildung schloss Kempf in Konstanz mit dem Abitur ab, studierte dann Theologie und war nach der Priesterweihe Vikar, Präfekt am Konradihaus in Konstanz und 1918/19 krankheitsbedingt Hausgeistlicher im Schloss Möggingen bei Radolfzell sowie am Krankenhaus des Klosters Hegne. Danach in die Pfarrseelsorge zurückgekehrt, wirkte er seit 1923 nahezu ununterbrochen als hauptamtlicher Religionslehrer zunächst in Ettlingen, wo er 1927 zum Professor ernannt wurde. Seine Versetzung an das Schlossgymnasium in Bruchsal erfolgte im Jahre der NS-„Machtübernahme“.
Kempf war nicht nur theologisch, sondern auch literarisch und historisch umfassend gebildet und mit großen erzieherischen Fähigkeiten ausgestattet. Dank seines hervorragenden Urteilsvermögens und politischen Weitblicks zeigte er seit den Anfängen der NS-Herrschaft eine erstaunliche Treffsicherheit in der Einschätzung der neuen Ideologie; und in seinem wissenschaftlich fundierten, der Wahrheit und Wissensvermittlung verpflichteten Religionsunterricht „ereignete sich, ohne die Grenzen zum Politischen zu überschreiten, die große Korrektur alles dessen, was draußen verrückt, verschoben und verdorben wurde“ (Roegele). Diesem Ethos verschrieb er sich auch in der Gruppe Neudeutschland, deren geistlicher Leiter er in Bruchsal war. So konnte es nicht ausbleiben, dass Kempf ständig von der Partei überwacht wurde. Zweimal stand er wegen seines Engagements bei den Neudeutschen vor der Gestapo.
Da die Nationalsozialisten den Religionsunterricht an höheren Schulen zunehmend einschränkten, verblieb Kempf bald nur noch ein Bruchteil seines Lehrdeputats. Die Anstellung an der damaligen Zeppelinschule in Konstanz (1937) stieß wegen seiner „intellektuellen Gefährlichkeit“ auf den entschiedenen Widerstand der örtlichen Parteileitung. In einer Stellungnahme bezichtigte ihn der NS-Kreisleiter, „seine erzieherische Geschicklichkeit in vorsichtiger, schlauer Weise zu Gunsten der römisch-katholischen Weltanschauung auszunutzen“; daher sei Kempf, „der ein fanatischer Römling ist, politisch gesehen, in der Grenzstadt Konstanz nicht tragbar“. Seine Abordnung an eine Mannheimer Oberschule (April 1938) kam einer Strafversetzung gleich. Noch am Ende desselben Jahres wurde er dem humanistischen Gymnasium in Offenburg zugewiesen. Seit Kriegsende war Kempf zugleich Religionslehrer und Leiter an der seit November 1945 wiedereröffneten Klosterschule Unsere Liebe Frau; nachdrücklich betrieb er den Ausbau des Mädchengymnasiums zur Vollanstalt.
Indessen war Kempf nicht nur auf dem katechetisch-pädagogischen Gebiet tätig. Von 1930 bis 1937 als Nachfolger von Paul Körber Redakteur des St. Konradskalenders stellte sich Kempf mit seinen geistlichen Geleitworten, populärwissenschaftlichen Geschichtsbetrachtungen und Kalendererzählungen, die vor allem in den ländlichen-bäuerlichen Leserkreisen großen Zuspruch fanden, nachdrücklich in den Dienst der Volksbildung. Dort hat er auch mehrere seiner durchaus qualitätsvollen, in spätromantischer Manier verfassten Gedichte veröffentlicht. Einige seiner Beiträge sind unter dem Pseudonym Wolfgang Goldin erschienen.
Seinen Ruhestand verbrachte Kempf im heimatlichen Göggingen, wo er sich weiterhin seelsorgerisch betätigte, im benachbarten Klosterwald Religionsunterricht erteilte und in der kirchlichen Erwachsenenbildung mitarbeitete. Die Renovation der Gögginger Dorfkirche 1958 bis 1964 hat Kempf nicht nur mit seinem Kunstverständnis begleitet, sondern bei deren Innenausstattung sich auch als großzügiger Stifter erwiesen. Viel Mühe verwandte er auf das umfangreiche „Dorfbuch Göggingen“, das dank jahrelangen sorgfältigen Quellenstudiums in zahlreichen Archiven einen breiten Einblick in den geschichtlichen Werdegang seiner Heimatgemeinde zu geben vermag.
Wegen seiner Verdienste um die kulturelle Förderung seines Heimatdorfes wurde Kempf 1964 zum Ehrenbürger von Göggingen ernannt, und im selben Jahr erhielt er an der Stätte seines langjährigen Wirkens in Offenburg das Bundesverdienstkreuz in Anerkennung seines persönlichen Einsatzes für die Neugründung der Klosterschule nach dem Ende der NS-Diktatur.
Quellen: EAF u. StAF, Personalakten; GemeindeA Krauchenwies-Göggingen; Unterlagen im Familienbesitz Kempf, Göggingen; Mitteilungen von Frau M. Kraume-Breithaupt, Merzhausen.
Werke: Beiträge in: St. Konradskalender, Jgg, 13, 1930 bis 20, 1937; Das Gögginger Dorfbuch, 1969.
Nachweis: Bildnachweise: Gögginger Dorfbuch, 1969, Bildteil 14; Heuchemer, 1990, 35 (vgl. Werke u. Lit.).

Literatur: H. W. Maier, Priester, Wissenschaftler u. Heimatforscher. Geistl. Rat Prof. G. Kempf 50 Jahre Priester, in: Hohenzollersche Rundschau vom 18. 7. 1964; Prof. G. Kempf erhielt das Bundesverdienstkreuz, in: Südkurier, Nr. 259 vom 7. 11. 1964, 14; O. B. Roegele, G. Kempf Nachruf, in: Konradsblatt, 57 Jg., Nr. 6 vom 11. 2. 1973, 29; E. Keller, G. Kempf, in: FDA NF 97, 1977, 446 f.; O. B. Roegele, Schüler im „Dritten Reich“, in: Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre. Bad. Politik nach 1945, hg. von P.-L. Weinacht, 1988, 30; A. Heuchemer, Zeit d. Drangsal. Die kath. Pfarreien Bruchsals im Dritten Reich, 1990, 44 f. et passim; O. B. Roegele, Gestapo gegen Schüler. Die Gruppe „Christopher“ in Bruchsal, 2000 2. Aufl., 19-22.
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