Knapp, Theodor Karl Bernhard 

Geburtsdatum/-ort: 24.07.1854;  Neckartailfingen
Sterbedatum/-ort: 18.09.1941;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Rechts- und Wirtschaftshistoriker
Kurzbiografie: Lateinschule Göppingen; evangelisch-theologisches Seminar in Schöntal
1872-1876 Eintritt ins Tübinger Stift, Studium der Philosophie, Theologie und der orientalischen Sprachen (u. a. Sanskrit) in Tübingen
1876-1877 Studium der Altphilologie und Geschichte in Berlin (Treitschke, Droysen, Nitzsch)
1877 Eintritt in den höheren Schuldienst
1878 Präzeptoratsprüfung (Befähigung für Mittelklassen)
1879 Präzeptor an der Lateinschule in Leutkirch
1882 Lehrer am Lyzeum in Esslingen
1884 Professoratsprüfung (Befähigung für Oberklassen)
1885 Prof. am Karlsgymnasium in Heilbronn
1899 Prof. am Gymnasium in Tübingen
1902/1822 Rektor des Gymnasiums in Tübingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Dr. phil. h. c. Universität Tübingen (1901); Mitglied der Kommission für württembergische Landesgeschichte (1903); Friedrichsorden, Ritter, 1. Klasse (1905); Dr. iur. h. c. Universität Tübingen (1920)
Verheiratet: 1. 4.5.1880 Stephanie, geb. Wenz, Tochter des Pfarrers Christian Wenz in Gönningen und der Bertha, geb. Mann
2. 22.2.1916 Helene, geb. Wenz, Schwester der 1. Ehegattin
Eltern: Vater: Eduard Knapp (1802-1878), Pfarrer, zuletzt seit 1866 in Groß-Süßen
Mutter: Luise, geb. Geiger
Kinder: Bernhard (1881-1918), gefallen als Stabsarzt in Frankreich
GND-ID: GND/116255412

Biografie: Karl Heinz Burmeister (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 141-143

Theodor Knapp, aus einer von ihm bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgten württembergischen Beamtenfamilie stammend, war der Sohn eines kinderreichen Landpfarrers, im Dorf verwurzelt und mit dem bäuerlichen Leben vertraut. Sein Berufsweg verlief nicht gradlinig, vielmehr führte er ihn nach anfänglichem Theologiestudium, bei dem ihm vor allem die Kirchengeschichte zusagte, zur klassischen Philologie und Geschichte und dann über die Schule und rege Teilnahme am öffentlichen Leben hin zu einem in der Fachwelt voll anerkannten führenden Rechts- und Wirtschaftshistoriker. Sein mehr als hundert Bücher, Aufsätze und Besprechungen umfassendes Lebenswerk, zahlreiche Zeitungsartikel nicht mitgezählt, lässt die Stufen dieses Werdegangs deutlich erkennen. Während der gewöhnliche Ausbildungsgang des Historikers über eine Dissertation in die wissenschaftliche Tätigkeit einführt, fehlte dem nicht promovierten Historiker Knapp diese Basis, wenn auch vielleicht seine Erstlingsschrift über „Zwei ungedruckte Briefe Melanchthons“ 1889 seinen Scharfsinn und seine Methode erkennen ließ und damit, wenn auch nicht vom Umfang her, einer Doktorarbeit nahe kommen mochte. Die Arbeiten Knapps, meist im Korrespondenzblatt für die Gelehrten- und Realschulen Württembergs erschienen, blieben in den folgenden Jahren weitgehend unterrichtsbezogen. Noch um die Jahrhundertwende begegnet uns Knapp mit solchen pädagogischen Beiträgen, als Berichterstatter über Jubiläen von Bildungsanstalten, beispielsweise der Einweihungsfeierlichkeiten des Gymnasiums in Tübingen 1901, oder mit einem Nachruf auf seinen 1901 verstorbenen Amtsvorgänger Dr. Oskar Treuber 1901.
Auch wenn Knapp bereits seit 1894 auf dem Weg war, sich zunehmend der Rechtsgeschichte zu widmen, blieb er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1922 in erster Linie Lehrer und Schulleiter, Berichterstatter der Prüfungskommission, Vorsitzender der Kommission für die Herausgabe eines neuen Lesebuchs für die höheren Schulen, reges Ausschussmitglied des Philologenvereins, gefragter Redner bei Schulfeiern. Gelegentlich nahm er auch in der Tagespresse zu aktuellen Fragen Stellung (Wahl des Reichspräsidenten, Reichsverfassung, Völkerbund). Für die „Tübinger Chronik“ verfasste er die politische Jahresrückschau.
Schon 1894 war Knapp mit seinem Beitrag zur Rechtsgeschichte des deutschen Bauernstandes „Über die vier Dörfer der Reichsstadt Heilbronn“ der für sein Lebenswerk entscheidende Durchbruch gelungen. Knapp verlor danach dieses Thema nicht mehr aus den Augen; er lieferte grundlegende Arbeiten über die Leibeigenschaft, die Bauernbefreiung, die Grundherrschaft, die Rechtsgeschichte der Bauern, 1902 zusammengefasst in den umgearbeiteten, erweiterten und mit neuen Belegen versehenen „Gesammelten Beiträgen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes“. Knapp hatte sich damit eine solide Basis erarbeitet, auf der er seine künftigen Forschungen aufbauen konnte. Das war nun tatsächlich schon mehr als eine Dissertation. Und die Philosophische Fakultät der Universität Tübingen reagierte auch entsprechend, indem sie Weihnachten 1901, noch vor Erscheinen der Sammlung, Knapp das Ehrendoktorat verlieh, weil er „durch Untersuchungen von mustergültiger Feinsinnigkeit und Sorgfalt die gesamte Geschichte der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Bauern wesentlich gefördert“ hat. Wie sehr die Fakultät Recht behielt, mag man der Tatsache entnehmen, dass von dieser Sammlung 1964 ein Nachdruck aufgelegt wurde, ebenso wie von den zwei Jahrzehnte später erschienenen „Neuen Beiträgen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes“ von 1919. Noch einmal reagierte die Universität Tübingen, indem deren Juristische Fakultät Weihnachten 1920 Knapp das Ehrendoktorat verlieh im Hinblick darauf, dass er „durch umfassende ausgezeichnete Arbeiten über die Geschichte des württembergischen Bauernstandes sich um die rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Forschung dauernde wissenschaftliche Verdienste erworben hat“.
Knapp widmete sich auch zahlreichen anderen Bereichen der Geschichte, namentlich der Verfassungsgeschichte, der Kirchengeschichte, der Universitäts- und Bildungsgeschichte, blieb aber insgesamt der Rechtsgeschichte treu. Bleibende Verdienste um die Wissenschaft erwarb sich Knapp 1931 mit der Bearbeitung des Abschnitts Rechts-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte in der neunten Auflage der Quellenkunde der deutschen Geschichte von Dahlmann-Waitz.
Große Bedeutung erlangte Knapp auch als Rezensent. Etwa ein Viertel der in seiner Bibliographie ausgewiesenen Titel sind Buchbesprechungen, die meist in der Historischen Zeitschrift (1899/38) oder in der Historischen Vierteljahrsschrift (1901/31), später in der Germanistischen Abteilung der Zeitschrift für Rechtsgeschichte (1927/39) erschienen sind. Knapp erweist sich dabei häufig als scharfer, aber auch als weiterführender Kritiker. Auch hier beobachten wir, dass er nach anfänglicher Abstinenz zunächst zögernd in die Rezensionstätigkeit einsteigt, später aber nahezu alle Größen der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte bespricht: A. Dopsch, K. O. Müller, G. Franz, K. S. Bader, O. Stolz, W. Andreas, M. Spindler u. a. Gerade diese Tätigkeit vollendete als eine Form lebenslänglichen Lernens sein Fachwissen, das ihm auch als Rechtshistoriker ohne juristisches Studium die volle Anerkennung in Fachkreisen sicherte.
Knapp ist in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen als der Geschichtsschreiber des württembergischen und des deutschen Bauernstandes. Er zeichnete sich durch eine vielseitige Begabung und eine enorme Arbeitskraft aus. Er war ständig darum bemüht, seine eigenen Forschungsergebnisse zu hinterfragen, zu ergänzen, zu erweitern und zu überarbeiten. In einem Nachruf auf seinen Schwager Christian Kolb, einen Geschichtsforscher mit ähnlichem Werdegang, rühmt er dessen unermüdliche Arbeitskraft, sein erstaunlich treues Gedächtnis, schnelles, scharfes und sicheres Urteil, tiefgründige Gelehrsamkeit, vorbildliche Pflichttreue und strenge Geisteszucht. Dieser Nachruf trifft vollumfänglich auf Knapp selbst zu; zumindest lässt er eben jene Werte erkennen, die er bei einem Wissenschaftler und damit auch bei sich selbst gesucht hat.
Knapp hatte über Jahrzehnte seinen festen Platz in der Universitätsbibliothek Tübingen; noch in seinen letzten Lebensjahren sah man ihn beinahe täglich im schlichten Lodenmantel und breiten Gelehrtenhut dorthin gehen.
Knapp musste in seinem persönlichen Leben manchen Schicksalsschlag hinnehmen. Er verlor kurz nach einander seine erste und seine zweite Frau, sein einziger Sohn fiel im Ersten Weltkrieg, nach dem Tod seiner Schwiegertochter musste er für die beiden Enkel sorgen. Er selbst erkrankte schwer und erholte sich nur langsam. Umso mehr bleibt das von ihm hinterlassene Lebenswerk zu bewundern, das A. Diehl 1940 in der Knapp zu seinem 85. Geburtstag gewidmeten Festschrift „Grenzrecht und Grenzzeichen“ gewürdigt hat.
Werke: Zwei ungedruckte Briefe Melanchthons, 1889; Über die vier Dörfer der Reichsstadt Heilbronn, 1894; Rektor Dr. Oskar Treuber, gest. 14. 3. 1901, in: Gymnasial-Programm Tübingen 1902, 3-5; Beschreibung des Neubaus des Gymnasiums und der Einweihungsfeierlichkeiten vom 16. 9. 1901, in: Gymnasial-Programm Tübingen 1902, 1-18; Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes, 1902, ND 1964; Der Bauer im heutigen Württemberg, 1902, 1919; Abriss der Geschichte der Bauernentlastung in Württemberg, 1908; [Nachruf auf] Prof. a. D. Dr. Paul Knapp, gest. 8. 9. 1908, in: Gymnasial-Programm Tübingen 1909, 7-9; Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württ. Bauernstandes, 2 Bde, 1919, ND 1964; [Nachruf auf]Christian Kolb, Württ. Nekrolog 1918/19, 1922, 100-103; Die Feier des 450jährigen Bestehens der Eberhard-Karls-Univ. Tübingen vom 24. bis 26. Juli 1927, 1928; Gedankenlosigkeiten und Nachlässigkeiten im schriftlichen Sprachgebrauch, in: FG für Karl Bohnenberger. Zum 75. Geburtstag am 26. August 1938 dargebracht, 1938, 351-360; Zur Geschichte der akademischen Würden vornehmlich an der Univ. Tübingen, in: ZWLG 2 (1938), 48-116; Über Marksteine und andere Grenzbezeichnungen vornehmlich im südwestlichen Deutschland, in: Grenzrecht und Grenzzeichen, 1940, 1-45. Weiteres im Verzeichnis der Schriften von T. Knapp, vgl. A. Diehl (vgl. Lit.).
Nachweis: Bildnachweise: Porträt in: Grenzrecht und Grenzzeichen (vgl. Lit.).

Literatur: H. A. L. Degener, Wer ist's? 8. Ausg. 1922, 808 f.; Tübinger Blätter 25 (1934), 55; A. Diehl, T. Knapps wiss. Werk (mit Bibliographie), in: Grenzrecht und Grenzzeichen, hg. von K. S. Bader, 1940, IX-XXVII; K. S. Bader, in: ZWLG 5 (1941), 454-456; R. Kötzschke, in: HZ 166 (1942), 215-217; Martin Leube, Das Tübinger Stift, 1954, 712.
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