Koch, Luise Elisabeth Berta 

Andere Namensformen:
  • Dichtername: Maidy Koch
Geburtsdatum/-ort: 12.06.1875;  Freiburg im Br.
Sterbedatum/-ort: 25.05.1966;  Rottweil; beigesetzt im Bergäckerfriedhof in Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Lyrikerin und Dramatikerin
Kurzbiografie: 1881/82 ff. Schulbesuch Freiburg
1899-1951 schriftstellerische Tätigkeit in Freiburg
1904 wohnhaft in Riegel am Kaiserstuhl, ab 1913 wieder in Freiburg
1946-1966 Aufenthalt in der Klinik für Psychatrie Rottweil-Rottenmünster
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., später ev.
Verheiratet: 1904 (Freiburg) Robert Meyer (1878-1967), Dr. phil., Brauereibesitzer
Eltern: Vater: Synesius (1842-1904), Gymnasialprofessor
Mutter: Bertha, geb. Schultz (1854-1929)
Geschwister: Werner
Kinder: 2:
Herbert (1905-1968)
Roland (1910-1941)
GND-ID: GND/116273097

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 184-186

Über Kochs Kindheits- und Jugendjahre ist nur wenig bekannt. Dabei darf angenommen werden, dass ihr als Tochter eines Gymnasiallehrers eine angemessene und standesgemäße schulische Ausbildung, unabhängig von einem angestrebten Berufsziel, zuteil wurde. Bereits mit 24 Jahren schrieb sie eine Dichtung „Gerlind“ (1899). Wenig später erschien der Gedichtband „Dämmerung“ (1900), der als ihr eigentliches Erstlingswerk von Bedeutung angesehen werden kann. In 74 Gedichten gewährt Koch einen Einblick in eine leidenschaftliche und schwermütige, ganz von Hoffnungslosigkeit erfüllte Seele. Wie ein Reif legt sich die raue Wirklichkeit auf die zarten Blütentriebe einer jungen Liebe. Alle durch die Natur und die Landschaft im Ablauf der verschiedenen Tages- und Jahreszeiten ausgelösten Stimmungen mit ihren Farben und Düften, mit ihrem Erblühen und Vergehen werden von der Dichterin einbezogen, um ihrem untilgbaren Seelenschmerz Ausdruck zu verleihen. Auch in den folgenden Jahren schrieb sie weitere separat erschienene Gedichte elegischen Inhalts.
Nahezu zeitgleich mit ihrem Lyrikband veröffentlichte Koch ihre beiden ersten Dramen: „Magdalene von Sydow“ (1900) spielt unter Kurfürst Joachim II. (1535-1571) im Brandenburg des Jahres 1570. Wenn auch mit einem örtlichen und zeitlichen Fixpunkt ausgestattet, geht es in diesem Schauspiel mehr um die Verarbeitung seelischer als historischer Vorgänge. Es ist eine Tragödie des zerbrochenen Mädchenstolzes. Doch Magdalene ist nicht die Heldin, „die alles Menschliche in sich ertötet, um den beleidigten Stolz der Jungfrauenehre zu sühnen“ (Hesselbacher). Vielmehr verharrt sie in gänzlicher Passivität; sie ist die „Müde, die schlafen gehen will“. Danach „Der Totentanz“ (1901). Ort der Handlung ist Freiburg. Nach einem Gemälde von Hans Baldung Grien benannt vollzieht sich hier das Seelendrama des Humanisten Philipp Engelbrecht („Engentinus“), der während der Reformationszeit in Freiburg lehrte. Zunächst mutiger Verfechter und Vorkämpfer für die neue Lehre gibt er im Angesicht der habsburgischen Reaktion seinen Widerstand auf und zieht dem offenen und freien Bekenntnis ein geruhsames Leben in der Idylle seines Gelehrtenhäuschens vor, und er ist sogar bereit, eine Protesterklärung der Universität gegen seinen alten Freund Zwingli zu unterschreiben. Doch im Angesicht seines baldigen Todes, den ihm sein Straßburger Arzt verkündet, vollzieht sich in seinem Innern ein radikaler Wandel. Schlagartig erkennt er den wahren Sinn des Lebens in der Aufopferung des Irdischen für die erkannte Wahrheit.
Aus ihrer Bewunderung für Arnold Böcklin (1827-1901) verfasste Koch zwölf Gedichte zu Bildern des Schweizer Malers. Anlässlich seines ersten Todestages führte die Fotografische Union München in einer Gedenkfeier mit Lichtbildern 1902 eine Reihe der bekanntesten Gemälde in Freiburg vor. Neben gesprochenen Gedichten auf Böcklin von Otto E. Hartleben, Hugo von Hofmannsthal und Gottfried Keller fanden vor allem diejenigen von Koch Beachtung. Dann folgten in den Jahren 1903 und 1910 die beiden Dichtungen „Jos Fritz“ und „König Enzios Tod“. Es sind zwei Libretti, für die der damals in Freiburg wirkende Komponist Alexander Adam (1853-1917) die Vertonung besorgt hat und die in Freiburg zur Aufführung kamen. „Jos Fritz“ (1903) spielt zur Zeit des Bauernkrieges. Der Titelheld ist aber nicht, wie erwartet, der Kämpfer, sondern ein in die Defensive gedrängter Flüchtling in denkbar aussichtsloser Lage: „Ich komme aus dem Leben und geh in den Tod“. „König Enzios Tod“ (1910) kreist um eine Episode aus der Zeit des Niedergangs der Staufermacht. Dem natürlichen Sohn Kaiser Friedrichs II. und Gefangenen der Bologneser wird die nach einem gescheiterten Fluchtversuch verschärfte Haft durch die Liebe einer Frau („Ghita“) versüßt, die ihm als Mann verkleidet („Lorenzo“) in die Nacht des Kerkers gefolgt ist.
In der Art eines Zyklus reihen sich die neun Einakter „Vergangenheit – Bilder aus der Geschichte des Oberrheins“ aneinander, die Koch 1921/22 in jeweils drei Folgen veröffentlicht hat. Zunächst „Der letzte Zähringer“, eine Episode um Herzog Bertold V. und seine herz- und treulose Gattin. Im Wechselspiel dringlicher Staatsgeschäfte und zärtlicher Liebesbekundungen setzt die Autorin in „Kaiser Maximilian“ den Tag der kaiserlichen Abreise aus Freiburg (1499) in Szene. Die Freude über den 1797 in Campo Formio wiedererlangten Frieden wird in „Der Spion“ von einer tödlich verlaufenden politischen Auseinandersetzung überschattet, durch die der Titelheld das eigene Lebensglück und das seiner Braut zerstört. Für die zweite Folge befindet sich der Schauplatz, wie der Gesamttitel verrät, „Im Schatten des Münsterturms“: „Die Kreuzblume“, „Regula“ und „Die Meister des Taufsteins“. Doch der Handlungsablauf wird maßgeblich durch das Zusammenspiel zwischenmenschlicher Empfindungen: Liebe und Zuneigung, Hass und Eifersucht, Missgunst und Neid vorgegeben. Die dritte Folge „Menschenwahn“ enthält die Einakter „Judenbrand“ und „Hexenwahn“, die sowohl wegen ihrer Titel als auch ihrer Inhalte erschrecken. Zusammen mit dem Stück „Revolution“, das ein Bild aus dem Jahre 1848 zeichnet, begreift Koch die hier begangenen Unmenschlichkeiten als schlimme Verirrungen, die stets im Aberglauben wurzeln oder im Namen der Religion oder einer falsch verstandenen Freiheit geschehen. Nicht diejenigen sind die Helden, welche die schrecklichen Gräueltaten begehen, sondern die wenigen Besonnenen, die sich voller Abscheu vom Unrecht abwenden und zu Toleranz und christlichem Erbarmen aufrufen.
Kochs Gesamtwerk trägt unverkennbare Züge der Schwermut und Trauer. Fast leitmotivartig wird es vom Liebesleid durchzogen, das in Eifersucht, verschmähter Liebe, Untreue und Tod seine Ursache hat. Für diese vorherrschende Thematik kann eine Erklärung, wenn auch mit gewissen Vorbehalten, am ehesten in ihrer Biographie gefunden werden. Bezieht man dabei auch die Frage nach dem unvermittelten Abbruch ihrer literarischen Tätigkeit am Beginn der 1920er Jahre ein, so fällt dieser zeitgleich mit Kochs Ehekrise zusammen, die in einer dauerhaften Trennung der Ehegatten endete. Hier muss auch an ihr bereits 1912 erschienenes Drama „Das Evangelium Lukä“ erinnert werden, in dessen Mittelpunkt eine an der Brutalität des Mannes zerbrochene Ehe steht. Ebenso können die in einigen ihrer Dramen reflektierten Gewissens- und religiösen Streitfragen, aber auch ihre wiederholten Appelle zu religiöser Verständigung und Versöhnung angesichts der damals nicht gerade alltäglichen konfessionellen Verhältnisse in ihrer Familie eine plausible Erklärung finden. Tatsache ist, dass ihr katholischer Vater nach dem I. Vatikanum zum Alt-Katholizismus übertrat. Hingegen war ihre aus Bern gebürtige Mutter reformiert. Koch, selbst katholisch und mit einem Katholiken verheiratet, hat sich jedoch später dem Protestantismus zugewandt. Bekannt ist nicht, inwieweit Kochs psychisches Leiden ursächlich für die Ehekrise war oder ihre Krankheit durch diese ausgelöst wurde. Zusätzlich dürfte auch der Soldatentod ihres jüngeren Sohnes in Russland (1941) ihr seelisches Leid vermehrt haben. Seit 1946 war Koch in der Klinik für Psychiatrie in Rottenmünster. Dort schrieb sie noch das Spiel „Der verrostete Ritter“ (1951). Ihr früher Rückzug ins Privatleben und ihr hohes Alter haben bewirkt, dass die Öffentlichkeit von ihrem Tod kaum Kenntnis nahm. Auszeichnungen und Ehrungen sind ihr keine zuteil geworden.
Quellen: GLA Karlsruhe Versorgungsakte d. Mutter; EAF; BLB Karlsruhe; Mitteilungen von Dietmar Meyer, Titisee-Neustadt, vom Juli 2004, Vinzenz v. Paul Hospital, Rottenmünster, vom Dezember 2004, u. d. Gemeindeverwaltung Riegel vom Oktober 2005.
Werke: Bibliographien in: Dt. Lit. Lexikon, begr. v. W. Kosch Bd. 2, ²1953, 1724 (unter: Meyer, Maidy) u. Bd. 9, ³1984, Sp. 19; Gesamtverz. des deutschsprach. Schrifttums (GV) 1700-1910, Bd. 77, 1983, 274 u. 1911-1965, Bd. 70, 1980, 334. – Einzeltitel: Gerlind, 1899; Dämmerung, 1900; Magdalene von Sydow, 1900; Ein Totentanz, 1901; Arnold Böcklin. Zwölf Gedichte. Gesprochen bei d. Böcklin-Gedächtnis-Feier zu Freiburg im Br. Januar 1902, 1902; Jos Fritz. (Aus den Bauernkriegen.) Dichtung für Solostimmen, Chor u. Orchester, komp. v. Alex. Adam (Textbuch), 1903; König Enzios Tod, 1910; Das Evangelium Lukä, 1912; Vergangenheit. Bilder aus d. Gesch. des Oberrheins. Je drei Einakter in drei Folgen, 1921/22; Prolog [zum] 60. Stiftungsfest des Breisgau-Vereins Schau-ins-Land u. zum 80. Geburtstag seines Gründers Prof. Dr. Fritz Geiges, in: Schau-ins-Land 1934, 1-3; Der verrostete Ritter. Ein Spiel in einem Vorspiel u. drei Bildern frei nach dem gleichnamigen Märchen von Volkmann-Leander, 1951.
Nachweis: Bildnachweise: K. Hesselbacher, 1910, neben 240 u. E. Spaude, 1988 (vgl. Lit.).

Literatur: K. Hesselbacher, Silhouetten neuerer bad. Dichter, 1910, 46-49 u. 417; E. Oeftering, Gesch. d. Lit. in Baden, 3. T., in: Heimatbll. vom Bodensee zum Main (= BH) Nr. 47, 1939, 77 f.; E. Spaude, M. Koch, in: BZ Nr. 177 vom 3.8.1988, 19.
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