Eisele, Hermann Friedrich Fridolin 

Geburtsdatum/-ort: 02.05.1837;  Sigmaringen
Sterbedatum/-ort: 05.02.1920;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Rechtshistoriker
Kurzbiografie: 1854 Abitur Hechingen
1854-1857 Theologiestudium in Tübingen
1857-1860 Rechtsstudium in Berlin
1858-1859 Einjährig Freiwilliger
1865 Gerichtsassessor in Berlin
1866 Promotion
1868 Kreisrichter in Hechingen
1872 ordentlicher Prof. Basel
1874 ordentlicher Prof. Freiburg i. Br.
1909 Geheimrat
1911 Zurruhesetzung
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 8.3.1869 Elise, geb. Linnicke
Eltern: Vater: Gabriel Eisele, Hof- und Landestierarzt
Mutter: Walburg, geb. Raible
Geschwister: 4 Schwestern
Kinder: 1 Sohn
GND-ID: GND/116426217

Biografie: Elmar Bund (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 74-76

Eisele wuchs in Hohenzollern als Sohn eines Landestierarztes für die Hohenzollernschen Lande auf. Der Vater hatte sich durch veterinärärztliche Schriften und seine praktische Tätigkeit um die hohenzollernsche Landwirtschaft verdient gemacht. Fridolin, der älteste von fünf Geschwistern, war ein guter Schüler. Das damals acht Klassen umfassende Gymnasium zu Hechingen absolvierte er in sieben Jahren.
Im Herbst 1854 begann er in Tübingen katholische Theologie zu studieren. Daneben betrieb er das Studium verschiedener orientalischer Sprachen, nicht nur des Hebräischen, das ohnehin zum Theologiestudium gehörte. Nach reiflicher Überlegung brach Eisele das theologische Studium ab und ging 1857 nach Berlin, um Rechtswissenschaft zu studieren. Dieses Studium war weder systematisch angelegt noch stand es unter didaktisch erfolgversprechenden Voraussetzungen. Wichtige Vorlesungen hörte Eisele in den mittleren Semestern nicht, weil er sein Freiwilligenjahr abdiente und nur nachmittags dienstfrei hatte. Im vierten Semester war Eisele als Reserveunteroffizier eingezogen, im fünften und letzten bereitete er sich auf das Auscultatorexamen vor. Nach den in Berlin abgelegten juristischen Staatsprüfungen und der dort absolvierten Promotion („De condicione quae suspendit negotium impleta non retrahenda“) schwankte Eisele zwischen einer wissenschaftlichen und einer praktischen juristischen Karriere. Sein Vater war 1859 gestorben, so daß ihm die Notwendigkeit, einen Brotberuf zu ergreifen, vor Augen stand. Dennoch nahm er, seit 1865 Gerichtsassessor in Berlin, ein Jahr Urlaub, um sich mit dem Ziel einer Habilitation in Tübingen zivilprozessualen Studien zu widmen. Eine Vakanz beim Kreisgericht Hechingen bewog ihn aber, sich dort als Assessor und seit 1868 als Kreisrichter anstellen zu lassen. Die Tätigkeit an diesem nicht durch hohen Geschäftsanfall ausgezeichneten Gericht ließ ihm Zeit, eine Monographie über „Die materielle Grundlage der Exceptio“ zu schreiben. Sie erschien 1871, wurde sehr lobend rezensiert und brachte dem Verfasser 1872 einen Ruf an die Universität Basel ein. Eisele lehrte dort bis 1874. Dann folgte er einem Ruf nach Freiburg i. Br. Hier entstanden die Arbeiten, die Eisele einen hervorragenden Platz in der Geschichte der modernen Wissenschaft vom römischen Recht sichern. Ihre jahrhundertealte Aufgabe, das jeweils geltende Recht mitzugestalten, ging in den Jahren, da das BGB vorbereitet wurde, einem absehbaren Ende entgegen. Umso mehr wandte man sich einem zweiten, nie ganz vergessenen, aber doch sehr in den Hintergrund getretenen Ziel, der Erforschung des historischen Rechts der Römer, zu. Schon in Eiseles 1876 erschienener Abhandlung „Die Kompensation nach römischem und gemeinem Recht“ werden, wie der Titel andeutet, historische Rechtsschichten getrennt. Das Mittel dazu ist eine entschiedener als damals üblich vorgetragene Textkritik, die hinter dem justinianischen Text die klassische Vorlage zu ermitteln sucht. In den folgenden Jahren entwickelte Eisele eine Methode, die Digesten und den Codex systematisch auf justinianische Interpolation abzusuchen. Er erforschte den Sprachgebrauch der Kompilatoren anhand der justinianischen Konstitutionen und konnte so in der Überlieferung der klassischen Juristenschriften nicht nur Stilbrüche, sondern auch deren Herkunft ermitteln. Diese Methode und zahlreiche mit ihrer Hilfe erzielte, noch heute gültige Ergebnisse beschrieb er in der 1882 vollendeten Abhandlung „Diagnostik der Interpolationen in den Digesten und im Codex“. Veröffentlicht wurde sie erst 1886. Sie hat zusammen mit Lenels „Edictum perpetuum“ (1883) und Gradenwitz' „Interpolationen in den Pandekten“ (1887) die Fundamente der modernen Interpolationenforschung gelegt. In weiteren Abhandlungen, die in den späten 80er und den frühen 90er Jahren erschienen, vermehrte Eisele die Interpolationskriterien und wies weitere Textänderungen nach. Damit schuf er eine Basis solider Textkritik, von der aus unzählige Probleme der rechtshistorischen Sachforschung erfolgreich in Angriff genommen werden konnten. Eisele selbst tat dies in zwei großen Abhandlungen auf dem noch heute problematischen Gebiet der Klagenkonkurrenz (Correalität und Solidarität, AcP 77 [1891]374 ff. und zur Lehre von der Klagenkonkurrenz, AcP 79 [1892] 327 ff.) und in zahlreichen kleineren Beiträgen.
In der akademischen Selbstverwaltung wirkte Eisele mehr als üblich zum Wohle der Gesamtuniversität. Er gehörte mehrmals dem Senat an, war 1885 Prorektor. Von 1889 bis zu seiner Zurruhesetzung arbeitete er in der Wirtschaftsdeputation mit, die in etwa die Aufgaben des heutigen Verwaltungsrats wahrzunehmen hatte. Die Studienstiftung der Universität Freiburg leitete er seit 1896.
Eisele blieb auch nach seinem 1911 erfolgten Eintritt in den Ruhestand noch wissenschaftlich tätig. Die von ihm mitbegründete Interpolationenforschung hatte das Maximum ihrer Breitenwirkung noch nicht erreicht, als er starb.
Werke: Eine vollständige Bibliographie veröffentlichte nach von Eisele selbst gemachten Aufzeichnungen Otto Lenel in: ZSG rom. Abt. 41, 1920, XII ff. als Anhang seines Nachrufs auf Eisele (S. V ff.).
Nachweis: Bildnachweise: Portrait von G. Bregenzer im Institut für Rechtsgeschichte u. geschichtl. Rechtsvergleichung d. Univ. Freiburg i. Br.

Literatur: O. Lenel (vgl. Werke) und J. G. Wolf, H. F. F. Eisele, in: NDB 4, 1959, 409.
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