Rörig, Fritz 

Geburtsdatum/-ort: 02.10.1882;  St. Blasien/Schwarzwald
Sterbedatum/-ort: 29.04.1952; Lübeck
Beruf/Funktion:
  • Historiker
Kurzbiografie: 1901 Abitur in Barmen
1901-1905 Universitätsstudium in Tübingen und Leipzig
1905 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Leipzig
1906 Bibliothekar am Historischen Institut der Universität Leipzig
1908-1910 Archivassistent am Kaiserlichen Bezirksarchiv Metz
1910-1911 Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen
1911-1917 Archivar am Staatsarchiv Lübeck
1917 Beirat am Kaiserlichen Gouvernement Riga
1918 planmäßiger außerordentlicher Professor für geschichtliche Hilfswissenschaften an der Universität Leipzig
1923 Ordinarius für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Kiel
1933 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Göttingen
1935-1950 Ordinarius für mittelalterliche Geschichte an der Friedrich-Wilhelm-Universität/Humboldt-Universität in Berlin (insbesondere Verfassungs-, Wirtschafts-, Stadt- und Hansegeschichte)
1942 Ordentliches Mitglied der Preußischen/Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin
1947 Leiter der Berliner Dienststelle der Monumenta Germaniae Historica
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1912 Else, geb. Diepolt
2. 1923 Luise Rörig
Eltern: Vater: Anton Joseph Rörig (1878-1883), Apotheken-Besitzer in St. Blasien, Barmen u. a.
Mutter: Anna, geb. Sangiorgio
Geschwister: Anna Adolfina (1880-1947)
Kinder: aus 1. Ehe Ellen Gertrud (geb. 1913)
GND-ID: GND/116593113

Biografie: Willi A. Boelcke (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 303-304

Rörig ist im rheinischen Barmen aufgewachsen (später in Detmold wohnhaft) und empfing die entscheidenden Anregungen während seines Universitätsstudiums von Georg von Below in Tübingen sowie von Gerhard Seeliger, Karl Bücher und Wilhelm Stieda in Leipzig. Er promovierte bei Seeliger und Lamprecht in Leipzig mit einer Dissertation zum Thema: „Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs zwischen Saar, Mosel und Ruwer und ihr Kampf mit den patrimonialen Gewalten“. Sein rechtswissenschaftliches Studium in Göttingen führte ihn zu Problemen der mittelalterlichen Stadt, die ihn als Wissenschaftler Zeit seines Lebens beschäftigten.
Die einzigartig reichen mittelalterlichen Bestände des Lübecker Staatsarchivs wurden für Rörig Basis für tiefschürfende, auf wissenschaftliches Neuland vorstoßende Forschungen, in deren Mittelpunkt eine neue Sicht von der Bedeutung und den Leistungen der (innovativen) mittelalterlichen Fernhandelskaufleute (ähnlich den mercatores in Freiburg/Breisgau) stehen. Ihrer Initiative seien die Gründungsunternehmerstädte auf dem Kolonialland seit dem 12. Jahrhundert zuzuschreiben. Für Rörig konnte die mittelalterliche Stadt, wie ihn das Beispiel Lübeck und die Hansegeschichte lehrten, nicht als eine kleinste, in sich abgeschlossene Einheit begriffen werden, da die blühenden Hansestädte des Ostseeraums die Dynamik einer, wie Rörig sich ausdrückte, mittelalterlichen Weltwirtschaft erkennen ließen. Er widersprach daher mit Recht der schematischen Enge der Drei-Stufentheorie von Karl Bücher (Hauswirtschaft – Stadtwirtschaft – Volkswirtschaft). Der hansische Kaufmann habe durch seine Beziehungen zu Norwegen u. a. einen notwendigen, wechselseitigen, internationalen Leistungsaustausch vorgenommen. Höchstes Anliegen Rörigs war es, die Wirkungen des deutschen Kaufmanns bei der Umformung der Verhältnisse im Ostraum und deren belebende Rückwirkungen auf das westliche Europa für das 12. bis 14. Jahrhundert herauszuarbeiten. Am Beispiel der Entstehung Magdeburgs griff Rörig auch die damals neue Wik-Forschung auf, um die europäische Handelssituation des 8. bis 10. Jahrhundert zu erhellen. Wer noch den temperamentvollen, engagierten Universitätslehrer Rörig in seinen letzten großen Vorlesungen im Auditorium maximum der Berliner Universität erlebte, der lernte einen herausragenden Wissenschaftler kennen mit gediegener Quellenkenntnis und der Fähigkeit, große Zusammenhänge zu erhellen. Seine positiv-kritische Methodik war die des Historismus. Die geblütsrechtlichen und wahlrechtlichen Momente bei der deutschen Königserhebung waren in seinen letzten Berliner Jahren sein Hauptthema (Untersuchungen zur Geschichte der Königserhebung 911-1198).
Rörig hat als Forscher, Lehrer und durch seine vielen Vorträge, aus denen ein Großteil seiner Publikationen hervorging, der mittelalterlichen Geschichtsforschung erhebliche Anstöße gegeben. Seine Hauptverdienste liegen auf dem Gebiet der hansischen Forschung. Seit 1925 gehörte er dem Vorstand des Hansischen Geschichtsvereins an, seit 1939 lag die Schriftleitung der Hansischen Geschichtsblätter allein in seiner Hand. Er war Ehrenmitglied der Geschichtsvereine von Lübeck, Hamburg und Bremen. Aus der Schule Rörigs sind von 1922 bis 1952 insgesamt 40 Dissertationen hervorgegangen. Als Universaldenker hat Rörig nicht immer Beifall erhalten, noch weniger in seiner Neigung, aus seiner nationalen Gesinnung heraus zu Ereignissen der Zeitgeschichte und der Gegenwart Stellung zu beziehen. Rörig wurde geprägt vom Geist der akademischen Jugend im kaiserlichen Deutschland. Daraus ergaben sich Affinitäten zur jeweiligen Gegenwart, in der Rörig leben mußte, die leicht als politische Anpassung ausgelegt werden konnten. Seine erregten, ihn letztlich zermürbenden Auseinandersetzungen mit den vordringenden stalinistischen Einflüssen im Lehrbetrieb der Berliner Universität zeigten aber auch, daß er sich auch als Wissenschaftler bis zu seinem plötzlichen Tode treu geblieben ist.
Quellen: Nachlaß Fritz Rörig im Stadtarchiv Lübeck
Werke: Vollständige Bibliographie, 145 Abhandlungen und Aufsätze (ohne postume Nachdrucke) und 124 Rezensionen – im Anhang von: Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte. Gedächtnisschrift für Fritz Rörig, Lübeck 1953. Auswahl von Rörigs bedeutendsten Veröffentlichungen: Der Freiburger Stadtrodel. Eine paläographische Studie, in: ZGO N.F. 26 (1911) 38-64; Der Markt von Lübeck. Topographisch-statistische Untersuchungen zur deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (1921 und 1922); Das Einkaufsbüchlein der Nürnberg-Lübecker Mulich’s auf der Frankfurter Fastenmesse des Jahres 1495 (1931); Die europäische Stadt, in: Propyläen-Weltgeschichte, 4 (1932); dazu 3. Auflage: Die europäische Stadt und die Kultur des Bürgertums im Mittelalter (1955); Mittelalterliche Weltwirtschaft (1933); Rheinland-Westfalen und die deutsche Hanse (1933); Reichssymbolik auf Gotland. Heinrich der Löwe, „Kaufleute des römischen Reichs“, Lübeck, Gotland und Riga (1940); Der Hansa-Bund. Das Ostseegebiet und Skandinavien (1944); Geblütsrecht und freie Wahl in ihrer Auswirkung auf die deutsche Geschichte. Untersuchungen zur Geschichte der deutschen Königserhebung 911-1198 (1948); Magdeburgs Entstehung und die ältere Handelsgeschichte (1950 und 1952)
Nachweis: Bildnachweise: Foto von 1940, in: Städtewesen und Bürgertum (1953)

Literatur: Wilhelm Koppe, Fritz Rörig und sein Werk, in: Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte. Gedächtnisschrift für Fritz Rörig (1953), 9-24; dort auch Verzeichnis der Rezensionen zu Rörigs Veröffentlichungen
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