Hein, Franz Johann Erich 

Geburtsdatum/-ort: 30.11.1863; Hamburg-Altona
Sterbedatum/-ort: 21.10.1927; Leipzig
Beruf/Funktion:
  • Maler, Graphiker, Buchgewerbler, Schriftsteller
Kurzbiografie: 1871 Besuch der Gewerbeschule in Hamburg als Vorbereitung für ein Kunsthandwerk
1879 Lehre bei Theatermaler Grüner
1882 Bekommt ein Stipendium und geht im Herbst mit Carlos Grethe an die Karlsruher Akademie
1884 Im Mai und Juni mit Grethe in Paris als Schüler Bouguereaus an der Académie Julian
1885 Anfang des Jahres Rückkehr nach Karlsruhe
1886 Unter der Leitung Karl Hoffs Beteiligung mit Kallmorgen, Schurth, Borgmann und Kley an der künstlerischen Gestaltung des Festzugs aus Anlaß der Fünfhundertjahrfeier der Heidelberger Universität
1888 Kurze Zeit Dozent an der Karlsruher Malerinnenschule, von Borgmann grundlos entlassen. In München sieht er erstmals Moritz von Schwinds „Aschenbrödel“; seitdem verehrt er Schwind „als das große Vorbild deutscher Märchenmalerei“
1890 Seit Herbst Lehrer für Aktzeichnen an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe
1891 Im März Umzug nach Grötzingen in die Augustenburg als Wohnsitz
1894 Studienreise ins Elsaß, wiederholt in den beiden folgenden Jahren
1896 Mitglied des Karlsruher Künstlerbundes und der Schleswig-Holsteinischen Künstlergenossenschaft
1900-1902 Als Nachfolger Leopold Graf von Kalckreuths Präsident des Karlsruher Künstlerbundes
1902 Professorentitel
1905 Prof. an der königlichen Akademie für graphische Künste in Leipzig
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 27.12.1889 Ida Auguste Wilhelmine Caroline, geb. Necker (1863-1962)
Eltern: Vater: Franz Heinrich Hein
Mutter: Marie Catharina, geb. Knuth
Geschwister: 3: Johann, Anni und Magdalene
Kinder: Franz (1892-1976), Dr. phil., seit 1946 ordentlicher Prof. für Anorganische Chemie an der Universität Jena
Hans (1893-1914), Medizinstudent, gefallen im Ersten Weltkrieg
GND-ID: GND/116658509

Biografie: Rudolf Theilmann (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 121-123

Hein zählt zur ersten Generation der Grötzinger Malerkolonie. Aber im Gegensatz zu den Künstlerfreunden Karl Biese, Friedrich Kallmorgen oder Gustav Kampmann, die sich vorzugsweise der Landschaftsmalerei widmeten, kennzeichnet sein Œuvre eine bemerkenswerte thematische Vielfalt. Befaßte er sich vor der Jahrhundertwende in der Mehrzahl mit Landschaftsdarstellungen und Porträts, so konzentrierte er sich seit etwa 1900 auf seine Tätigkeit als Buchgraphiker. Gerade auf dem weiten Feld der Gebrauchskunst eröffnete sich ihm in diesen Jahren ein anregendes Arbeitsgebiet. Die von den Ideen der Jugendstilbewegung gespeiste künstlerische Neubesinnung mit ihrer radikalen Absage an das eklektizistische Formenvokabular des Historismus prägte auch das Schaffen des Graphikers Hein, der in diesem Bereich bald als eine der führenden Persönlichkeiten galt. Die einheitlich konzipierten Einbandgestaltungen, Vorsatzblätter, Titel und Textillustrationen hatten seinen Ruhm begründet und waren ausschlaggebend für die ehrenvolle Berufung an die Leipziger Akademie (1905).
Hein, der auch als Verfasser lyrisch gestimmter Gedichte auf sich aufmerksam machte, steht mit seinen ideenreichen Bilderfindungen in der Tradition des von ihm hochverehrten Moritz von Schwind. Einige Titel der sowohl in Öl und Aquarell wie auch als Lithographie ausgeführten Motive geben eine Vorstellung von der stupenden Einbildungskraft seiner Phantasie: „Spuk im Schloß Augustenburg in Grötzingen“ (Aquarell, 1892), „Die Prinzessin vom goldenen Hause“ (Öl, 1898), „Fee und Schwan“ (Öl, 1898), „Die Nixe vom Goldfischteich“ (Lithographie, 1899), „Irrlicht“ (Lithographie, 1900), „Die Nixe am Stein“ (Lithographie, 1902), „Der Zauberspiegel“ (Aquarell, 1915), „Schneewittchens Hochzeit“ (Aquarell, 1915), „Nixenorakel“ (Öl, 1917). Diese traumhaft-irrealen Eingebungen aus der zeitlosen Welt des Märchens können auch als Gegenentwurf zu den konfliktgeladenen Zeitläuften interpretiert werden. Es sind in vielen Fällen Einfigurenszenen, die sich durch kräftige, effektvolle Hell-Dunkel-Kontraste von den knapp angedeuteten Landschafts- oder Architekturkulissen abheben. Der streng und mit wenigen Mitteln organisierte Bühnenraum ist das Resultat einer überlegt vorgetragenen Verbindung horizontaler und vertikaler Richtungslinien, wobei sich die Angabe des Gegenstands auf einen charakteristischen, formelhaft verkürzten Ausschnitt beschränkt. Das Ergebnis ist oft ein flächenhaft-ruhiges Bildmuster, dem durch die Vermeidung dominierender Diagonalen jede Dynamik bewußt entzogen ist. Mit dieser sensiblen Gliederung der Fläche korrespondiert das behutsam gewählte Kolorit, das laute oder gar dissonante Klangkontraste vermeidet. Da die Binnenzeichnung stets auf ein unumgängliches Minimum beschränkt bleibt, wodurch der illusionistische Eindruck körperhaft-naturalistischer Volumina vermieden wird, erinnern viele Kompositionen an die zeitgenössische Plakatkunst, die Heins Sinn für dekorative Arrangements zweifellos beeinflußt hat. Belebende Spannungen ergeben sich aus der Gegenüberstellung hieratisch-streng konzipierter Figurentypen und weich fließender, kurviger Linienbewegungen. Diesen Stilisierungstendenzen ging ein gründliches Naturstudium voraus. Bevor sich Hein der Märchenmalerei zuwandte, war er bemüht, im Sinne der Karlsruher Schule realistisch zu arbeiten. Wenngleich er schon bald die Verbindlichkeit dieser Grundsätze als Endziel seiner Arbeit in Frage stellte, so befolgte er stets die Maxime, daß auch für außerhalb der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit gelegene Themenbereiche „der Realismus ... das Studium, die feste Grundlage bedeutete, auf der jedes gesunde Kunstwerk aufgebaut sein muß.“ Sowohl die frühen reinen Landschaftsgemälde des Künstlers, die aus den 1890er Jahren datieren und vielfach Motive aus dem Elsaß und den Vogesen darstellen, als auch spätere Bilder aus seiner sächsischen Wahlheimat sind nur selten platte Wiedergaben der Natur. Immer war er bestrebt, seinen Sujets eine märchenhaft-traumverlorene Stimmung mitzuteilen, wobei ihn der Zauber geheimnisvoller Waldpartien ständig zu neuen Gestaltungsmöglichkeiten inspirierte.
Bevor sich Hein der Ölmalerei zuwandte, hatte er während seines Grötzinger Aufenthalts hauptsächlich als Aquarellist gearbeitet und in dieser Technik eine große Fertigkeit erreicht. Blätter, wie die 1892 entstandenen, mit breitem Pinsel großzügig lavierten Gartenansichten mit Figurenstaffage sind beispielhaft für diese Epoche. Ungeachtet aller Stilrevolutionen zu Beginn des neuen Jahrhunderts verfolgte Hein seinen einmal eingeschlagenen Weg mit steter Beharrlichkeit. In der schroffen Ablehnung des Expressionismus war er sich mit seinem Malerfreund Kallmorgen einig: „Die Wurzel des modernen Expressionismus ... heißt Unfähigkeit; heißt Verachtung der anatomischen Gesetze, weil sie zu schwer zu befolgen sind; heißt Aufhebung des Begriffs der Mißgeburt, weil Mißgeburt die Höhe ist, zu der sich die Begriffe überhaupt nur erheben können. Man wird also wohl demnächst die Aktsäle schließen, und statt ihrer Sammlungen von Südseegötzen aufmachen, deren Kunst für jeden Sammler erreichbar ist.“
Werke: Lieder und Bilder, Karlsruhe 1903; Wille und Weg. Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, Leipzig 1924. – Die überwiegende Mehrheit der Gemälde und Aquarelle des Künstlers – von wenigen Ausnahmen abgesehen auf weitverzweigten und derzeit zumeist unbekannten Privatbesitz verteilt – datiert aus der Zeit zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg. Bedeutende Bestände seines graphischen (vor allem lithographischen) und zeichnerischen Oeuvres bewahren die Museen in Leipzig und Dresden. 1895 illustrierte er zusammen mit Friedrich Kallmorgen die „Stifter-Studien“ (Amelangs Verlag, Leipzig); die Bändchen „Hellenische Sänger in deutschen Versen von K. Preisendanz und F. Hein“ (1905) sowie „Chronika eines fahrenden Schülers“ (1906) sind zwei wichtige Beispiele seines buchkünstlerischen Schaffens. Daneben gestaltete er zahlreiche gebrauchsgraphische Arbeiten, wie Exlibris, Menukarten, Schutzumschläge, Vorsatzpapiere, Titelblätter, Hochzeits-, Tisch- und Einladungskarten. Neben seiner Mitarbeit beim Karlsruher Künstlerbund entwarf Hein seit 1902 für die beiden Leipziger Verlage B. G. Teubner und R. Voigtländer insgesamt sechs Farblithographien (sogenannte Künstler-Steinzeichnungen). Von den Holzschnittzyklen, mit denen er sich seit 1914 intensiv befaßte, seien u. a. erwähnt: Deutscher Wald, 1919 (mit Vorwort von Julius Vogel); Wasgenwald, 1921 (mit Vorwort von Fritz Lienhard); Brüderchen und Schwesterchen, 1922 (mit Vorwort von Max Lehrs). Alle wichtigen Gemälde, Aquarelle und graphischen Einzelblätter sind aufgeführt in: ThB 16, 1923, 284 f.
Nachweis: Bildnachweise: Akat., Die Grötzinger Malerkolonie ..., Abb. S. 22, 26.

Literatur: Akat., Die Grötzinger Malerkolonie. Die erste Generation, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, 1975/76, 12/13, 24-29, 30/31, 42/43, 67/68, 79-86, 159-168 (mit ausführlichen Angaben der bis 1975 erschienenen wichtigsten Literatur S. 83/84); Deutsche Künstlerkolonien und Künstlerorte, hg. v. G. Wietek, München 1976, 120/121 mit Abb. 115; Akat. Kunst in Karlsruhe 1900-1950, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, 1981, 22 ff., 153, Kat. Nr. 114 mit Abb. 40; P. Bussler, Malerparadies auf Zeit, Cuxhaven 1986, pass., mit Abb.
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