Leube, Martin Otto 

Geburtsdatum/-ort: 10.01.1884;  Leutkirch
Sterbedatum/-ort: 18.07.1961;  Göppingen, bestattet in Korntal
Beruf/Funktion:
  • Dekan, Kirchenhistoriker
Kurzbiografie: 1898 Landesexamensprimus, evangelisch-theologische Seminare Schöntal und Urach
1902 Konkursprüfung und Einjähriger freiwilliger Militärdienst in Tübingen
1903 Theologiestudium als Stiftler in Tübingen
1907 Lutherpreis für Arbeit über Luthers Ethik
1908 1. Dienstprüfung und Ordination zum Geistlichen Vikar in Reutlingen-Betzingen und Calw
1909 Stadtvikar in Stuttgart
1910 2. Dienstprüfung, Wissenschaftliche Reise nach England, Teilnahme an Weltmissionskonferenz in Edinburgh
1911 Pfarrverweser in Essingen und Kaltental
1912 Repetent am Stift in Tübingen und Assistent am Predigerseminar, zwischenzeitlich August-Oktober 1914 Pfarrverweser in Schömberg, September-Oktober 1915 stellvertretender Repetent in Maulbronn
1916 3. Stadtpfarrer in Backnang, dabei Lazarettdienst 1916-1918 und Unterricht am Lehrerseminar 1916/17, Charlottenkreuz 5.10.1916
1920 Dr. phil. Tübingen für den 1. Bd. der „Geschichte des Tübinger Stifts“ bei Karl Holl
1922 2. Stadtpfarrer in Weinsberg und Pfarrer von Ellhofen
1929 Mitbegründer und Vorsitzender des Seminarhilfsvereins
1930 Dekan in Kirchheim, Dr. theol. h. c. Tübingen
1946 Stadtpfarrer in Ludwigsburg-Pflugfelden
1947 Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte
1948-1959 Herausgeber der BWKG, Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde 16.10.1948
1954 Ruhestand in Korntal
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1917 Anna Elise, geb. Zeller (1892-1961)
Eltern: Vater: Dr. Gotthilf Friedrich Isaak Leube (1838-1893), Stadtpfarrer
Mutter: Karoline Amalie Auguste Luise, geb. Mezger (1850-1923)
Geschwister: 9, davon 4 Pfarrer
Kinder: Gotthilf Heinrich, Prälat i. R.
3 Töchter (verheiratet)
GND-ID: GND/116957395

Biografie: Thilo Dinkel (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 211-213

Die Leube stammen aus Altenburg in Sachsen. Einer der Vorfahren kam als Pfarrer ins gräflich Limpurgische Gebiet, und so wurde die Familie durch entsprechende Heiraten zu einer der typisch schwäbischen Pfarrfamilien. Dem Sohn des Leutkircher Stadtpfarrers war so auch wie vier seiner Brüder sein Lebensweg über Landexamen, theologische Seminare, Konkursprüfung und Tübinger Stift vorgezeichnet. Da er überall glänzende Zeugnisse hatte, wurde ihm eine wissenschaftliche Reise nach Norddeutschland, England und Schottland mit Besuch der Weltmissionskonferenz in Edinburgh genehmigt. Dann wurde er Stiftsrepetent in Tübingen. Hier fand er auch seine eigentliche Berufung zum Kirchenhistoriker. Den Ausschlag dafür gab aber nicht nur der Tübinger Kirchengeschichtler Karl Müller, dessen Schüler Leube war, sondern auch ein ganz konkreter Anlaß. Kurz vor Kriegsbeginn hatte man mit dem Umbau des Stifts begonnen. Als bei Kriegsausbruch fast alle Studenten und Repetenten eingezogen wurden, war Leube zeitweise der einzige Repetent, dem es oblag, den Umzug der Stiftsbibliothek zu leiten und das gesamte Archiv neu zu ordnen.
Offensichtlich stieß er dabei auf so interessante Dinge, daß er schon damals beschloß, die „Geschichte des Tübinger Stifts“ zu schreiben, die seinen Namen bekannt machen sollte. Fortan widmete er seine freie Zeit hauptsächlich dieser Arbeit, unterstützte aber auch tatkräftig die Förderung historischer Studien. So nahm er an der Gründungsversammlung des „Vereins für württembergische Kirchengeschichte“ am 7.10.1920 teil und wurde noch vor Erscheinen des ersten Bandes seiner Stiftsgeschichte in den zwölfköpfigen Ausschuß gewählt. Vorsitzender wurde sein Lehrer Prof. Karl Müller.
Ein starkes Jahr nach seiner Ernennung zum 3. Stadtpfarrer in Backnang heiratete Leube Anna Elise, die Tochter des Sanitätsrats Dr. Eberhard Heinrich Zeller in Backnang. Sie wird als Beispiel einer schwäbischen Pfarrfrau geschildert und ergänzte mit ihrer fröhlicheren und zupackenderen Art ihren ernsteren Gatten aufs beste. Die Versippung mit der berühmten Zeller-Familie öffnete Leube ein neues Forschungsgebiet, nämlich die Familienforschung, woraus mehrere Veröffentlichungen hervorgingen. Trotz Arbeitsüberlastung – er hatte nicht nur die Lazarettseelsorge, sondern hielt auch Unterricht an der Lehrerbildungsanstalt, kümmerte sich um die Jugendkreise und war im Altertumsverein für den Murrgau aktiv – gelang es ihm in seiner Backnanger Zeit, den ersten Band seiner „Geschichte des Tübinger Stifts“ zu vollenden, wofür er zum Dr. phil. promoviert wurde. Um nun auch die weiteren Bände fertigzustellen, bewarb sich Leube 1922 vergeblich um eine Professorenstelle am theologischen Seminar in Urach oder eine Bibliothekarsstelle an der Universitätsbibliothek in Tübingen. So wurde er 1922 zweiter Stadtpfarrer in Weinsberg. Neben den schon genannten Aktivitäten arbeitete Leube im Gustav-Adolf-Werk und in der Freien Volkskirchlichen Vereinigung mit und nahm als Delegierter mehrfach an Reichstagungen dieser Verbände teil. Im Jahr der Ernennung zum Dekan in Kirchheim unter Teck (1930) kam der zweite Band der Geschichte des Stifts heraus. In Verbindung mit der Feier des vierhundertsten Jahrestages des Augsburger Bekenntnisses wurde ihm (zusammen mit Julius Rauscher und sieben weiteren) von der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen der Doktor der Theologie ehrenhalber verliehen.
In seinem Amt wird Leube als sehr gewissenhafter und aktiver Geistlicher geschildert, dem auch Unterricht und Jugendarbeit sehr am Herzen lagen. Schon längere Zeit hatte er das Heraufkommen des Nationalsozialismus besorgt beobachtet. In Kirchheim sollte es dann zu harten Auseinandersetzungen kommen. Viel klarer und entschiedener als Landesbischof Th. Wurm, zu dem er loyal stand (Mitunterzeichner der Erklärung der Dekane vom 20.9.1934), war Leube von Anfang an ein scharfer NS-Gegner und wußte sich darin mit der Mehrzahl der Pfarrer seines Dekanats einig, unter denen Otto Mörike, Julius von Jan und Paul Schempp als Hitlergegner besonders hervorragten. Schon 1934 wurde Leube von der kommissarischen NS-Kirchenleitung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er zur Ablegung des Hitlereids nicht antrat. Mehrfach wurde er in NS-Hetzblättern scharf angegriffen („Flammenzeichen“ Nr. 31, 1936, 5; Nr. 44, 1936, 4; „Reichssturmfahne“ 3. Jg. Nr. 22 vom 2.11.1936). Ende Juni 1937 wurde ihm und seinen Mitstreitern wegen Verweigerung des Hitlereids die Berechtigung zur Erteilung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen entzogen. 1938 wurde Leube denunziert und bekam eine Anklage wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz an den Hals, die erst auf Grund des Straffreiheitsgesetzes vom 20.4.1938 eingestellt wurde („Flammenzeichen“ Januar 1938, „Das Schwarze Korps“ vom 1.6.1939). Erst mit Kriegsbeginn und dem zunehmenden Papiermangel fanden diese Angriffe ein Ende.
Nach Kriegsende engagierte Leube sich beim Neuaufbau der evangelischen theologischen Seminare als Vorsitzender des Seminarhilfsvereins. Auch den Neuanfang der Geschichtsforschung im Lande unterstützte er aktiv als Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde und als Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte und Herausgeber der „Blätter für württembergische Kirchengeschichte“. Im Verein für Familien- und Wappenkunde war er ebenfalls aktiv. So ist verständlich, daß er sich ein etwas ruhigeres Pfarramt suchte und es im Ludwigsburger Teilort Pflugfelden fand. Vor allem seit seinem Ruhestand galt seine unermüdliche Forscherarbeit der Herausgabe eines württembergischen Pfarrerbuches, das den berühmten, aber veralteten „Sigel“ ersetzen sollte. Leider durfte er die Veröffentlichung des ersten Bandes, den schließlich Pfarrer Haug herausgab, nicht mehr erleben.
Leubes aufrechte Haltung im Kirchenkampf ist heute weitgehend vergessen; für immer wird sein Name aber mit der „Geschichte des Tübinger Stifts“ verbunden bleiben. Wer sich mit der württembergischen Geistesgeschichte beschäftigt, der kommt auch noch heute trotz vieler neuer Veröffentlichungen nicht um den „Leube“ herum. E. Müller, der Verfasser der „Stiftsköpfe“, bemängelte daran eine zu große Detailfülle bei Fehlen exakter Fundstellen und Mangel an größeren, überspannenden Themen. Er und andere kritisierten auch, daß das 19. und 20. Jahrhundert merkwürdig blaß blieben. Die Kritiker wußten damals nicht, daß sowohl von der Kirchenleitung als auch vom Kultministerium massive Zensur ausgeübt wurde, der sich Leube leider unterwerfen mußte, da sein Werk ohne deren Zuschüsse überhaupt nicht hätte erscheinen können. (Erst bei der 2. Auflage des 3. Bandes konnte Leube freier schreiben, enthielt sich jedoch aus verständlichen Gründen jeder Polemik gegen noch lebende Personen, ganz abgesehen davon, daß ihm entsprechende Archivalien noch nicht zugänglich waren). Schon nach dem 2. Band, von dem im freien Verkauf kaum 150 Exemplare abgesetzt worden waren, lehnte der Oberkirchenrat zunächst einen Zuschuß zum 3. Band ab, dessen Erscheinen unerwünscht sei. Erst das bevorstehende Stiftsjubiläum brachte die Mauer der Ablehnung zum Einsturz, und der dritte Band konnte 1936, wenn auch ausgedünnt, erscheinen. Heute erscheint das alles als kaum glaublich und unverständlich, denn das Werk ist trotz der erwähnten Schwächen gerade wegen seiner unübertroffenen Detailfülle zu einem Standardwerk der Landesgeschichte geworden, das viele neue Forschungen angeregt hat und an dem wohl auch in den nächsten Jahrzehnten keiner vorbeikommen wird, der sich mit dem von Herzog Ulrich 1536 gegründeten evangelischen Stift in Tübingen und den aus ihm hervorgegangenen Geistesgrößen beschäftigt.
Werke: (Auswahl) Das Hauptwerk: Die Geschichte des Tübinger Stifts. 3 Bde. Stuttgart 1921-1936. Wesentlich erweiterte 2. Aufl. des 3. Bd. 1954; Die verschiedenen Pflichtlasten und insbesondere die Steuerpflicht des altwürttembergischen Kirchenguts. Gutachten von 1921 (Abdruck in leicht veränderter Form und ohne die 20 großen Tabellen unter dem Titel „Die fremden Ausgaben des altwürttembergischen Kirchenguts“ in BWKG 29, 1925, 168-199); Viele Untersuchungen in BWKG (Register in Nr. 71, 1971). Ab 1948 bis zu seinem Tode auch viele Rezensionen (nicht registriert); Martin Leube/K. Hermann Zeller: Die Zeller’sche Familie Bebenhausen (Sulzbacher) Linie. 4. Aufl. nach dem Stand vom 15. Juni 1926, Stuttgart, 1926, 84 S.; Viele kleinere, meist kirchliche Texte in kirchlichen Blättern, besonders in Gemeindeblättern seiner Amtsorte wie „Evangelisches Gemeindeblatt Kirchheim u. T.“ (1930-1946), aber auch in Lokalzeitungen; Das Tübinger Stift in der Weltbewegung zwischen 1790 und 1813. Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte NF 42, 1936, 159-183. – Umfangreiche, nicht ganz vollständige Zusammenstellung von Leubes Arbeiten, auch der unveröffentlichten, sowie der Verwahrstellen seines Nachlasses angelegt und im Besitz von Pfarrer Thilo Dinkel
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Herbert Leube: Die Sontheimer Leube. 1982, 115-119

Literatur: Nachrufe in Stuttgarter Zeitung vom 20.07.1961 (mit Bild); Stuttgarter Nachrichten vom 21.07.1961; BWKG 62, 1962, 3-6 (Hermann Haering); Teckbote 1961, Nr. 164; Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, 06.08.1961
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