Obser, Karl Joseph 

Geburtsdatum/-ort: 16.01.1860;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 21.01.1944;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Historiker und Archivar
Kurzbiografie: 1866 Gymnasium Karlsruhe
1879-1883 Studium Jura, Geschichte und Germanistik an den Universität Heidelberg und München
1883 Promotion, Hilfsarbeiter bei der Badischen Historischen Kommission
1885 Lehramtspraktikantenprüfung
1888 Archivassessor, Ordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission
1891 Archivrat
1897-1924 Redaktion der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (ZGO)
1905 Geheimer Archivrat
1906-1924 Direktor des Generallandesarchivs Karlsruhe
1914 Geheimer Rat III. Klasse
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., seit 1909 ev.
Verheiratet: 1887 (Heidelberg) Emilie, geb. Diemer (1864-1953) aus Heidelberg
Eltern: Vater: Josef Anton (1825-1865) aus Überlingen, Ingenieur und Vorstand der badischen Eisenbahnhauptwerkstätte Karlsruhe
Mutter: Emilie, geb. Birkle (1829-1907)
Kinder: 2:
Gertrud (geb. 1888)
Ilse (geb. 1892)
GND-ID: GND/117078972

Biografie: Rainer Brüning (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 220-221

Die vom Bodensee stammende Familie Obser kam 1857 im Rahmen des badischen Eisenbahnbaus nach Karlsruhe. Doch schon bald nach der Übersiedlung und Geburt des einzigen Sohnes verstarb der Vater im Alter von nur 40 Jahren. Der leicht kränkelnde, hochgradig kurzsichtige und in der Schule nicht besonders glänzende Obser begann 1879 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg, wechselte aber bald in den Bereich Geschichts- und Literaturwissenschaft über. Nach einem Zwischensemester in München legte er 1883 seine Dissertation vor zur angelsächsischen Geschichte des 7. Jahrhunderts über Wilfried den Älteren, Bischof von York. Auf Anregung seines Lehrers Bernhard Erdmannsdörffer arbeitete er sodann als Hilfsarbeiter bei der Badischen Historischen Kommission an der Herausgabe der politischen Korrespondenz des Großherzogs Karl Friedrich von Baden (1728-1811) mit, die er bald in eigener Regie übernahm. Von der Arbeit an den Quellen begeistert, verließ er die zunächst angestrebte Schullaufbahn und wurde im Jahre 1888 am Generallandesarchiv Karlsruhe als Archivassessor angenommen. Sein 1894 in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins erschienener Aufsatz zum Rastatter Gesandtenmord von 1799 löste die in Fachkreisen noch immer bekannte Kontroverse mit dem Karlsruher Universitätsprofessor Arthur Böhtlingk aus, der schon seit Jahren vergeblich die These zu beweisen suchte, Napoleon Bonaparte sei der eigentliche Drahtzieher für die Ermordung der französischen Diplomaten gewesen. Auch hatte Böhtlingk bereits schwere Kritik an der wissenschaftlichen Qualität des von Obser herausgegebenen dritten Bandes der politischen Korrespondenz des Großherzogs Karl Friedrich angemeldet, worauf die Archivverwaltung im Gegenzug seine Benutzung von Archivalien einschränkte. Beschwerden Böhtlingks beim Innenministerium und sogar direkt beim Großherzog blieben erfolglos. Die von beiden Parteien in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins sowie verschiedenen Zeitungen und Flugblättern ausgefochtene Kontroverse nahm einen immer persönlicheren und gereizteren Ton an und konnte selbst durch obrigkeitliche Vermittlungsversuche nicht mehr geschlichtet werden – stand doch der Vorwurf der Geschichtsfälschung im Raum! Böhtlingks schriftliche Äußerung, man habe ihm ein „Bubenstück“ angetan, brachte das Fass schließlich zum Überlaufen und trug ihm eine Beleidigungsklage von Obser und Aloys Schulte, dem Herausgeber der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, vor dem Karlsruher Schöffengericht ein, das Böhtlingk am 20. Februar 1895 zu 10 Mark Geldstrafe verurteilte. Zwar gingen die Sottisen noch geraume Zeit weiter, doch weder der vehemente publizistische Schlagabtausch noch Clios Auftritt vor den Gerichtsschranken vermochten die historische Wahrheit über den Gesandtenmord zweifelsfrei zu offenbaren.
Als Nachfolger Friedrich von Weechs wurde Obser 1906 zum Direktor des Generallandesarchivs berufen, das gerade seinen prächtigen Neubau in der Hildapromenade bezogen hatte. Hier trieb er nicht nur die Erschließung der riesigen Urkunden- und Aktenbestände weiter voran, sondern regte auch Reformen für die Gemeindearchive und Registraturen des Großherzogtums an. Zu seiner Zeit war das Generallandesarchiv Verwaltungsbehörde und Forschungsinstitut zugleich. Im gesellschaftlichen Leben der Residenzstadt nahm Obser eine immer ansehnlicher werdende Stellung ein, verfügte er doch über persönliche Kontakte zum Großherzog Friedrich I., den er selbst in dessen Urlaub besuchen durfte. Politisch engagierte er sich seit 1902 als Vorstandsmitglied des nationalliberalen Vereins in Karlsruhe. Im Zusammenhang mit seinem Kampf gegen das Zentrum ist wohl auch sein Konfessionswechsel im Jahre 1909 zu begreifen. Mit badischen, württembergischen, preußischen und russischen Orden wohl versehen, wurde er, der selbst eine kleine Bildersammlung aufbaute, 1908 zum Vorstandsmitglied des Badischen Kunstvereins, 1910 des Karlsruher Altertumsvereins und 1911 der Badischen Heimat gewählt. Er war u. a. Mitglied der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde und des Mannheimer Altertumsvereins. Besonders hochgeschätzt wurde von ihm selbst seine 1909 erfolgte Aufnahme in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften. In zahllosen Veröffentlichungen hat er sich der badischen Geschichte im allgemeinen, vornehmlich aber des 18. und frühen 19. Jahrhunderts angenommen. Seine Themen reichten von den traditionellen Haupt- und Staatsaktionen bis weit hinein in das Feld der Kulturgeschichte. Obsers nicht geringes wissenschaftliches Renommee auch im Ausland führte 1913 zur Ehrenmitgliedschaft in der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. Stets galt er als ein typischer Vertreter des staatstragenden badischen, nationalliberal und monarchisch gesinnten Bürgertums. Seine Anhänglichkeit an die großherzogliche Familie mag 1919 bei den Eigentumsverhandlungen zwischen der neuen Regierung und dem Haus Baden eine gewisse Rolle gespielt haben. Getrübt wurde seine Pensionierung im Jahre 1924 durch politische Querelen und die öffentliche Auseinandersetzung um die Nachfolge des Karlsruher Ordinarius Franz Schnabel auf den Direktorenstuhl des Generallandesarchivs. Obser hatte aus seinen Vorbehalten gegen Schnabel nie einen Hehl gemacht und sich stattdessen einen Facharchivar wie Hermann Baier gewünscht. Hierbei ist vor persönlichen Angriffen nicht halt gemacht worden – auch innerhalb des Generallandesarchivs waren wohl noch alte Rechnungen offen. Die Affäre wurde in der lokalen Presse weidlich ausgeschlachtet, die einerseits Obsers bisherige Amtsführung kritisierte und andererseits beklagte, dass aufgrund politischer Intrigen im Kultusministerium langgediente badische Archivare zugunsten des Außenseiters Schnabel übergangen würden. Eine schwere Kränkung war für Obser zudem das Scheitern seiner Wiederwahl in die Badische Historische Kommission, in die er erst 1927 wieder einstimmig aufgenommen wurde. Das im Generallandesarchiv untergebrachte großherzoglich-badische Familienarchiv betreute Obser noch bis zum Jahre 1937.
Quellen: GLA Karlsruhe 69, Nachlass K. Obser.
Werke: (Auswahl) Wilfried d. Ä., Bischof von York. Ein Beitrag zur angelsächsischen Geschichte des 7. Jh.s, 1884; (Hg.) Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden, Bde. 3-6, 1893-1915; Bonaparte, Jean Debry u. d. Rastatter Gesandtenmord, in: ZGO 48, 1894, 49-78; (Hg.) Denkwürdigkeiten des Markgrafen Wilhelm von Baden, Bd. 1, 1906; Die Obser. Ein Beitrag zur Familiengeschichte, 1911; (Hg.) Jugenderinnerungen Großherzog Friedrichs I. von Baden, 1921.
Nachweis: Bildnachweise: GLA Karlsruhe J-Ac, Porträt K. Obser.

Literatur: Manfred Krebs, Nachruf auf K. Obser, in: ZGO 96, 1948, 1-18.
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