Bunte, Hans Hugo Christian 

Geburtsdatum/-ort: 25.12.1848; Wunsiedel (Oberfranken)
Sterbedatum/-ort: 17.08.1925;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie: 1859-1863 4-klassige Lateinschule in Wunsiedel
1863-1865 Gewerbeschule in Erlangen
1865-1867 Studien am Polytechnikum Stuttgart
1868 Chemiestudium an der Universität Heidelberg, dann an der Universität Erlangen; Promotion. „Untersuchungen über Harnstoff und Harnstoffderivate“
1869-1884 Assistent am chemischen Laboratorium der Technischen Hochschule München, ab 1872 Privat-Dozent
1874-1920 Mitarbeiter, ab 1876 Herausgeber des „Journals für Gasbeleuchtung“ (bis 1883 zusammen mit N. H. Schilling)
1882-1883 Vorsitzender des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner (DVGW)
1885-1909 Generalsekretär des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner
1887-1919 Professor für Chemische Technologie an der Technischen Hochschule Karlsruhe; Antrittsvorlesung: „Über die Bedeutung der Gase für die chemische Technik“
1891 Hofrath
1899 Geheimer Hofrath
1903-1913 Abgeordneter in der I. Kammer der Badischen Landstände
1907 10. Jun. Eröffnung der Lehr- und Versuchsgasanstalt des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner
1910 Geheimer Rath II. Klasse
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1877 (München) Wilhelmine, geb. Stölzel (1855-1937)
Eltern: Vater: Carl David (1802-1871), Rechtsanwalt
Mutter: Maria Franziska (Fanny), geb. Geiger (1811-1893)
Geschwister: 4:
Hans Hugo Wilhelm (1841-1842)
Emma Louise Fanny, verheiratete Wirth (geb. 1842)
Maria Crescentia (1845-1928)
Anna Auguste, verheiratete Schlumberger (geb. 1846)
Kinder: 3:
Karl
Elisabeth (1883-190?)
Luise, verwitwete Schmidt, verheiratete Weiß (geb. 1890)
GND-ID: GND/117157589

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 35-37

Buntes Einstellung zur Technik wurde geprägt durch Eindrücke der Kindheit: Seine Mutter besaß eine Ziegel- und Glasperlenhütte; sein Vater hatte großes Interesse für alle Fragen der Naturwissenschaft und Technik. In der Lateinschule erhielt Bunte immer die Note „gut“, besondere „Lobungen“ aber für Singen und Zeichnen. Zur weiteren Ausbildung schickte ihn sein Vater nach Erlangen in die Gewerbeschule, wo sein Jugendfreund Reinsen Direktor war. Dieser führte Bunte in das chemische Laboratorium ein und weckte sein Interesse für die Chemie. Als Bunte nach der Schulausbildung an die Technische Hochschule Stuttgart kam, schwankte er jedoch zwischen Chemie und Technik. Der vielseitige Chemieprofessor H. von Fehling beseitigte diese Unsicherheit: Bunte ergriff das Chemiestudium. Nach drei Semestern ging Bunte zu Bunsen und Erlenmeyer an die Universität Heidelberg, konnte dort aber nur ein Semester studieren. Wegen schwerer Erkrankung seines Vaters verlangte die Familie, dass er näher beim Elternhaus bleibe. So musste Bunte sein Studium nach Erlangen verlegen, wo er unter dem Organiker E. V. Gorup-Besanez mit einem selbstgewähltem Thema „summa cum laude“ promovierte. Danach hätte er eine gute Lehrerstelle in der Heimatstadt bekommen können, wählte aber eine kaum bezahlte Assistentenposition an der Technischen Hochschule München bei seinem früheren Lehrer E. Erlenmeyer. Nach drei Jahren, unterbrochen durch freiwillige Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg als Sanitäter des 1. Bayerischen Sanitätszugs, konnte sich Bunte habilitieren. Seine Habilitationsschrift widmete er der durch ihn aufgefundenen Schwefelverbindung C2H5S-SO3Na. So wurde eine neue Gruppe von Verbindungen entdeckt, die bis heute unter dem Namen „Bunte-Salze“ von Bedeutung für die synthetische und angewandte organische Chemie ist. Bereits als Assistent hielt Bunte Vorlesungen über analytische Chemie; er behielt den Kursus lange Jahre bei. „Daher“, so Bunte im Alter, „meine sehr gründliche Kenntnis der analytischen, allgemeinen und anorganischen Chemie.“
N. H. Schilling, der Begründer und Herausgeber des „Journals für Gasbeleuchtung“ und Direktor der Gasbeleuchtungs-Gesellschaft in München, begriff, dass er die Unterstützung von Seiten der Chemie brauche, und gewann Bunte zunächst für ein „Probejahr“ als Mitarbeiter bei seiner Zeitschrift. Der neue Bereich erwies sich für Bunte faszinierend: Hier konnte er sein Interesse für Chemie und Technik verbinden. Die „hervorragende Persönlichkeit“ (Bunte) von Schillings begünstigte dies, und es ergab sich, „dass das einjährige Provisorium [sich] zu einem dauernden Verhältnis zwischen Schilling und mir gestaltete“, erinnerte sich Bunte später. 1875 trat Bunte dem Deutschen Verein von Gas- und Wasserfachmännern (DVGW) bei und begann auch experimentelle Arbeiten, später als Leiter für den chemischen Teil der Heizversuchsstation. Die wichtigsten von zahlreichen Arbeiten, die Bunte für den Deutschen Verein der Gas- und Wasserfachmänner durchgeführt hatte, sind: die erstmalige Untersuchung des Verfahrens der Gaserzeugung unter chemischer Kontrolle, was dank eines durch Bunte erfundenen einfachen Geräts – der berühmten „Bunteschen Bürette“ – ermöglicht wurde, die erstmalige zuverlässige Bestimmung von Heizwerten verschiedener Kohlesorten und die Festlegung der „Verbandformel“ über die Beziehung von chemischer Zusammensetzung und Heizwert von Kohlen. Auch Erfindung und Bau des „Münchenschen Ofens“, d. h. des Gasgenerators mit Luftvorwärmung durch Wärmeaustausch zwischen Luft und Abgas und mit „nassem Betrieb“, so dass sich außer Kohlenmonoxid viel Wasserstoff bildete, gehört in diese Reihe. Dieser Generator, damals der vollkommenste der Welt, diente für lange Zeit als Vorbild für die Ingenieure.
Solche Arbeiten trugen auch dazu bei, wissenschaftliche Grundlagen der Heiztechnik und der Gasindustrie zu erforschen und Hauptfaktoren zu erkennen, die den Bau und Betrieb von Generatoren bestimmen.
Seine neuen Kenntnisse und Erfahrungen brachte Bunte auch in die Technische Hochschule ein. Nicht ohne Stolz schrieb er später, dass seine „Vorlesungen über Teerfarben, Brennstoffe, Feuerungen und Gasanalyse ... wohl die ersten an deutschen Hochschulen“ seien. Seine Bemühungen blieben aber ohne Anerkennung, das ursprünglich „ganz ideale“ Verhältnis zu Erlenmeyer (Bunte) existierte nicht mehr, und 1884 schied Bunte ohne Bedauern aus der Technischen Hochschule, um sich ausschließlich der Gasindustrie zu widmen, deren maßgebende Autorität er damals bereits war. Als Generalsekretär und alleiniger Herausgeber der Zeitschrift des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner stand er an der Spitze der intensiven wissenschaftlich-technischen Entwicklung in der deutschen Gasindustrie. Im Zusammenhang mit der Schmierölthematik hatte C. Engler Bunte kennengelernt und wurde so beeindruckt, dass er später die Berufung Buntes auf den Lehrstuhl der technischen Chemie an der Technischen Hochschule Karlsruhe bewirkte.
Die Münchener Periode war entscheidend für den wissenschaftlichen Werdegang Buntes und seine größten wissenschaftlichen Errungenschaften, aber auch für sein privates Leben. Er heiratete die Tochter eines älteren Kollegen an der Technischen Hochschule, des Metallurgieprofessors K. Stölzel; hier wurden seine Kinder geboren. In Karlsruhe dagegen entfaltete sich Bunte als Hochschullehrer und Organisator und führte neue Gesichtspunkte in den Unterricht ein: Er hob die wirtschaftliche Seite der chemischen Technik hervor, zum ersten Mal gab er den Chemiestudenten Einblicke in die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Außerdem drängte Bunte auf die Ausbildung der Chemiker in maschinenbautechnischen Fächern, um ihre Zusammenarbeit mit fachfremden Spezialisten wirkungsvoller zu gestalten. Ein wichtiges Verdienst Buntes an der Technischen Hochschule war auch, dass er Arbeiten in der physikalischen Chemie und Elektrochemie in seinem Institut in Gang brachte; sein bedeutendster Mitarbeiter war hier F. Haber.
Wie schon seine Antrittsvorlesung zeigte, blieb Bunte dem Gasfach treu. Das äußerte sich nicht nur in den neu eingeführten Gegenständen (Gastechnik, Feuerungstechnik, Brennstoffe), sondern in seiner organisatorischen Tätigkeit. Bunte behielt für sich die Stellen des Generalsekretärs und des Herausgebers des Gasjournals – was eine Voraussetzung seines Übergangs aus München war – und bemühte sich zielstrebig, in seinem Institut das Gasfach zu entwickeln und zu fördern. Hier ist zuerst die seltene, ja vielleicht einzigartig enge Verbindung von Wissenschaft, Technik und Ausbildung der Fachleute charakteristisch. 1899 führte Bunte einen „Feriengaskursus“ für die Gasingenieure ein, um den Praktikern die neuesten wissenschaftlichen Fortschritte durch Vorträge und Übungen bekannt zu machen, bis 1918 hatte Bunte sechzehn solcher Kurse geleitet. Das durch Bunte für diesen Zweck 1903 verfasste Lehrbuch „Zum Gaskursus“ aktualisierte er bis 1921.
Viele seiner ehemaligen Schüler und Mitarbeiter bekamen von Bunte wertvolle Denkanstöße, die sich später als fruchtbar erwiesen. Ein bisher unbekanntes Beispiel solch wenig auffälliger Tätigkeit Buntes ist die wichtige Forschung von F. Haber (1906) über die vagabundierenden Ströme, die Gasleitungen beschädigten. Höhepunkt der fruchtbaren organisatorischen Tätigkeit Buntes und nur dank mehrjähriger zäher Bemühungen verwirklicht wurde die Begründung der Lehr- und Versuchsgasanstalt des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner bei der Technischen Hochschule Karlsruhe, später „Gasinstitut“ genannt, damals ein großes Ereignis für die ganze Gasindustrie Deutschlands. Durch Bunte wurde Karlsruhe zum Mittelpunkt der wissenschaftlich-technischen Forschung auf dem Gebiet der Gas-, Brennstoff- und Feuerungstechnik.
Obwohl dem Gasfach verschrieben, fand Bunte Zeit auch für andere Aktivitäten. Im Lehrjahr 1896/97 fungierte er als Rektor; im Wintersemester 1900/01 hielt er Vorträge über die „Gewinnung der Metalle“ im Verein Volksbildung Karlsruhe. Zusammen mit Engler trug er viel dazu bei, dass die Technischen Hochschulen den Universitäten gleichgestellt wurden und das Promotionsrecht bekamen. Zehn Jahre lang vertrat Bunte seine Technische Hochschule in der I. Kammer des Badischen Landtags. Immer zurückhaltend, wurde Bunte noch verschlossener nach dem frühen Tod der Tochter Elisabeth. Der verlorene Krieg war für ihn kaum erträglich. Er hatte aber das Glück, seine Arbeit an seinen Sohn weitergeben zu können. Bunte publizierte ca. 110 Aufsätze. Wie seine gesamte Tätigkeit entsprechen sie seinem Ziel wissenschaftlicher Durchdringung der Praxis. Die Erinnerung an Bunte, den Altmeister des Gasfachs und Pionier der wissenschaftlich begründeten chemischen Technik sowie der modernen Schulung der Chemieingenieure, prägt vor allem seine Leistung als Organisator der Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Technik.
Quellen: GLA Karlsruhe 235/1856, 466/6176; UA Karlsruhe 0/1/49; Kl. Erw. 14; UB Karlsruhe 93 A 5078, III A 873, IV A 418, IV A 7288, IV A 7311, IV A 8869, V A 6132; UA Heidelberg, Matrikel; Auskünfte des StadtA Wunsiedel, des UA Erlangen u. des A d. TU München.
Werke: Über äthylaldehydschwefligsaure Salze u. die Einwirkung des schwefligsauren Natrons auf Aethylidenchlor, Ann. d. Chem. Pharm 170, 1873, 305-330; Studien über die Reinigung des Leuchtgases, Journal für Gasbeleuchtung 20, 1877, 25-35; Einfache Gasbürette zur qualitativen u. quantitativen Untersuchung von Gasmengen, ebd., 447-450; Über die gasanalytische Bestimmung des Wasserstoffs, ebd. 21, 1878, 263-266; Versuche über die Leistungsfähigkeit d. Cokegeneratoren unter verschiedenen Zugverhältnissen, ebd. 355-358, 386-395, 421-437, 22, 1879, 110-124, 147-154, 274-287, 312-322, 346-355, 375-383; Bericht d. Heizversuchsstation München über die Versuche 1 bis 76: ausgeführt vom 13.1. bis 16.7.1879, 1879, (202 S.); Die Bedeutung d. Luftvorwärmung für die Gasfeuerung, Journal für Gasbeleuchtung, 1880, 23, 432-436; Die elektrische Beleuchtung auf d. Ausstellung in Paris, ebd. 24, 1881, 635-641, 676-686, 707-718; (mit N. H. Schilling) Die Münchener Generator-Öfen, ebd. 25, 1882, 727-732; Rückschau, ebd. 26, 1883, 431-434; Chemische Untersuchungen in Gasanstalten, ebd. 31, 1888, 858-868, 894-900; Zur Wertbestimmung d. Kohle, ebd. 34, 1891, 21-26, 41-47, 108-114 u. 35, 1892, 149 f.; Heizstoffe, in: Muspratt’s-Stohmahn’s Theoret., prakt. u. analyt. Chemie, Bd. IV, 1892, 250-323; Wissenschaftliche Forschung u. chemische Technik, Rektoratsrede Karlsruhe, 1896; Über die neuere Entwickelung d. Flammenbeleuchtung, Ber. d. Dt. Chem. Ges. 31, 1898, 5-25; Zum Gaskursus: Leitsätze aus dem chemisch-physikalischen Teil des Unterrichtes in Gas-Chemie u. Anleitung zu den praktischen Übungen beim Ferienkursus für Gasingenieure, 1903; Untersuchung von Gaskohlen durch die Lehr- und Versuchsanstalt des Vereins, Journal für Gasbeleuchtung 52, 1909, 725-730, 745-755; Fortschritte d. Gaserzeugung u. Gasverwendung, ebd. 54, 1911, 469-476; 1914 u. 1915, ebd. 58, 1915, 1 f.; Die wirtschaftliche Lage d. Gasindustrie vom chem. Punkte aus, ebd. 61, 1918, 397-402; (mit E. Terres) Über die Bildung von Eisenpentakarbonyl bei d. Verwendung von Steinkohlengas zur Beleuchtung von Eisenbahnwagen u. ihre Verhütung [= der Bildung von Eisenpentakarbonyl], Gas- u. Wasserfach 65, 1922, 145-147.
Nachweis: Bildnachweise: Gas- und Wasserfach 64, 1921, 1; Baden 2, Heft 4, 1950, 24; Flachrelief von A. Walter, 1926, im Inst. für Chem. Technik d. Univ. Karlsruhe (vgl. Lit.).

Literatur: Poggendorfs biogr.-literar. Handwörterb. Bd. III, 1898, 215, Bd. IV, 1904, 205 f., Bd. VI, 1. T., 1936, 369 f.; Bd. VIIa, Suppl., 1971, 126 (mit Bibliographie); A. Sander, H. Bunte zum 70. Geb., Chem. Ztg. 42, 1918, 621 f.; G. Keppeler, H. Bunte zum Gedächtnis, Zs. für angew. Chem. 38, 1925, 977-980 (mit Bild); P. Eitner, H. Bunte (1848-1925), Verhandl. des Naturwiss. Vereins in Karlsruhe 30, 1924/1926, XXVII-XXXVI (mit Bild); R. Jokisch, K. Bunte u. a., Geheimer Rat Professor Dr. Dr.-Ing. e.h. H. Bunte, Gas- u. Wasserfach 68, 1925, 603-606; C. Matschoß, H. Bunte, Zs. des Vereins dt. Ing. 69, 1925, 1442 f. (mit Bild); E. Terres, Zum 100. Geburtstag von H. Bunte, Festrede in Karlsruhe, 1950 (mit Bild); Joh. Körting, Geschichte des Gasinstituts, 1957; Joh. Körting, Geschichte d. dt. Gasindustrie, 1963 (mit Bild).
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