Wiener, Otto Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 15.06.1862;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 18.01.1927
Beruf/Funktion:
  • Physiker
Kurzbiografie: 1881 Reifeprüfung
1881-1887 Studium der Naturwissenschaften in Karlsruhe, Berlin und Straßburg
1887 Promotion an der Universität Straßburg: Über die Phasenänderung des Lichtes bei der Reflexion und Methoden zur Dickenbestimmung dünner Blättchen
1886-1890 Hilfsassistent und Assistent für Physik an der Universität Straßburg
1888 Mathematisch-naturwissenschaftliches Lehramtsexamen: Die Grundlagen der Mathematik bei Kant
1890 Habilitation für Physik in Straßburg: Stehende Lichtwellen und die Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes
1890-1891 Privatdozent an der Universität Straßburg
1891-1894 Privatdozent an der Technischen Hochschule Aachen
1894-1895 außerordentlicher Professor für Physik an der Technischen Hochschule Aachen
1895-1899 ordentlicher Prof. für Physik an der Universität Gießen
1899-1927 ordentlicher Prof. für Physik an der Universität Leipzig
1899 Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften Leipzig
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Caroline („Lina“) Ottilie, geb. Fenner (geb. 1857), Tochter des landgräflich-hessischen Geheimen Rats Georg Fenner in Homburg
Eltern: Vater: Ludwig Christian Wiener (1826-1896), Mathematiker, Physiker, Philosoph, Prof. für Deskriptive Geometrie in Karlsruhe
Mutter: Pauline, geb. Hausrath (1835-1865)
Kinder: 2 Töchter
GND-ID: GND/117362751

Biografie: Jürgen Schönbeck (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 320-322

Otto Wiener, Entdecker der stehenden Lichtwellen und der nach ihm benannten Wienerschen Interferenzen, wurde weltweit bekannt durch seine experimentellen Arbeiten zur Optik: sie lieferten einen wesentlichen Beitrag zur Vereinigung der zuvor voneinander unabhängigen Theorien von Licht und Elektrodynamik.
Schon früh zeigte sich Wieners Interesse für naturwissenschaftliche, mathematische und auch philosophische Fragen; bleibende Anregungen erhielt er von seinem Vater Christian Wiener, entscheidend wurden für ihn – nach Studienjahren in Karlsruhe (u. a. bei Hertz) und in Berlin – seine Studien bei den bedeutenden Experimentalphysikern Kundt und Kohlrausch in Straßburg.
Bereits seine Dissertation (1887) machte Wiener weiten Kreisen bekannt und ließ ihn zu einem Pionier in der Physik dünner Schichten werden. Bei der geplanten experimentellen Untersuchung der Absorption von Licht entwickelte er neue Methoden zur Dickenbestimmung sehr dünner Schichten, und er studierte die Phasenänderung des Lichtes bei der Reflexion an Metalloberflächen (Wienersche Interferenzen). Größeren Ruhm noch brachte seine Habilitationsschrift (1890): Seine Versuche über stehende Lichtwellen, die er als erster erzeugen konnte, entschieden die Streitfrage, ob Lichtschwingungen in der Polarisationsebene erfolgen oder nicht. Sie bewiesen, daß von den drei maßgeblichen elektromagnetischen Größen – elektrische Feldstärke, elektrische Verschiebung und magnetische Feldstärke – allein die elektrische Feldstärke für die Erregung von Lichtempfindungen verantwortlich ist, daß dagegen die magnetische Feldstärke keinen Einfluß etwa auf die Schwärzung einer photographischen Platte hat. Wieners Experimente vermittelten so die grundlegende Einsicht, daß der elektrische Vektor der Lichtvektor ist.
Mit diesen frühen und bahnbrechenden Arbeiten war Wieners zukünftiges Forschungsgebiet abgesteckt: Seine weiteren experimentellen Untersuchungen, etwa über Körperfarben oder über lamellare Doppelbrechung, galten überwiegend der Bedeutung und den Anwendungen jener ersten Ergebnisse (z. B. Lippmannsche Photographie in natürlichen Farben). Nur am Rande widmete er sich auch aerodynamischen und technischen Problemen. Äußerst erfolgreich war er ferner, neben seiner Tätigkeit als Forscher, beim Aufbau und bei der Organisation zweier physikalischer Institute, zunächst in Gießen und dann in Leipzig.
Weniger Erfolg und Anerkennung fand Wiener dagegen in seinen ausgedehnten philosophischen Untersuchungen, die darauf abzielten, ein einheitliches Grundgesetz der Natur zu formulieren. Bereits seine Habilitationsschrift über „Stehende Lichtwellen ...“ hatte in theoretischem Zusammenhang mit der Frage nach den grundlegenden Eigenschaften eines vielleicht existierenden Äthers gestanden. Später hoffte Wiener, eine Theorie eines Strömungsäthers entwickeln zu können, in der alle physikalischen Phänomene, auch Elektronen und Protonen, ihre Erklärung in Form von Bewegungsvorgängen finden sollten. Dies war Wieners anderes großes Arbeitsgebiet, dem er vor allem in späteren Jahren seine ganze Kraft widmete. Er hielt damit an der von seinem Vater Christian Wiener gelehrten „Wirklichkeit der Außenwelt“ fest, stand aber in Gegensatz zu neueren physikalischen Ergebnissen und Theorien, die – wie die Ausdehnung des klassischen Relativitätsprinzips auf die Optik – notwendig zur Aufgabe von Äthervorstellungen geführt hatten. Wiener hat seine größte wissenschaftliche Anerkennung – ähnlich wie sein Bruder Hermann – für seine frühen Arbeiten erfahren.
Werke: (Auswahl) Über d. Phasenänderung d. Lichtes bei d. Reflexion u. Methoden zur Dickenbestimmung dünner Blättchen, in: Ann. Phys. 31, 1887 (Diss.); Stehende Lichtwellen u. d. Schwingungsrichtung polarisierten Lichtes, in: Ebd. 40, 1890 (Hab.-Schrift); Darstellung gekrümmter Lichtstrahlen u. Verwerthung derselben zur Untersuchung von Diffusion u. Wärmeleitung, in: Ebd. 49, 1893; Farbenphotographie durch Körperfarben u. mechanische Farbenanpassung in der Natur, in: Ebd. 55, 1895; Lamellare Doppelbrechung, in: Phys. Zs. 5, 1904; Kultur d. Gegenwart, Band Physik, Leipzig u. Berlin 1915; Physik u. Kulturentwicklung durch techn. u. wiss. Erweiterung d. menschlichen Naturanlagen, Leipzig 1919, 1920 2. Aufl.; Das Grundgesetz d. Natur u. d. Erhaltung d. absoluten Geschwindigkeiten im Äther, in: Abhandlungen der math.-phys. Kl. d. Sächs. Ak. d. Wiss., Bd. 38, 1927, 1-87.
Bibliographien in: Poggendorff IV, 1904, 1635; Ber. Sächs. Akd. d. Wiss. Leipzig 79, 1927, 119-123; R. Kukula, Bibliogr. Jb. d. dt. Hochschulen 1892, 1010.
Nachweis: Bildnachweise: Foto, in: Zs. f. techn. Physik 8, 1927; Ber. Sächs. Ak. d. Wiss. Leipzig 79, 1927; Bronzeplakette, in: Phys. Zs. 29, 1928.

Literatur: W. Möbius, O. Wiener gestorben, in: Zs. f. techn. Physik 8, 1927, 129-131; L. Weikmann, Nachruf auf O. Wiener, in: Ber. Sächs. Ak. d. Wiss. Leipzig 79, 1927, 107-118; K. Lichtenecker, O. Wiener, in Phys. Zs. 29, 1928, 73-78; F. Fraunberger, Wiener O., in: Gillispie, Ch. C. (Hg.), Dictionary of Scientific Biography 14, 1976, 347-349.
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