Völter, Hans Johannes Stephanus Benedikt 

Andere Namensformen:
  • Hans Voelter
Geburtsdatum/-ort: 02.08.1877;  Neckargröningen
Sterbedatum/-ort: 17.11.1972;  Heilbronn-Sontheim
Beruf/Funktion:
  • Pfarrer, Begründer des „Bietigheimer Tags“
Kurzbiografie: 1891-1900 Besuch der Seminare Maulbronn und Blaubeuren bis 1895, dann Studium der evangelischen Theologie in Tübingen als Stiftler
1895-1896 Einjährig Freiwilliger in Tübingen, Infanterie-Regiment 125
1900-1902 I. Dienstprüfung, ab 1901 Vikar, dann Pfarrverweser in Wain bei Biberach an der Riß
1902-1903 Stadtvikar, dann Stadtpfarrverweser in Heilbronn
1903-1904 Studienreise nach Böhmen, Polen, Ostelbien, Ostseeküste, Berlin, Hamburg, Rheinlande, England, Frankreich
1904-1908 Pfarrverweser in Schwenningen, ab 1905 in Talheim bei Heilbronn, 1906 in Horkheim bei Heilbronn, II. Dienstprüfung, dann in Großheppach bei Waiblingen, ab 1907 Stadtvikar in Esslingen
1908-1917 Pfarrer in Baiereck-Schlichten bei Schorndorf
1917-1923 2. Stadtpfarrer, ab 1920 1. Stadtpfarrer in Bietigheim
1919-1924 Mitglied der Landeskirchenversammlung (Besigheim-Brackenheim)
1921-1929 Vorsitzender des württembergischen Landesverbandes Evangelischer Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine; Geschäftsführer der Württembergischen Evangelisch-sozialen Vereinigung
1921 Begründer des Bietigheimer Tages (Gespräche der evangelischen Kirche mit der SPD)
1923-1939 1. Stadtpfarrer in Heilbronn (Friedenskirche)
1925-1931 Mitglied des 1. Landeskirchentages (Heilbronn)
1931-1932 Mitglied des 2. Landeskirchentages (Heilbronn)
1939-1947 Dekan in Brackenheim
1957 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1909 (Vaihingen/Enz) Emma Elisabeth, geb. Fink (1884-1975)
Eltern: Vater: Erhard Immanuel (1836-1923), Pfarrer
Mutter: Lydia, geb. Reber (1838-1917)
Geschwister: 5:
Hans Ulrich Michael (1910-1944), Koloniallandwirt
Elisabeth (geb. 1912), verheiratete Wulle, Diakonieschwester
Ursula Lydia (geb. 1912), verheiratete Karpf, Gemeindehelferin
Hedwig Mina Lene (geb. 1916), verheiratete Ziemssen, Wirtschaftsleiterin
Fanny Hildegard (geb. 1925), verheiratete Teichgräber, Organistin und Chorleiterin
GND-ID: GND/117449466

Biografie: Hermann Ehmer (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 381-383

Aus einer württembergischen Lehrer- und Pfarrerfamilie stammend, ist Völter in den Pfarrhäusern Neckargröningen und Großingersheim aufgewachsen. Im Seminar Maulbronn war Völter für kurze Zeit Mitschüler von Hermann Hesse, die Freundschaft hielt ein Leben lang. Als Tübinger Student gehörte Völter, wie auch der spätere Landesbischof Wurm, der Verbindung „Luginsland“ an. Mit angeregt von Freunden aus diesem Tübinger Kreis hat sich Völter zeitlebens mit dem Marxismus, dem Sozialismus und den Problemen der unteren Klassen auseinandergesetzt. Der Berliner Hofprediger Adolf Stoecker hatte 1890 den Evangelisch-Sozialen Kongress gegründet, an dem auch Friedrich Naumann beteiligt war. Bei dem 1896 in Stuttgart abgehaltenen Evangelisch-Sozialen Kongress kam es jedoch zur Spaltung zwischen Stoecker und Naumann, die als Trennung der jüngeren von der älteren Generation verstanden wurde. Die Naumannsche Richtung, unterstützt von Adolf von Harnack und Max Weber, begann auf einer Tagung in Heilbronn 1909 das Gespräch mit der SPD. Eine „Württembergische Evangelisch-Soziale Vereinigung“ wurde gegründet, an der auch Theodor Heuss beteiligt war, und deren Geschäftsführung Völter übernahm. Eng verbunden mit dem Kongress waren die evangelischen Arbeitervereine, die in Württemberg 1891 von Theodor Traub, Pfarrer in Schramberg, gegründet worden waren und deren Leitung Völter 1921 übernahm.
Als Pfarrer ließ sich Völter besonders die soziale Hebung seiner Gemeinden angelegen sein, indem er sich in der Jugendhilfe, der Armenfürsorge, der ländlichen Wohlfahrtspflege, aber auch im Heimatschutz engagierte. Überdies setzte er sich für die Ziele des Evangelischen Bundes ein, ferner befasste er sich mit der Philosophie Schleiermachers.
Als die Revolution von 1918 die Frage Christentum und Sozialismus neu stellte, begründete Völter 1921 den „Bietigheimer Tag“ als Gesprächsforum. Unterstützt wurde er dabei von den Prälaten Heinrich Planck und Jakob Schoell, ebenso von Staatspräsident Johannes Hieber, dem Evangelischen Volksbund und den württembergischen Evangelischen Arbeitervereinen. Damit wurden Ansätze, die Völter schon in der Vorkriegszeit zu einem Gespräch zwischen Kirche und Sozialdemokratie gemacht hatte, institutionalisiert. Auf jährlichen Tagungen wurden soziale Fragen behandelt. Den Höhepunkt stellte die Tagung von 1929 dar, von da an stand der „Bietigheimer Tag“ im Schatten der Wirtschaftskrise und der politischen Auseinandersetzung. Nach der „Machtergreifung“ Hitlers 1933 und dem Verbot der Arbeitervereine waren Veranstaltungen wie der „Bietigheimer Tag“ unmöglich geworden. Aufgrund seiner positiven Einstellung gegenüber der Sozialdemokratie wurde es nach 1933 schwierig, Völter auf eine ihm längst zustehende Dekansstelle zu versetzen. Erst 1939 konnte ihm das Dekanat Brackenheim übertragen werden, das er bis zu seiner Zurruhesetzung versah.
Ein Neuanfang mit dem „Bietigheimer Tag“ konnte erst 1948 gemacht werden. In dieser Phase konnte Völter jedoch nur noch in geringem Maße aktiv teilnehmen. Die Initiativen, die er vor 1933 im Hinblick auf das Gespräch zwischen der evangelischen Kirche und der Arbeiterschaft entwickelt hatte, gingen nach 1945 vor allem in die Arbeit der von Eberhard Müller gegründeten Evangelischen Akademie Bad Boll ein. Ebenso führte sein Wirken nach dem II. Weltkrieg zur weiteren Akzeptanz der Sozialdemokratie in Kreisen der evangelischen Kirche. Völter blieb im Ruhestand weiterhin publizistisch tätig. Innerhalb der württembergischen Landeskirche wirkte er in der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und im Gustav-Adolf-Verein mit.
Quellen: StadtA Metzingen FamilienA V, darin: N 2/21 H. Völter (1877-1972) Fasz. 1-161, vgl. Findbuch FamilienA Völter N 2 1645-1998, bearb. v. Rolf Bidlingmaier, 1998; LkAS Personalakte u. D 12 Sammlung Völter zum Bietigheimer Tag.
Werke: Schwäb. Heimatgabe für Theodor Haering zum 70. Geburtstag, 1918; Schleiermacher u. die Gegenwart. Fünf Vorträge, 1919; Deutscher Glaube. Worte Schleiermachers an das deutsche Volk. Eine Gabe des dt. Südens an den Norden, [1920]; Wenn Du könntest glauben! 1933; Ernstes u. Heiteres aus dem Leben des Schulmeisters Christof Erhard Michael Völter in Metzingen, 1939; Friedrich Naumann u. d. dt. Sozialismus, 1950; Kirche in d. Demokratie, Demokratie in d. Kirche, [1958]; Die ev.-soziale Bewegung u. d. Bietigheimer Tag. Der ev.-soziale Kongress u. die württ. ev.-soziale Bewegung, in: BWKG 59, 1959, 3-91; Lebensgefühl u. Lebensschicksal d. alten Generation. Erinnerungen an die Jahrhundertwende, ebd. 171-187; Die Revolution von 1918 u. ihre Auswirkung auf die württ. ev. Landeskirche, ebd. 62, 1962, 309-342; Alt-Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss. 1884-1963, 1963; Demokratie, Marxismus, Sozialismus u. ev. Kirche seit 1848. Theodor Heuss zum Gedächtnis, 1968.
Nachweis: Bildnachweise: Zs. des Zabergäuvereins, 1991, 70.

Literatur: 50 Jahre Bietigheimer Tag, hg. von d. Stadtverwaltung Bietigheim, 1971; Irmhild Günther, H. Völter – Dekan in Brackenheim, Begründer des Bietigheimer Tages, in: Zs. des Zabergäuvereins 1991, 65-71 (mit Bild); Hermann Ehmer, Hansjörg Kammerer, Biogr. Handb. d. Württ. Landessynode (Landeskirchentag) mit Landeskirchenversammlung u. Beirat d. Kirchenleitung 1869 bis zur Gegenwart, 2005, 363.
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