Speer, Julius 

Geburtsdatum/-ort: 03.12.1905;  Talheim, Landkreis Tübingen
Sterbedatum/-ort: 08.06.1984; Miesbach/Oberbayern
Beruf/Funktion:
  • Forstwissenschaftler, Wissenschaftsorganisator
Kurzbiografie: 1924 Abitur am Eberhard-Ludwig-Gymnasium Stuttgart
1924-1928 Studium der Forstwissenschaft in Tübingen, Freiburg/Br. und München
1929 Promotion bei Prof. Dr. Heinrich Weber, Universität Freiburg/Br.
1930 Staatsexamen für den höheren Forstdienst in Württemberg
1930-1934 Württembergischer Staatsforstdienst
1934-1952 Hochschullehrer Universität Freiburg
1939-1945 Kriegsteilnehmer, zunächst als Leutnant der Reserve in der 5. Jägerdivision, Teilnahme am Frankreichfeldzug, später im Wehrmachtsführungsstab, zuletzt als Hauptmann der Reserve
1952-1964 Hochschullehrer Universität München
1953-1965 Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates
1960-1963 Rektor der Universität München
1961-1967 Präsident des Internationalen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten
1962-1964 Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz
1964-1974 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und bis 1973 Vizepräsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung
1965-1974 Mitglied des Wissenschaftsrates
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. ca. 1937 Freiburg i. Br., Elisabeth, geb. Fandrey, verw. Kuhn, gesch. 1954
2. 1954 Bayrisch Zell, Annemarie, geb. Neizert
Eltern: Julius Speer (1878-1945), Pfarrer
Gertrud, geb. Pleibel (1881-1968)
Geschwister: Walter, Martin, Ingeburg
Kinder: keine
GND-ID: GND/117482501

Biografie: Max Scheifele (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 434-436

Am Fuße der Rauhen Alb geboren, entstammt Speer, wie so manche bedeutende schwäbische Persönlichkeit, einem evangelischen Pfarrhaus. Nach Besuch der Volksschule und des Progymnasiums in Korntal bei Stuttgart und des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart legte er 1924 die Reifeprüfung ab. Trotz starker Neigung zur Jurisprudenz wendet er sich der Forstwissenschaft zu, die er in Tübingen, Freiburg/Br. und München studiert. Seine Ausbildung schließt er 1928 mit dem Diplom und 1930 mit dem Staatsexamen für den höheren Forstdienst in Württemberg ab. Noch als Forstreferendar promoviert er 1929 mit einer geschichtlichen Arbeit über den Waldbesitz der Realgemeinden Württembergs zum Dr. phil. nat. an der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Universität Freiburg. Danach tritt er in die württembergische Staatsforstverwaltung ein, wo er im Holzverkauf und in der Forsteinrichtungsanstalt tätig ist.
Nach dem Tode des Freiburger Forstpolitikers Heinrich Weber wird der 29jährige Speer, für ihn völlig unerwartet, 1934 als Lehrbeauftragter für Forstpolitik und Forstgeschichte berufen. Zum außerordentlichen Professor 1935 und, nicht habilitiert, zum ordentlichen Professor 1942 ernannt, wirkt er, unterbrochen durch 6 Kriegsjahre, hier als Hochschullehrer bis 1952. Seine durch das Elternhaus geprägte Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus ist kompromißlose Ablehnung. So hat er sich wissenschaftlich kritisch besonders mit der Holzmarktordnung des 3. Reiches auseinandergesetzt, die seiner Auffassung von Marktwirtschaft widersprach. Nach dem Zusammenbruch ermöglicht er, selbstlos und persönliche Risiken nicht scheuend, vielen Kriegsheimkehrern die Aufnahme des Studiums, was in der französischen Besatzungszone besonders schwierig war. In den Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit um die Liberalisierung der Holzmärkte und gegen die Einbindung der Forstwirtschaft in die Römischen Verträge der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wird Speer vom Lehrer und Forscher zum politisch Handelnden. Mutig und leidenschaftlich kämpft er um die Belange des Waldes und der Forstwirtschaft. Als in den Bundesländern Forstgesetze zu schaffen und die Forstorganisation neu zu ordnen sind, nimmt er hierzu kritisch Stellung. Zahlreiche, ernst und eindringlich gehaltene Aufsätze und Vorträge sind die Frucht dieser Jahre.
Speer wird 1952 auf den traditionsreichen Münchner Lehrstuhl für Forstpolitik und forstliche Betriebswirtschaftslehre berufen. Seine jährlichen Analysen der deutschen Forst- und Holzwirtschaft sowie Veröffentlichungen über forstliche Kostenrechnung und Besteuerung haben Gewicht. Als Mitglied des Bewertungsbeirats des Bundesfinanzministeriums wird er Mitgestalter des forstlichen Steuerrechtes.
Mit dem Wechsel nach München beginnt ein neuer Abschnitt seines beruflichen Lebensweges, der ihn in die Spitzengremien der Forstwirtschaft wie der Wissenschaft führt. Bereits 1953 wird er zum Präsidenten des Deutschen Forstwirtschaftsrates, der obersten Vertretung der deutschen Forstwirtschaft, gewählt. Den Schwerpunkt seiner 12jährigen Präsidentschaft bilden die forstwirtschaftliche Produktionssteigerung und der Wiederaufbau des durch Kriegs- und Nachkriegszeit stark beanspruchten Waldes. Im Internationalen Verband Forstlicher Forschungsanstalten wird er, zuvor Obman der forstökonomischen Sektion (1953-1961), für 1961-1967 zum Präsidenten gewählt. In internationalen Gremien, wo man damals deutschen Vertretern gegenüber noch manche Vorbehalte zeigte, hat Speer maßgeblich dazu beigetragen, der deutschen Forstwissenschaft wieder zu früherem Ansehen zu verhelfen. Als Rektor leitet er 1960-1963 unter schwierigen Umständen die Universität München, wobei seine zweimalige Wiederwahl außergewöhnlich ist, eine Anerkennung der von ihm eingeleiteten Reformen. Als Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz (1962-1964) ist er auf Bundesebene bildungspolitisch tätig.
Speer wird 1964 zum Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der wichtigsten zentralen deutschen Einrichtung zur Forschungsförderung, gewählt, 1965 in den Wissenschaftsrat berufen und dann auch Vizepräsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Seiner Aktivität gelingt es, die Forschungsförderung erheblich zu erweitern, Sonderforschungsbereiche werden geschaffen und die Mitarbeit an internationalen Programmen verstärkt. Zweifellos bildet diese Zeit den Höhepunkt seines beruflichen Wirkens. Die zweimalige Wiederwahl bestätigt das große Vertrauen, das ihm die deutsche Wissenschaft entgegenbrachte.
Wissenschaftliche und andere Ehrungen werden ihm zuteil. Die Finnische Forstwissenschaftliche Gesellschaft, die Society of American Foresters und die Schwedische Akademie der Land- und Forstwissenschaft ernennen ihn zum Ehrenmitglied bzw. Mitglied. Die Syracuse University im Staate New York verleiht ihm 1965 den Ehrendoktor der Rechte. Er erhält 1973 den Orden der „Palmes Académiques“ der Republik Frankreich, 1967 das Große Verdienstkreuz und 1973 das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Von seinen Amtspflichten entbunden läßt sich Speer 1974 am Schliersee nieder, in seiner oberbayrischen Wahlheimat, die der Schwabe so liebte.
Speer war kein Theoretiker, sondern ein Mann der Tat, der die sich ihm stellenden Probleme mit analytischer Schärfe und pragmatischem Verstand anging. Einmal für richtig erkannte Ziele verfolgte er mutig und zäh, notfalls auch mit kämpferischer Leidenschaft, wie es seiner soldatischen Grundhaltung entsprach. Er schätzte die klare, unmißverständliche Sprache, bestach durch rhetorische Brillanz, hatte den Mut zu eigenem Standpunkt und deutlicher Kritik, ohne übertriebenen Respekt vor „Fürstenthronen“. Verbunden war dies mit persönlicher Bescheidenheit und überzeugender Lauterkeit der Gesinnung, mit natürlichem Charme und gewinnender Liebenswürdigkeit. Ganz allgemein und über Grenzen hinweg genoß er Respekt und Wertschätzung. Als außergewöhnliche Persönlichkeit, deren Ausstrahlung man sich kaum entziehen konnte, zählt Speer zu den Großen der deutschen Forstwirtschaft, der, weit über seinen ursprünglichen beruflichen Aufgabenkreis hinaus, ungewöhnlich breit und erfolgreich gewirkt hat.
Quellen: Archiv der Bayrischen Akademie der Wissenschaften, Nachlaß Prof. Dr. Julius Speer
Werke: Der Waldbesitz der Realgemeinden Württembergs. Ein Beitrag zu seiner Geschichte. Diss. Freiburg 1930; Der badische Bauernwald und seine Betreuung. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 1937, 266- 273; Der Rohstoff Holz in der deutschen Wirtschaft. Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik. 1937/Bd. 145, 566-586; Die Forstberechtigungen und die heutige deutsche Forstwirtschaft. Deutscher Forstverein, Jahresbericht 1937; Gebundener Holzpreis und forstlicher Betrieb, in: Forstliche Hochschulwoche Freiburg i. Br. 1938, 1939, 12-16; Die Beziehungen zwischen Forstwirtschaft und Sägeindustrie in Baden. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 1939, 257-268; Sorgen der Forstwirtschaft, Die Gegenwart 1946, 35-38; Die Lage des deutschen Waldes. Allgemeine Forstzeitung 1947, 9-12; Selbständigkeit der Forstwirtschaft, eine Notwendigkeit und eine Aufgabe. Festschrift Andreas Hermes, 1948; Das Prinzip der Selbstverwaltung in der badischen Gemeindewaldwirtschaft. Allgemeine Forstzeitung 1949, 45-48; Der Waldbesitzer in der sozialen Marktwirtschaft. Holz-Zentralblatt 1949, 1009-1010, 1025, 1029; Rückkehr zur Nachhaltigkeit – eine Frage der Wirtschaftsordnung. Forstwissenschaftliches Centralblatt 1949, 529-535; Die Beziehungen der Forstwirtschaft zum Bund und zu den Ländern. Allgemeine Forstzeitung 1952, 417-421; Probleme der Forstverwaltungsorganisation im Südweststaat. Der Forstmann in Baden-Württemberg 1952, 2-7; Forstwirtschaftliche Produktionssteigerung. Schriften des Deutschen Forstwirtschaftsrates 1953; Probleme der Gewinnermittlung in forstwirtschaftlichen Betrieben für Zwecke der Einkommensteuer. Allg. Forst- und Jagdzeitung 1954, 120-126; Die Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb der Unterstufe der Forstämter der Bayerischen Staatsforstverwaltung. Forstwissenschaftliches Centralblatt 1957, 65-128; Der Holzmarkt im Zeitalter der Großindustrie. Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 1958 Bd. 170, 154-193; Um die Forstwirtschaft in der EWG. Allgemeine Forstzeitung 1959, 506-507; Der Wald im gemeinsamen Markt. FAZ. 1960 Nr. 102, 13; Wald und Forstwirtschaft in der Industriegesellschaft. Münchener Universitätsreden. Neue Folge 1960 H. 29; Die Lage der forstlichen Forschung in internationaler Sicht. Allgemeine Forstzeitung 1962, 737-743; Wald und Forstwirtschaft, in: Baden-Württemberg. Staat, Wirtschaft, Kultur. Hg. von Theodor Pfizer, 1963, 255-265; Der methodische Fortschritt der Wissenschaft und die daraus resultierenden Anforderungen an die forstwissenschaftliche Forschung in unserer Zeit. Forstwissenschaftliches Centralblatt 1967, 1-68; Das Verhältnis der Forstwirtschaft zur Technik des Industriezeitalters. Allgemeine Forstzeitung 1970, 579-581; Aufgaben und Bedeutung der Körperschaftsforstdirektionen heute. Allgemeine Forstzeitung 1976, 636
Nachweis: Bildnachweise: Foto im Jahrbuch der Bayrischen Akademie der Wissenschaften 1984/241 und im Forstwissenschaftlichen Centralblatt 1976/3

Literatur: Werner Kroth, Julius Speer zum 70. Geburtstag, in: Forstwissenschaftliches Centralblatt 1976, 3-12; Karl Hasel, Julius Speer zum 75 Geburtstag, in: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 151 (1980), 240; ders., Julius Speer zum Gedenken, in: Der Forst- und Holzwirt 39 (1984), 365 f.; W. Kroth und R. Plochmann, Julius Speer als Wissenschaftler und Forstpolitiker, in: Holz-Zentralblatt 1985, 237-238
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