Villinger, Bernhard 

Geburtsdatum/-ort: 13.12.1889;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 12.02.1967;  Freiburg, beigesetzt in Lenzkirch
Beruf/Funktion:
  • Arzt, Arktisforscher, Skisportler, Bergsteiger
Kurzbiografie: 1895-1908 Schulzeit in Mannheim und Rastatt
1908 Abitur am humanistischen Gymnasium Mannheim
1908-1909 Militärdienst in München als Einjährig-Freiwilliger beim bayerischen 2. Infanterie-Regiment Kronprinz, währenddessen Aufnahme des Medizinstudiums
1910-1914 Studium der Medizin in Freiburg
1913 vertrat Deutschland bei internationalen Skimeisterschaften am Holmenkollen
1913 Arktisexpedition „zur Aufsuchung der verunglückten Schröder-Stranz-Leute“
1914 ab August Feldunterarzt, Assistenzarzt, Oberarzt im Feldlazarett 2 des XIV. AK
1915 ab Juni beim Infanterie-Regiment 112, 470, 363
1915/16 beurlaubt zur Vorbereitung auf die Staatsprüfung (Januar 1916)
1918 November Entlassung als Oberarzt der Reserve aus dem Heeresdienst
1919 Promotion zum Dr. med. in Freiburg bei Prof. Dr. Karl Neoggerath
1919-1921 praktischer Arzt in Schramberg
1921-1923 Teilhaber der Berg- und Sportfilmgesellschaft
1926 Arktisexpedition im Auftrag der UFA für „Milak, der Grönlandjäger“
1927-1932 Mitglied des Forschungsrats der Aeroarktik
1929 Kongreß in Leningrad besucht (Physik, Meteorologie)
1931 Teilnahme an einer U-Boot-Expedition in die Arktis mit Wilkins/Sverdrup
ab 1933 niedergelassener Arzt in Freiburg
1944/45 Arzt beim Volkssturm im Elsaß
1956-1963 Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg
1959 Großes Bundesverdienstkreuz
1965 Paracelsusmedaille
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1918 Freudenstadt, Martha, geb. Haerle (1895-1981), Arzttochter aus Schramberg
Eltern: Adolf Villinger (1854-1915), Kaufmann
Wilhelmine, geb. Rogg (1859-1940), Bierbrauerstochter aus Lenzkirch
Geschwister: 4
Kinder: 2 Töchter
GND-ID: GND/117702730

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 465-466

Es sei ein Genuß gewesen, mit Villinger umzugehen. Eine heitere Grundstimmung und der Mut, seine knabenhafte Abenteuerlust in die Praxis umzusetzen, schafften ihm viele Freunde und Bewunderer. Als Student gehörte er zu den frühen Aktiven des Akademischen Skiclubs Freiburg aus Freude an sportlichen Experimenten und aus einer Oppositionshaltung gegen schlagende Verbindungen heraus. Als im Frühjahr 1912 bekannt wurde, daß Roal Ammundsen 1911 als erster Mensch den Südpol erreicht hatte, faßte Villinger den Entschluß, so bald wie möglich an einer Expedition ins Polargebiet teilzunehmen. Die Gelegenheit kam, als 1913 der Frankfurter Forscher Lerner eine Hilfsexpedition zur Rettung in Spitzbergen verschollener Deutscher plante. Obwohl die Begleitumstände nicht vertrauenerweckend waren – Lerner war im Kreis der Forscher Außenseiter –, wagte Villinger das Abenteuer, begleitet von drei weiteren Freiburgern: Biehler, Graetz und Allgeier. Villinger war damals 24 Jahre alt. Die Eltern, die in Mannheim als Nachfahren von Lenzkircher Uhren- und Glasträgern ein angesehenes Haushaltwarengeschäft betrieben, waren sich vermutlich im klaren darüber, daß der Sohn sein Leben riskierte. Die zum Teil dilettantisch vorbereitete Expedition, die wie durch ein Wunder und dank der robusten physischen Kondition der Teilnehmer gut ausging, ist bei Villinger und Allgeier ausführlich beschrieben.
Der Erste Weltkrieg unterbrach jeden Gedanken an Expeditionen. Villinger war vier Jahre lang Kriegsteilnehmer an der Westfront. Nach dem Krieg habe er sich „Extravaganzen“ erst einmal aus dem Kopf schlagen müssen. Er verheiratete sich mit der Tochter eines Schramberger Arztes und promovierte in Freiburg zum Doktor der Medizin. Dabei konnte er wieder Kontakt aufnehmen zu seinem Freundeskreis aus dem Akademischen Skiclub, der am Feldberg eine Hütte unterhielt. 1920 gründete er mit Tauern, Fanck und Bauer die Berg- und Sportfilmgesellschaft, die erfolgreiche Skifilme drehte: „Wunder des Schneeschuhs“ und „Fuchsjagd im Engadin“. Bei den anstrengenden und riskanten Aufnahmen im Hochgebirge war Villinger als erfahrener Alpinist und dank seiner großen Körperkräfte oft der Retter, wenn jemand ins Seil stürzte. Die Inflation 1923 beendete diese fröhlichen und schöpferischen Aktivitäten. Arnold Fanck überführte das Begonnene in die Professionalität und arbeitete als UFA-Regisseur in Berlin weiter am Natur- und Bergfilm. Villinger blieb dem Bergsport treu, wirkte in Filmen mit und hielt Vorträge über seine Touren und Expeditionen. 1926 schickte ihn die UFA nach Spitzbergen und Grönland, um die Außenaufnahmen für „Milak, der Grönlandjäger“ zu machen. Zu seinem Team gehörten unter anderen Harry Bellinghausen, der Bruder von May Bellinghausen und als Kameramann wieder Sepp Allgeier.
Trotz der Verquickung mit dem Filmgeschäft gelang es Villinger, sich auch in wissenschaftlichen Kreisen einen Namen zu machen. 1927 wurde er in den Forschungsrat der Aeroarktik berufen, ein internationales Gremium: ein Jahr, nachdem Nobile zum ersten Mal den Nordpol in einem Luftschiff überflogen hatte. 1929 reiste Villinger zu einem Meteorologenkongreß nach Leningrad. 1931 nahm er an einer U-Boot-Expedition teil, die viel Aufsehen erregte, infolge technischer Probleme jedoch nur teilweise erfolgreich war. Initiator war der Australier Wilkins, wissenschaftlicher Leiter der Norweger Sverdrup. Villingers Aufgabe waren physikalische Schweremessungen. Nur allmählich bemerkte Villinger, daß es nach 1933 schwierig und bald unmöglich wurde, sich mit Selbstverständlichkeit auf internationalem Parkett zu bewegen. Nach langer Pause ließ er sich in Freiburg als praktischer Arzt nieder. Da der Aufbau einer Praxis damals schwierig war, bemühte er sich um die Tätigkeit als untersuchender Arzt bei der Einstellung der zum allgemeinen Arbeitsdienst eingezogenen jungen Männer. In diesem Zusammenhang trat er in die NSDAP ein. Daß er von der Wehrmacht nicht zur Teilnahme am Norwegenfeldzug aufgefordert wurde, empfand der zu Kriegsbeginn 50jährige als Enttäuschung. 1944 wurde er als Arzt zum Volkssturm einberufen.
Nach der Entnazifizierung nahm er seine Praxis wieder auf, wo er sich bald auf die Mitarbeit seiner Töchter stützen konnte. Er engagierte sich in der Landesärztekammer für eine Alterssicherung seiner Standeskollegen. Ende der 50er Jahre machte sich ein Darmleiden bemerkbar, welches Mitte der 60er Jahre zu Darmkrebs führte.
Quellen: Stadtarchiv Freiburg: Schriftwechsel BGV, allgemeine Korrespondenz. Mündliche Auskünfte: Dr. Helga Villinger, Tochter von Villinger, und Dr. Max Mühlhäusler, Ehrenvorsitzender des Akademischen Skiclubs Freiburg. Erinnerungsstücke aus dem Nachlaß Villinger im Skimuseum Schwarzwald im Hugenhof in Hinterzarten
Werke: Beitrag zur Kasuistik des Scharlachs im frühen Säuglingsalter an Hand eines Scharlachfalles bei einem 3 1/2 Monate alten Kinde. Diss. med. Freiburg 1919; [Selbstdarstellung], in: Meister des Schneeschuh’s, hg. von Bernhard Villinger, Heilbronn 1928, 73-90; Die Arktis ruft! Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland. Band 2 der Reihe: Fremdland – Fremdvolk, 1929
Nachweis: Bildnachweise: bei der Familie und im Skimuseum Schwarzwald, Hinterzarten

Literatur: Klaus W. Hosemann, Dr. Bernhard Villinger, in: Freiburger Almanach 1991; Hellmuth Müller-Clemm, 70 Jahre ASCF. ASC-Hütte und die Geburt der Berg- und Skifilme, Freiburg 1973
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