Freudenberg, Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 24.06.1884;  Weinheim/Bergstraße
Sterbedatum/-ort: 07.06.1968; Basel
Beruf/Funktion:
  • Pädiater
Kurzbiografie: 1898 Fortsetzung der humanistischen Schulausbildung im Lessing-Gymnasium in Frankfurt a. M.
1902 Abitur, danach einjähriger Militärdienst bei der Artillerie (Karlsruhe)
1903 Studium der Philosophie und Psychologie in Leipzig seit
1904 Studium der Medizin in München
1910 Promotion zum Dr. med. bei Jussuf Ibrahim (1877-1953) in München
1910/11 Medizinalpraktikant an der Münchner Kinderpoliklinik
1912-1913 Biochemische Studien im Laboratorium von Franz Hofmeister (1850-1922) und dessen Schüler Karl Spiro (1867-1932) in Straßburg
1913-1917 Oberarzt an der Heidelberger Kinderklinik bei Ernst Moro (1874-1951)
1914 Einberufung als Sanitätsoffizier; Teilnahme am ersten Weltkrieg in Frankreich
1917 Habilitation bei Ernst Moro in Heidelberg (während eines Fronturlaubs)
1918/19 Verwundung und Gefangenschaft
1919-1922 Fortsetzung der Tätigkeit als Oberarzt an der Heidelberger Kinderklinik
1922-1937 ordentlicher Prof. für Pädiatrie in Marburg, Bau der Marburger Kinderklinik (Einweihung 1927)
1932 Otto Heubner-Preis (für die Monographie „Physiologie und Pathologie der Verdauung im Säuglingsalter“)
1933 Mitglied der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher in Halle
1937 Zwangsemeritierung
1938 Berufung auf den Lehrstuhl für Kinderheilkunde in Basel als Nachfolger von Emil Wieland (1867-1947)
1954 Emeritierung und Übergabe der Leitung des Basler Kinderspitals an Adolf Hottinger
Weitere Angaben zur Person: Religion: reform.
Verheiratet: 1910 Ida, geb. Siegheim (1887-1951), Sekretärin, Tochter des oberschlesischen Gutsbesitzers und Bürgermeisters von Georgenberg bei Tarnowitz, Eugen Siegheim (1840-1910), und dessen Frau Bertha Berliner (Lehrerin). Die Siegheims waren strenggläubige Juden, Ida war die älteste von sechs Kindern.
Eltern: Vater: Dr. h. c. Friedrich Carl Freudenberg (1848-1942) Lederfabrikant aus reformierter, während der napoleonischen Zeit aus dem rheinischen Westerwald nach Baden ausgewanderter Familie, wo 1848 der Großvater (Gerber) in Weinheim eine Ledermanufaktur gründete
Mutter: Johanna, geb. von Bahder (1850-1928), Tochter des Stadtpfarrers von Weinheim
Geschwister: 4 (3 ältere Brüder, eine jüngere Schwester)
Kinder: 4 Töchter:
Renate (1911-1977), verheiratete von Baeyer
Marie-Luise (geb. 1913), verheiratete Freudenberg
Agnes (geb. 1918), verheiratete Hostettler
Brigitte (1919-1987), verheiratete Walser
GND-ID: GND/117715808

Biografie: Josef Neumann (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 88-90

Freudenberg gehört der Generation von Kinderärzten an, die während und nach dem ersten Weltkrieg dazu beigetragen haben, daß die Kinderabteilungen und Kinderkrankenhäuser an den deutschen Universitäten in Universitäts-Kinderkliniken umgewandelt wurden und die Kinderheilkunde als eigenes Unterrichts- und Prüfungsfach (rechtlich seit 1918) sich von der inneren Medizin endgültig löste. Dabei orientierte sich Freudenberg, der bereits als Student die vorausgehende Entwicklung der Pädiatrie zur eigenständigen medizinischen Disziplin erlebt hatte, an den Kinderärzten, die die ersten Lehrstuhlgründungen um die Jahrhundertwende in Deutschland durchgesetzt hatten, und richtete seine Ausbildung, dem Wissenschaftsverständnis seiner Zeit entsprechend, an der klinischen Erfahrung einerseits und an der experimentellen Forschung im Labor andererseits aus. Für die erste Zielsetzung hatte Freudenberg sowohl in Meinrad von Pfaundler, bei dem er als Medizinalpraktikant erstmals den Umgang mit kranken Kindern lernte, als auch in Jussuf Ibrahim, Leiter des Gisela-Kinderspitals in München, bei dem er promovierte, zwei hervorragende Lehrer der Pädiatrie gefunden. Beide waren bestrebt, das Kind stets über den Aspekt somatisch-naturwissenschaftlicher Verfügbarkeit hinaus in seinen mitmenschlichen, familiären und sozialen Beziehungen wahrzunehmen.
Erfahrungen in der experimentellen Forschung erwarb Freudenberg in den Jahren 1912/13 im Labor von Franz Hofmeister in Straßburg, der frühzeitig die Bedeutung der physiologischen Chemie erkannt hatte und sich mit der Resorption und Assimilation der Nährstoffe, mit der Blutveränderung unter dem Einfluß des Stoffwechsels und der Harnstoffbildung beschäftigte. Fragen der Säuglingsernährung und des kindlichen Stoffwechsels blieben für Freudenberg zeitlebens ein Forschungsschwerpunkt und wurden später systematisch erörtert in seinen wichtigsten Veröffentlichungen („Physiologie und Pathologie der Verdauung im Säuglingsalter“, Berlin 1929; „Rachitis und Tetanie“ im Handbuch der Kinderheilkunde, Bd. 1, 1931 4. Aufl.).
Nach seiner Habilitation 1917 an der Heidelberger Kinderklinik bei Ernst Moro wurde Freudenberg 1922 als ordentlicher Professor nach Marburg berufen. Der Marburger Lehrstuhl für Pädiatrie war erst 1920 aufgrund der Bemühungen von Georg Bessau (1884-1944), der ab 1932 die Kinderklinik an der Berliner Charité leitete, eingerichtet worden. Während seiner Marburger Zeit leitete Freudenberg den Bau der neuen Kinderklinik, betrieb zusammen mit Paul György grundlegende Forschungen auf dem Gebiet der Rachitis und der Tetanie und wurde 1929 aufgrund seiner Veröffentlichungen über die Physiologie der Verdauung im Säuglingsalter zu einer Vortragsreise in die USA eingeladen. Nach seiner Zwangsemeritierung 1937 wurde Freudenberg auf den Lehrstuhl für Pädiatrie in Basel berufen, wo unter der Leitung seines Vorgängers Emil Wieland das neue Kinderspital gebaut worden war. Laut eidgenössischer Vorschrift war die Pädiatrie in der Schweiz seit 1922 obligatorisches Prüfungsfach, das neue Universitätsgesetz von 1937 sah für dieses Fach ein Ordinariat mit Lehrstuhl vor. Am 8. Mai 1938 wurde Freudenberg durch den Regierungsrat zum Nachfolger Wielands gewählt, am 11. Juni traf er in Basel ein, nachdem er für seine „nichtarische“ Frau die sogenannte „Reichsfluchtsteuer“ bezahlt hatte.
Auch in Basel, wo Freudenberg sein Amt am 24. Juni 1938 antrat, setzte er die Studien über den Stoffwechsel im Säuglingsalter fort und beschäftigte sich besonders mit der Dyspepsie und Dystrophie bei Frühgeborenen und Säuglingen. Dabei gelang es ihm, den Ruf des Basler Kinderspitals als einer der leistungsfähigsten pädiatrischen Kliniken in Europa zu festigen. Zugleich besorgte Freudenberg von 1938 an die Redaktion des „Jahrbuch(s) der Kinderheilkunde“ (begründet von Adalbert Czerny; Verlag Karger), das er später in „Annales Paediatrici“ umbenannte. Im Lehrbuch der Kinderheilkunde von Fanconi und Wallgren veröffentlichte er 1950 seine Lehre von der „Ernährung des gesunden Kindes“ und von den „Ernährungsstörungen des Säuglings“. Seit 1940 häuften sich die Ehrungen des aus der Heimat Vertriebenen durch ausländische pediatrische Forschungseinrichtungen, dessen wissenschaftliches Wirken die Universitäten Würzburg (1962) und Marburg (1965) durch die Verleihung des Ehrendoktorats würdigten.
Quellen: A der Firma Freudenberg in Weinheim.
Werke: Vollständiges Verzeichnis der Schriften Freudenbergs bei P. György, vgl. Literatur.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in F. Rintelen, S. 142 (vgl. Lit.)

Literatur: Moderne Probleme der Pädiatrie – FS zum 70. Geburtstag von E. Freudenberg, hg. von Paul György, mit Bibliographie, Basel 1954; E. Bonjour, Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460-1960. Basel 1971 2. Aufl.; S. Buchs, E. Freudenberg (1884-1967) Professor der Kinderheilkunde, in: I. Schnack (Hg.), Marburger Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jhs. Lebensbilder aus Hessen Bd. 1, 64-74. Veröffentlichungen d. Hist. Kommission für Hessen 35, 1. Marburg 1977; H.-H. Eulner, Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes. Stuttgart 1970; F. Rintelen, Geschichte der Medizinischen Fakultät in Basel 1900-1945. Basel, Stuttgart 1980; E. Seidler, Die Kinderheilkunde in Deutschland, in: P. Schweier und E. Seidler (Hg.), Lebendige Pädiatrie. München 1983; G. Walser, Zum Gedenken an E. Freudenberg 1884-1967. Gedruckt im Eigenverlag der Firma Freudenberg.
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