Beyerle, Konrad 

Geburtsdatum/-ort: 14.09.1872;  Waldshut
Sterbedatum/-ort: 26.04.1933; München
Beruf/Funktion:
  • Rechtshistoriker, Politiker
Kurzbiografie: 1888 Der Konstanzer Gymnasiast entdeckt die Radolfzeller Markturkunde von 1100
1899 Habilitation bei der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg i. Br.
1902 Berufung auf den Lehrstuhl von Felix Dahn nach Breslau
1905 Als Nachfolger von Ferdinand Frensdorff nach Göttingen berufen
1918-1933 Prof. für deutsches Privatrecht, deutsches bürgerliches Recht, Handels- und Wechselrecht, deutsche Rechtsgeschichte und Einführung in die Rechtswissenschaft zu München. Ernennung zum Geheimrat
1919 Mitglied der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung
1920-1924 Mitglieds des Reichstages (BVP)
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1899 Bertha, geb. Riedle (1877-1938)
Eltern: Vater: Karl Beyerle, Rechtsanwalt
Mutter: Clara, geb. Eggler
Geschwister: Bruder Franz, Rechtshistoriker
Kinder: 5 Söhne: Dr. Ing. Konrad, Dr. Gebhard, Walafried, Prof. Dr. Karl, Prof. Bernward
1 Tochter: Hedwig
GND-ID: GND/118510533

Biografie: Adolf Laufs (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 48-50

Die Lebensspanne des Rechtshistorikers, christlichen Politikers und Staatsrechtlers Beyerle umfaßt die sechs Jahrzehnte von der Bismarckschen Reichsgründung bis zum Ende der Weimarer Republik. In Konstanz aufgewachsen, einer Stadt mit reicher Vergangenheit, der er den größeren Teil seiner wissenschaftlichen Lebensarbeit widmen sollte, bei Richard Schröder in Heidelberg zum Doctor iuris promoviert und zu Freiburg – gefördert insbesondere durch Ulrich Stutz – habilitiert, begann er schon früh seine Laufbahn als Professor. Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Hochschullehrer und rechtsgermanistischer Schriftsteller übernahm Beyerle nach der Novemberrevolution politische Verantwortung: Als Mitglied der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung machte er sich einen Namen als Mitschöpfer des Katalogs mit den „Grundrechten und Grundpflichten der Deutschen“. Während der ersten Wahlperiode wirkte er als Abgeordneter der Bayerischen Volkspartei im Reichstag, und auch in den Jahren danach gehörte er als Redner und Publizist zu den unermüdlichen und zuversichtlichen Verfechtern der Weimarer rechtsstaatlichen Ordnung.
Leben und Werk Beyerles erscheinen wie aus einem Guß. Der historische Sinn, die Religiosität, sein Empfinden für die Gemeinschaft, die gemütvollen Züge machen sich in seiner publizistischen wie in der akademischen und in der politischen Arbeit geltend. Es sind die eng miteinander verbundenen Kräfte der Herkunft, die seine Existenz prägten und von denen er selbst Zeugnis ablegte im literarischen Portrait seines Vaters, das 1917 in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung erschien.
Im Jahre 1895 übertrug die Badische Historische Kommission dem durch kleine Arbeiten bereits Ausgewiesenen die Herausgabe des Konstanzer Stadtrechts, das bis zum Verlust der Reichsunmittelbarkeit 1548 reichen sollte. Im Zeichen dieses Projekts standen die folgenden Jahre des jungen Rechtshistorikers. Bereits 1896 berichtete er in einem größeren Vortrag auf der Tagung des Bodenseegeschichtsvereins über die Verfassungsentwicklung der Stadt im späteren Mittelalter. Im Auftrag der Badischen Historischen Kommission folgte 1898 das über 250 Seiten starke Werk „Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters“ mit einleitenden Grundzügen der Ratsverfassung. Der Band enthält neben den Namen der bischöflichen und städtischen Beamten die Verzeichnisse der Ratsmitglieder von den Anfängen bis zum Ende der politischen Selbständigkeit des Gemeinwesens. In den Neujahrsblättern der Kommission zeichnete er 1900 die Geschichte der Bodenseestadt im Dreißigjährigen Krieg in bunten und anschaulichen Linien. Im selben Jahr kam als erster Teil einer umfassenden Untersuchung der Konstanzer Grundeigentumsverhältnisse „Das Salmannenrecht“ heraus, dem alsbald ein Band mit über dreihundert Konstanzer Grundeigentumsurkunden folgte. Aus den Quellen gearbeitete, umfangreiche Studien über das Radolfzeller Marktrecht, über Grundherrschaft und Hoheitsrechte des Bischofs von Konstanz in Arbon, zur geschichtlichen Orts- und Liegenschaftsbeschreibung der Seestadt und über das Chorstift St. Johann schlossen sich an.
Beyerle hat das städtische Liegenschaftsrecht und die gemeindliche Bodenverfassung nicht nur selbst in mehreren Arbeiten untersucht, sondern solche Studien für andere Plätze angeregt oder gefördert und in seinen Deutschrechtlichen Beiträgen veröffentlicht.
Mehr als einen Ausgleich für die unvollendet gebliebene Edition des Konstanzer Stadtrechts bildet das voluminöse zweibändige Standardwerk über „Die Kultur der Abtei Reichenau“, das allen Schwierigkeiten der Inflation zum Trotz in den Jahren 1925 und 1926 glänzend ausgestattet erschien und 1970 einen Neudruck erfuhr. Beyerle hat diese „Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters (724-1924)“ nicht nur herausgegeben, sondern unter den zweiunddreißig Bearbeitern auch weitaus das meiste selbst geleistet.
Die Reichenauforschungen wirkten auf eine andere bedeutende Arbeit ihres Urhebers und Förderers ein, mit der sich dieser in Bayern wissenschaftlich heimisch machte. 1926 erschien seine Edition des bayerischen Volksrechts, der Lex Baiuvariorum.
Von seinen stadtrechtsgeschichtlichen Untersuchungen, die nicht Konstanz galten, gebührt den Studien über die andere, noch bedeutendere römische Bischofsstadt am Rhein: über Köln besondere Notiz.
Beyerle hat die Rechtsgeschichte, insbesondere die juristische Mediaevistik, nicht allein als Fachschriftsteller und Rezensent vorangebracht, sondern auch als Herausgeber insbesondere der Deutschrechtlichen Beiträge – mit vierzehn stattlichen Bänden Forschungen und Quellen zur Geschichte des deutschen Rechts – und als Organisator gefördert. So hat er neben der tätigen Mitgliedschaft in der Preußischen und in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Reichskommission für deutsche Geschichte und der Badischen Historischen Kommission in den kulturellen und wissenschaftlichen Organisationen des katholischen Deutschland, vor allem seit 1924 als Vizepräsident der Görres-Gesellschaft und als Leiter von deren Sektion für Rechtswissenschaft, die Last verantwortlicher Führung übernommen. Mit dem von ihm gegründeten Seminar für bayerische und deutsche Rechtsgeschichte im Wittelsbach-Palast schuf er eine Forschungs- und Lehrstätte, die auch die Rechtsvergangenheit Oberitaliens, Südfrankreichs und Spaniens mit einschloß und pflegte. Der Gelehrte hat seine wissenschaftlichen Erfahrungen und Einsichten auch immer wieder in allgemeinverständlicher Form einem größeren Publikum als Redner weitergegeben und sie je und je bei seiner politischen Arbeit eingesetzt.
Die Staatsumwälzung 1918 hatte Beyerle nicht gewünscht, aber er stellte sich auf den Boden der Tatsachen, um das Beste aus ihr zu machen. „Das Dasein des Staates und das Leben jedes einzelnen Staatsbürgers sind in Gefahr“, erklärte er unter der Überschrift „Revolution und Staatsrecht“ im November 1918 in der zu München erscheinenden katholischen „Allgemeinen Rundschau“, in der er sich fortan noch mehrfach zu grundsätzlichen Fragen der Zeit äußerte. „Wir müssen in dem vollen Inhalt dieser zwei Worte die eisernen Klammern fühlen, mit denen das Schicksal uns zusammenschweißt; wir gläubigen Christen dürfen darin die Mahnung der Vorsehung erblicken, uns unentwegt in den Dienst der Gesamtheit, der Ordnung und der Wohlfahrt im Staate zu stellen, der derselbe Staat bleibt, mögen auch seine alten Formen zerbrechen.“
Er warb für eine echte Demokratie „ohne Klassenhaß und ohne Klassenherrschaft“. Daß dieses Ziel sich nur über eine breite Koalition der Mitte erreichen ließ, stand ihm deutlich vor Augen. Mit entschlossener Feder verteidigte er damals das parlamentarische System – gegen „die Opposition der Rechten, geführt von der Deutschnationalen Partei“, die „entthronte Herrenschicht“, desgleichen gegen die Verkünder des Klassenkampfes und der Sozialrevolution.
Einen festen Platz in der deutschen Verfassungsgeschichte hat sich Beyerle erworben durch „das Hauptstück der geistigen Arbeit“ (W. Ziegler) am zweiten Hauptteil der Weimarer Verfassungsurkunde mit den Grundrechten und Grundpflichten. Sein Verdienst lag „vor allem in der mühsamen und aufopfernden gründlichen Durcharbeitung des gesamten Stoffes mit der Lupe des Juristen und der Feder des formenden und prüfenden Redaktors“. Mag Friedrich Naumann mit seinem bekenntnishaften „Versuch volksverständlicher Grundrechte“ als der geistige Vater des Katalogs gelten, so ist der Münchener Rechtshistoriker als Sprecher des Zentrums und der mit diesem verbundenen Bayerischen Volkspartei der juristische Vollstrecker gewesen. Sein „weiches und bewegliches Temperament“, so Theodor Heuss, „war von Naumann stark beeindruckt“.
Der Tod hat es Beyerle erspart, die Rechtsperversion des Nationalsozialismus voll erleben zu müssen, gegen den er selbst noch mutig Front gemacht hatte.
Werke: Vgl. Lit.
Nachweis: Bildnachweise: Vgl. Lit.

Literatur: (mit Bild): Adolf Laufs, Konrad Beyerle - Leben und Werk, in: Gestalten und Probleme katholischer Rechts- und Soziallehre, Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, 1977 (mit Bibliographie).
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