Forsthoff, August Wilhelm Heinrich Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 13.09.1902; Duisburg
Sterbedatum/-ort: 13.08.1974;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Staats- und Verwaltungsrechtslehrer
Kurzbiografie: 1921 Abitur Mülheim/Ruhr
1921-1924 Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg, Marburg und Bonn
1925 Promotion zum Dr. jur. in Bonn
1928 Zweite Juristische Staatsprüfung in Berlin
1930 Habilitation für öffentliches Recht in Freiburg
1933-1935 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Frankfurt/M.
1935-1936 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Hamburg
1936-1941 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Königsberg
1941-1943 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Wien
1942-1943 Kriegsdienst
1943-1946 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Heidelberg
1946 Entlassung aus dem Amt auf Befehl der Militärregierung
1946-1950 Journalist und freier Schriftsteller
1950-1952 Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg
1952 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Heidelberg
1960-1963 neben der Professur in Heidelberg Präsident des Supreme Constitutional Court der Republik Cypern
1966 Ehrendoktor der Universität Wien
1967 Emeritierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1935 Ursula, geb. Seefeldt (gest. 28. 2. 1960)
Eltern: Vater: Dr. phil., D. theol. h. c. Heinrich Forsthoff, Pfarrer
Mutter: Emmy, geb. Bergfried
Geschwister: keine
Kinder: 4 (1 Tochter, 3 Söhne)
GND-ID: GND/118534459

Biografie: Reinhard Mußgnug (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 121-122

Forsthoff fand seinen Weg zur Rechtswissenschaft erst nach einigem Zögern. Zunächst standen bei ihm historische, philosophische und theologische Interessen im Vordergrund. Unter dem Einfluß seines Lehrers und Doktorvaters Carl Schmitt lernte er jedoch, diese Interessen mit seiner juristischen Arbeit zu verbinden. Sie führten ihn zur allgemeinen Staatslehre, zur Verfassungsgeschichte und zum Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht.
Der Beginn seiner akademischen Laufbahn fiel in die Zeit des Untergangs der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Machtergreifung. Nach der Habilitation im Sommer 1930 erhielt er 1933 seinen ersten Ruf nach Frankfurt. In diesem Jahr entstand sein Buch „Der Totale Staat“, das ihm später immer wieder vorgeworfen wurde. Von dem zeitbedingten Gedankengut, das in dieses Buch eingeflossen war, hat sich Forsthoff jedoch unter dem Eindruck des Röhm-Putsches und der Nürnberger Blut-Schutzgesetze von 1935 rasch abgewandt. 1936 verließ er seinen zweiten Lehrstuhl in Hamburg im Streit mit dem Justizsenator und Führer des Rechtswahrerbundes über dessen Forderung nach parteipolitischer Bindung der Justiz. In Königsberg verteidigte er als juristischer Berater des Oberkirchenrats der Altpreußischen Union die protestantische Kirche gegen nationalsozialistische Übergriffe in innerkirchliche Angelegenheiten. 1941 folgte er einem Ruf an die Universität Wien. Dort wurde ihm wegen seiner kirchlichen Bindungen und seines freimütigen Eintretens für die Grundsätze des Rechtsstaates auf Betreiben der NSDAP das Abhalten von Lehrveranstaltungen und das Betreten der Universitätsgebäude verboten. Seine Bemühungen um eine Wegberufung von Wien nach Breslau, Greifswald und Köln wußte die NSDAP zu vereiteln. 1943 gelang es jedoch der Universität Heidelberg, ihre Widerstände zu umgehen und Forsthoff an ihre Juristische Fakultät zu holen. Heidelberg wurde zu Forsthoffs zweiter Heimat. Hier lehrte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1967 mit außergewöhnlichem Erfolg. Zwischen 1946 und 1952 mußte er seine Lehrtätigkeit allerdings auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung unterbrechen. Daß er die Vergangenheit des „Totalen Staates“ bereits überwunden hatte, als sie noch Gegenwart war und ihre Bewältigung schwerfiel, blieb zunächst ebenso unbeachtet, wie die Fürsprache Gustav Radbruchs, Erich Kaufmanns, Erik Wolfs und vieler anderer.
Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen weisen Forsthoff als einen Gelehrten aus, dessen Name in der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft eingehen und in der langen Reihe der großen deutschen Juristen einen festen Platz beanspruchen wird. Aus der stattlichen Zahl ragen die 1938 erschienene Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“ (2. Aufl. 1959), das „Lehrbuch des Verwaltungsrechts“ (1. Aufl. 1950; 10. Aufl. 1973) und die Studie „Der Staat der Industriegesellschaft“ (1971) hervor. Mit der „Verwaltung als Leistungsträger“ hat Forsthoff dem Verwaltungsrecht eine neue Dimension erschlossen. Bis dahin stand die sogenannte Eingriffsverwaltung allzu ausschließlich im Vordergrund des juristischen Interesses. Forsthoff hat demgegenüber das Augenmerk auf die staatliche Daseinsvorsorge und ihre ganz anders gearteten Probleme gelenkt. Auch mit seinem „Lehrbuch“ hat er die wissenschaftliche Fortentwicklung des Verwaltungsrechts entscheidend vorangetrieben. Es gehört zu den Werken, die über den Wandel des positiven Rechts hinaus maßgeblich bleiben werden. Sein außergewöhnlicher Erfolg beruht nicht zuletzt auch darauf, daß es sich nicht auf die Dogmatik des Verwaltungsrechts beschränkt, sondern auch auf seine historischen und soziologischen Grundlagen intensiv und sachkundig eingeht. Im „Staat der Industriegesellschaft“ wirft Forsthoff in kritischer Auseinandersetzung mit den Verlusten an innerer Souveränität, die gegenwärtig das Bild des Staates kennzeichnen, die Frage auf, ob dieser Staat noch seiner Pflicht gewachsen ist, den technischen Fortschritt „in die Schranken zu verweisen, welche die Humanität gebietet“. Forsthoff bezweifelt das. Nach seiner Überzeugung drängen die Abhängigkeit der Gesellschaft von der Technik und die Bedrohung der Umwelt durch die Technik auf den Weg des internationalen Zusammenwirkens der Staaten und Völker.
Forsthoffs wissenschaftliches Werk hat weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Beachtung gefunden. Dies bezeugt neben zahlreichen Übersetzungen seiner Schriften – insbesondere des „Lehrbuchs“ – ins Englische, Französische, Italienische, Spanische und Japanische und seiner Ehrenpromotion durch die Universität Wien vor allem seine Ernennung zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs der Republik Zypern im Jahre 1960. Forsthoff hat dieses Amt drei Jahre lang ausgeübt und während dieser Zeit an mehr als 200 Urteilen mitgewirkt. Als die zypriotische Regierung sich jedoch weigerte, ein zugunsten der türkischen Minderheit der Insel ausgefallenes Urteil zu beachten, hat er sich dem nicht gebeugt, sondern seinen Rücktritt erklärt.
Werke: Ausführliches Werkverzeichnis in: Festschrift für Forsthoff zum 70. Geburtstag.
Nachweis: Bildnachweise: Vgl. W, 495 ff.

Literatur: Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967; Säkularisation und Utopie, Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967; Festschrift für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, 2. Aufl. 1974; Karl Doehring, Nachruf auf Ernst Forsthoff, A des öffentl. Rechts 99 (1974), 650 ff.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)