Grünzweig, Fritz 

Geburtsdatum/-ort: 05.11.1914;  Bissingen u. T. (Württemberg)
Sterbedatum/-ort: 24.11.1989
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Pfarrer
Kurzbiografie: 1932-1938 nach Besuch des Gymnasiums Ausbildung für den württembergischen gehobenen Notariatsdienst, nach Abschluß der Ausbildung in diesem Beruf tätig
1939-1945 Kriegsdienst, zuerst West-, dann Ostfront, Artilleriefeldwebel, Eisernes Kreuz II. Klasse
1946-1948 Besuch des Pfarrseminars Stuttgart (Kurs B: Abgekürzte Pfarrausbildung)
1948 Ordination
1948-1979 Pfarrer und Geistlicher Vorsteher der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal
1982 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die theologische Fakultät der Universität Tübingen
1979 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: 1965-1979 Vorsitzender der Ludwig-Hofacker-Vereinigung – Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Bibel und Bekenntnis in Württemberg
1971-1977 Mitglied der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
1980-1986 Vorsitzender der Konferenz bekennender Gemeinschaften in den Evangelischen Kirchen Deutschlands
langjährig Vorstandsmitglied in verschiedenen Missions- und Diakoniewerken
Verheiratet: 1949 Ulm, Liselotte, geb. Denzinger
Eltern: Karl (geb. 1878), Landwirt
Anna, geb. Goll (geb. 1891)
Geschwister: 1 Bruder
Kinder: 3
GND-ID: GND/11854294X

Biografie: Walter Roth (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 125-126

Grünzweig entstammt einer frommen, dem Pietismus zugewandten, bäuerlichen Familie in einem Ort am Fuß der Schwäbischen Alb. Von früher Kindheit an wurde ihm die Kirche Heimat. Nach der Konfirmation schloß er sich dem CVJM seines Heimatortes an und arbeitete in den Jugendkreisen aktiv mit.
Die Eltern ermöglichten unter Opfern dem begabten jüngeren Sohn den Besuch des Gymnasiums. Mit Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern verließ er nach der mittleren Reife die höhere Schule und begann 1932 die Ausbildung für den württembergischen Notariatsdienst. Sein Herzenswunsch wäre gewesen, nach dem Abitur Theologie zu studieren.
In die Ausbildungszeit fiel die Machtergreifung durch den Nationalsozialismus in Deutschland. Mutig vertrat Grünzweig gegenüber den Vertretern der Machthaber die Position der Kirche und trat auch unerschrocken für verfolgte Menschen ein. So holte er z. B. jahrelang vor den Augen der Öffentlichkeit einen jüdischen zur evangelischen Kirche übergetretenen Mitbürger zum Gottesdienst ab.
Gleich zu Kriegsbeginn wurde Grünzweig zur Wehrmacht einberufen und war bis zum Kriegsende im Einsatz. Auch als Soldat war es ihm ein Anliegen, unerschrocken ein Zeuge Jesu Christi zu sein. Immer wieder stand er vor der Frage, wo die Grenze des Gehorsams aufhört und eine Befehlsverweigerung gefordert sei. 1943 wurde er bei Leningrad schwer verwundet.
Um dem Pfarrermangel etwas abzuhelfen, wollte die Kirchenleitung den Versuch mit einer abgekürzten theologischen Ausbildung von jungen Männern aus anderen Berufen unternehmen, die bisher schon aktiv in der Gemeinde mitarbeiteten. Grünzweig wurde von der Kirchenleitung für diese Ausbildung angefragt. Er sah darin den ihm von Gott gewiesenen Weg, auch wenn es ihm schwerfiel, seinen bisherigen Beruf aufzugeben.
Nach abgeschlossenem Studium berief die Evangelische Brüdergemeinde Korntal Grünzweig zunächst auf ihre 2. und nach einigen Jahren auf ihre 1. Pfarrstelle. Die Brüdergemeinde ist eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Folge der damaligen theologischen Auseinandersetzungen in der evangelischen Kirche mit königlicher Bewilligung neben der Staatskirche entstandene Glaubensgemeinschaft augsburgischen Bekenntnisses in pietistischer Ausprägung, ein Gemeindemodell des Pietismus in Württemberg. Sie ist eng mit der evangelischen Landeskirche verbunden. Diese Gemeinde mit ihrem höheren Schulwerk, ihren Kindererziehungsheimen, Einrichtungen der Altenhilfe und wirtschaftlichen Betrieben wurde zur Lebensaufgabe von Grünzweig. Das Gemeindeleben blühte unter dem begnadeten Prediger und Seelsorger neu auf.
In den theologischen Auseinandersetzungen der Zeit war sein Platz eindeutig bei den bibel- und bekenntnistreuen Kreisen. Aber Grünzweig war ein Mann des Ausgleiches zwischen den divergierenden Gruppierungen, auch innerhalb der Landessynode in der Zeit seiner Zugehörigkeit zu diesem Gremium. Das brachte ihm Wertschätzung aus allen Gesprächskreisen der Synode ein. So wurde er auch in die Kommission berufen, die 1974 beim Weltrat der Kirchen in Genf Unstimmigkeiten zwischen diesem und der Landeskirche klären sollte.
Grünzweigs leitende Mitarbeit in der Bekenntnisbewegung machte ihn weit über Korntal hinaus bekannt. Er wurde zum gesuchten Redner und Dozenten im In- und Ausland, woraus dann auch seine schriftstellerische Tätigkeit erwuchs. Aus gelegentlichen Schriften entstand ein umfangreiches theologisches Schrifttum mit zum Teil hohen Auflagezahlen. 1982 verlieh ihm die theologische Fakultät der Universität Tübingen die Ehrendoktorwürde.
Bei einer evangelischen Großveranstaltung in Stuttgart 1989 brach Grünzweig völlig unerwartet zusammen. Es wurde ein Gehirntumor diagnostiziert, der operativ entfernt werden mußte. Von der Operation erholte er sich nicht mehr und verstarb nach schwerer Leidenszeit.
Der damalige württembergische Landesbischof Theo Sorg hat Grünzweig als einen Menschen gewürdigt, der weit über die Brüdergemeinde Korntal hinaus gewirkt hat. Die ganze Kirche habe seinen Dienst der Verknüpfung und Seelsorge, der Orientierung und des Brückenbaus erfahren. In aller persönlicher Demut und Bescheidenheit sei er doch so etwas wie eine bischöfliche Gestalt gewesen, von der Autorität ausging, deren Wort Gewicht hatte.
Quellen: Fritz Grünzweig, Zu rühmen seinen Ruhm (Autobiographie) 1988; „Unser Türmle“, Gemeindebrief der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal, Januar 1990; Nachlaß in Familienbesitz (vgl. Bilder); Persönliche Begegnungen
Werke: Mitherausgabe der „Lutherbibel erklärt“ 1974; Mitherausgabe eines biblischen Wörterbuches 1982; Verfasser verschiedener Bibelkommentare, unter anderem: Der Brief des Jakobus 1973; Johannes-Offenbarung 1981 (zweibändig); Die Bergpredigt 1985; Kleine Anleitung zur Seelsorge 1987; 1. Timotheusbrief 1990; 2. Timotheusbrief, Titus- und Philemonbrief 1990; Einführung in die biblischen Bücher (postum) 1992 (zweibändig). Zahlreiche Kleinschriften und Aufsätze
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Familienbesitz (Liselotte Grünzweig, Ludwigsburger Straße 3, 70825 Korntal-Münchingen) und im Archiv der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal (Saalplatz 1, 70825 Korntal-Münchingen)
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