Ochsner, Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 15.03.1891;  Kenzingen
Sterbedatum/-ort: 15.09.1970;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Philosoph und Lektor
Kurzbiografie: 1912 Abitur am Friedrichs-Gymnasium Freiburg i. Br.
1912-1914 Studium der Theologie und Philosophie in Freiburg
1914-1915 Zum Heeresdienst eingezogen
1916-1922 Studium der Philosophie, Religionsgeschichte und Religionsphilosophie in Freiburg i. Br. und (als Stipendiat des Preußischen Kultusministeriums) in Marburg
1922 Studien-Abbruch wegen schwerer Erkrankung. Später philosophische Studien im persönlichen Verkehr mit Max Scheler in Köln
1923-1933 Durch Edmund Husserl „unterstützender Lehrer“ japanischer Gelehrter in Freiburg i. Br.
1934 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lektor in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Emil Ochsner, Sattlermeister
Mutter: Maria Katharina, geb. Schäfer
Geschwister: 1 Paula
GND-ID: GND/118589296

Biografie: Erwin Tecklenborg (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 213-215

In Ochsners Kinderjahren öffneten die ernst-frohe Religiosität der Mutter und die ländlich-weit ausblickende Nachdenklichkeit des Großvaters sowie anderer Verwandter ihm die Welt in den Grundzügen, die für sein Leben bestimmend blieben. So studierte er zuerst Theologie, deren teilweise beengende Lehren die beunruhigte Selbständigkeit seines Fragens nicht befriedigten, weshalb er sich nach drei Semestern der Philosophie zuwandte. Immer blieb die Leidenschaft des Suchens nach einer philosophisch-ursprünglich fundierten Theologie sein Hauptanliegen, auf welchem Gebiet er später oft zum zwar nichtbestallten, aber sachlich berufenen Lehrer wurde. Diese Anfänge verbanden ihn seit 1915 geistig und in persönlicher Freundschaft mit Martin Heidegger; Husserl, der ihm phänomenologische Methode und dem er Gestalten religiösen Denkens vermittelte, sah beide als nach Herkunft und Interessen einander nahestehende Geistesverwandte. „Ältester Schüler“ Heideggers, fand er in dessen Denken bei aller Hochachtung für Max Scheler, Rudolf Otto, Karl Jaspers und andere Gleichzeitige, doch den radikalen Durchbruch zu einem Neuland philosophischer Hermeneutik, im phänomenologischen Aufweis der Wesensverfassung des menschlichen Daseins, in der geschick-erhellenden Interpretation der abendländischen Seinsgeschichte wie auch, nicht zuletzt, im Hören auf das Wort derjenigen Dichter, die Heidegger auf dem Weg des denkenden Gesprächs erläuterte; Dichter übrigens, die Ochsner selbst – so Hölderlin, Hebel, Trakl, Rilke – schon früh als Mitsprechende entdeckt hatte. In Marburg entwickelten sich bedeutsame freundschaftliche Beziehungen zu Rudolf Otto, Ernst Robert Curtius, Friedrich Heiler und Max Scheler. Vorträge über mittelalterliche Mystik führten Ochsner ins Rheinland und nach Holland. In jener wirtschaftlich für ihn wie allgemein schwierigen Zeit, als schwere Erkrankung ihn zum Verzicht auf akademische Laufbahn zwang, sprang Edmund Husserl ein, indem er ihm die Betreuung der damals zahlreichen japanischen Philosophen in Freiburg übertrug. Anderer Unterricht (Griechisch, Latein) kam hinzu. Doch in Japan eine Stelle im Lehrbereich anzunehmen, wie zeitweise erwogen, konnte der mit seiner badischen Heimat von Kindheit an unlöslich Verbundene nicht auf sich nehmen. Das Studium der europäischen Weltgeschichte bis in landes- und ortsgeschichtliches Geschehen besonders in Breisgau und Elsaß war ihm ja nicht bloße Bildungssache, sondern eine Vollzugsweise seiner Lebensnotwendigkeiten unter anderen.
Als nach der Machtergreifung Hitlers der Zuzug aus Japan aufhörte, übernahm Ochsner die Aufgaben eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters und Lektors in der Zentrale des Deutschen Caritasverbands. Er hatte schon lange erkannt, welche Gefahren im Heraufkommen des Nationalsozialismus drohten: unter tiefer Depression sah er, wie in Kirche, Staat, Wissenschaft und Kunst viele zum Anhänger oder zum Opfer des Systems wurden. In diesen Wirren war der Caritasverband für ihn eine Insel; neben der Verlagsarbeit wurde er gelegentlich an der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Sozialeinrichtungen beteiligt. Er sprach auch bei Referententagungen, Seelsorger-Konferenzen und Semestervorträgen im Rahmen der Fortbildungsaktivitäten des Verbands; zusammen mit eigenen brachte er dabei Gedanken von Heidegger und Jaspers ein. Ihm eigentümlich und wichtiger wurde sein jahrzehntelanges Wirken als Inspirator und Berater geistig aufgeschlossener Führungskräfte des Verbandes, für Redakteure, Verlags- und Kursleiter, Buchhändler und viele andere, ein Wirken, das weit über alles Fachliche hinausging. Auch für Wissenschaftler und Künstler aus dem In- und Ausland, für Studenten, Pfarrer, Lehrer und Menschen, die auf verschiedensten Wegen zu ihm kamen, wurde sein kleines Zimmer im Werthmannhaus ein gernbesuchtes Ziel. Dort fanden sie einen Beweger, Helfer, Kritiker, der aus einer Fülle philosophisch-theologischen, dazu historischen Wissens sprach, der Lebenserfahrung, Weisheit und feinste musische Begabung ins Spiel brachte, ein unbestechlicher Spiegel seiner Zeit war und öfters zu einem nur durch das Wesen seiner Person „berufenen“ Seelsorger wurde. Im zweiten Krieg war er für Fragen der Philosophie und Theologie die zentrale Gestalt im sogenannten „Freiburger Kreis“ Karl Färbers, Hubert Seemanns, Johannes Spörls, Bernhard Weltes u. a. Nach Kriegsende half er, wo er konnte, Not zu verringern, neues Unrecht zu verhüten, Perspektiven zu eröffnen, Brücken zu schlagen und Wege zu weisen. Wesentlichen Einfluß hatte er auf die philosophisch-wissenschaftliche Entwicklung Bernhard Weites, wie dieser oft bezeugte, und durch ihn auch auf die seiner Schüler. Französische Philosophen und Theologen, besonders Professoren der Pariser Dominikaner-Hochschule Le Saulchoir, verdankten ihm viel und waren mit ihm befreundet. Bezeichnend blieb stets, daß er nur mündlich wirkte und trotz vieler Bitten seiner Freunde nicht bereit war, zu schreiben und zu veröffentlichen (was u. a. Martin Heidegger gewünscht hat). Darum gibt es nur wenig von seiner Hand Aufgezeichnetes. Am lebendigsten spricht er in seinen Briefen, wo der Reichtum seines Wesens in der Leidenschaft von Denken und Fühlen die Schärfe seines Geistes hervortreten läßt, damit ineins seine Großmut, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft und teilnehmende Güte, wo ferner seine Liebe zur Natur, zu Landschaft, Geschichte, Wein durch seine ursprüngliche weite Frömmigkeit klingt. Vermöge dieser Wesenszüge und Eigenschaften hat er zu seiner Zeit in der sokratischen Weise persönlichen Umgangs ungezählte Menschen bewegt.
Die Gedächtnisschrift seiner Freunde (siehe Literatur) kennzeichnet dies so, daß er der mondänen Gesellschaft absagte, seine Beziehungen sonst aber von einfachsten Menschen durch alle Kreise bis zum Träger eines nach seinem Urteil weltgeschichtlichen Gedankens fand, als welchem er Martin Heidegger in lebenslanger Freundschaft, die von diesem erwidert wurde, verbunden war.
Werke: In der unter Lit. genannten Schrift gesammelt.
Nachweis: Bildnachweise: Museum Kenzingen i. Br.

Literatur: Das Maß des Verborgenen, H. Ochsner zum Gedächtnis. Hg. von Curd Ochwadt und Erwin Tecklenborg, Hannover 1981.
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