von Scholz, Wilhelm von Scholz Franz Johann 

Geburtsdatum/-ort: 15.07.1874; Berlin
Sterbedatum/-ort: 15.05.1969;  Konstanz
Beruf/Funktion:
  • Dichter
Kurzbiografie: 1890 Umzug von Berlin nach Konstanz
1892-1897 Studium der Literaturgeschichte, Ästhetik und Psychologie in Berlin, Lausanne, Kiel und München
1893-1894 Einjähriger Militärdienst bei einem Seebataillon in Kiel, anschließend Fahnenjunker und Leutnant im 1. Badischen Leibgrenadierregiment Nr. 108
1897 Promotion bei Prof. Muncker in München, Thema: „Annette von Droste-Hülshoff als westfälische Dichterin“
1900-1907 Weimar
1907-1914 Hohenschäftlarn bei München
1914-1916 Militärdienst (Adjutant des Oberburghauptmanns der Wartburg)
1916-1922 Theater in Stuttgart
1922 Niederlassung in Konstanz mit Unterbrechungen bis zum Tod
1926 Berufung in die Preußische Akademie der Künste Berlin
1926-1928 Präsident der Preußischen Akademie der Künste Berlin, Sektion Dichtkunst
1929 Kleistpreis
1932 Goethe-Medaille
1949 Ehrenpräsident des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller und -komponisten
1955 Humanitas-Ring der vertriebenen Deutschen
1959 Eichendorff-Plakette
1964 Hebbel-Medaille
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1897 Irmgard, geb. Wallmüller
2. 1939 Gertrud, geb. Richter
Eltern: Vater: Adolf von Scholz (1833-1924), preußischer Finanzminister
Mutter: Anna, geb. Mentzel
Die Familie erhielt 1883 den erblichen Adel
Geschwister: keine
Kinder: 2 aus 1. Ehe
GND-ID: GND/118610392

Biografie: Klaus Oettinger (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 338-340

Es gibt keine verläßliche Biographie über Scholz, und es gibt auch keine umfassenden und neutralen Würdigungen seines literarischen Werkes und seiner kulturpolitischen Leistung. Seriöse Publikationen, die einzelnen Aspekten gewidmet sind, lassen sich an einer Hand abzählen und sind insgesamt von bescheidenem Rang. Die zahllosen feuilletonistischen Ehrungen und Rezensionen, die den eminenten, allerdings auf die erste Jahrhunderthälfte beschränkten Respekt der Zeitgenossen dokumentieren, sind naturgemäß wenig ergiebig. Ein gerechtes Profil seiner geistigen Physiognomie ließe sich erst aufgrund einer Untersuchung seiner weitreichenden Korrespondenz mit nahezu allen Repräsentanten des kulturellen Deutschland erstellen. Seine Briefe sind aber – von Ausnahmen abgesehen – noch nicht ediert.
Angesichts der Forschungslage muß sich eine biographische Skizze über Scholz vorläufig mit einer kritischen Orientierung an seinen autobiographischen Zeugnissen begnügen. Scholz stammt aus reichem Haus. Sein Vater war preußischer Finanzminister, die Familie der Mutter besaß Güter in Schlesien. Er genoß eine hochbürgerliche Erziehung und wurde schon frühzeitig von Privatlehrern in allen schönen und praktischen Künsten unterrichtet. Nach der Entlassung Bismarcks trat der Vater von seinem Amt zurück, übersiedelte mit der Familie von Berlin in die Provinz nach Konstanz und bezog eine Villa am Seeufer, die er zuvor zu einer schloßartigen Anlage im historischen Stile des Wilhelminismus opulent hatte umbauen lassen. Das Gebäude ist biographisch erwähnenswert, weil sich in ihm eine mentale Epochensignatur manifestiert, die sich zumindest partiell im Denken und Handeln von Scholz lebenslang wiederfinden läßt.
Nach dem Abitur studierte er ab 1892 an den Universitäten Berlin, Lausanne, Kiel und München Literaturgeschichte, Ästhetik und Psychologie und wurde 1897 mit einer Arbeit über die Droste promoviert. Ambitionen auf eine militärische Karriere wurden rasch aufgegeben, Scholz entschied sich für eine freie Schriftstellerexistenz, nachdem er mit seinem literarischen Debüt „Frühlingsfahrt. Gedichte“ (1896) prominente Resonanz – u. a. von Dehmel, Halbe, Fontane, Liliencron – gefunden hatte.
Vom Vater nach wie vor großzügig ausgehalten, avancierte er rasch zu einer geachteten Figur der Münchner Literatur- und Theaterszene um Ernst von Wolzogen, Ludwig Ganghofer und Otto Falckenberg, er pflegte persönlichen Umgang mit Dehmel, Liliencron, Cäsar Fleischlen, Otto Julius Bierbaum, Wedekind, Wassermann, Heyse, Dauthendey, mit Rilke schloß er Freundschaft. Mit seinem Umzug in die Klassikerstadt Weimar im Jahr 1900 demonstrierte er seinen Geltungsanspruch. Die folgenden Jahre waren von intensiven theoretischen und praktischen Bemühungen um das Drama bestimmt. Nach zahlreichen dramatischen Versuchen mit schwankendem öffentlichen Erfolg („Der Jude von Konstanz“, 1905; „Meroe“, 1906), schaffte er mit der Komödie „Vertauschte Seelen“ 1910 den Durchbruch. Von München aus, wohin er 1907 zurückgekehrt war, betrieb er eine Theaterkarriere, die 1916 zum Erfolg führte: Er wurde Dramaturg und Spielleiter am Württembergischen Hoftheater in Stuttgart und prägte diese Bühne durch einen eigenen historisierenden, alle modernistischen, expressionistischen Experimente der Zeit ignorierenden Inszenierungsstil. Hinzu kamen eigene Produktionen, die ihm weltweiten Ruhm eintrugen. Das Drama „Der Wettlauf mit dem Schatten“ (1920) wurde in alle Weltsprachen übersetzt und eroberte die Bühnen von London bis Tokio.
1922 zog er sich nach Konstanz zurück, blieb aber durch zahlreiche Reisen eng mit dem nationalen Kulturbetrieb verbunden, inszenierte seine eigenen Stücke an den großen Bühnen des Landes, hatte nun auch als Erzähler Erfolg – er schrieb u. a. historische Novellen in der Nachfolge Conrad Ferdinand Meyers („Charlotte Donc“, 1925) – der historische Roman „Perpetua“ (1926) erreichte eine Auflage von über 100 000 Exemplaren –, so daß seine Berufung in die 1926 gegründete Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie in Berlin geradezu selbstverständlich wurde. Er wurde sogar zu deren erstem Präsidenten gewählt und vertrat in diesem Amt die deutschen Schriftsteller auf den europäischen Kongressen.
1933 wurde auch für Scholz ein Jahr mit nachhaltigen Konsequenzen. Daß er in der Akademie blieb, während demokratische und jüdische Kollegen ausgeschlossen wurden oder zurücktraten, verwundert nicht, denn völkische Ideen, freilich in gemäßigten konservativen Varianten, hatte Scholz auch schon zuvor vertreten. Daß er eine Loyalitätserklärung für das Regime unterschrieb, mag verzeihlich sein, denn das haben auch andere getan, die unzweifelhaft das Regime haßten, wie z. B. Oskar Loerke. Daß er aber auch weiterreichende Bekenntnisse zum neuen Reich und insbesondere ein feierndes Gedicht auf den Führer noch im Jahre 1944 publiziert hat, ist schwer entschuldbar, auch nicht mit dem hinterher nachgereichten Hinweis auf eine akute Bedrohung. Andererseits ist kaum zu glauben, daß Scholz, der – was sich aus seinen Schriften vielfaltig belegen ließe – als nobler Humanist ausgewiesen war, ein eingefleischter Nazi war.
Scholz’ politisches Engagement ist um so verwunderlicher, weil es mit seinen stets vertretenen Überzeugungen von der Berufung des Dichters und vom Wesen der Dichtkunst prinzipiell unvereinbar ist. Theoretisch blieb er immer an der Ästhetik der deutschen Klassik und Romantik orientiert, die sich ausdrücklich darauf festgelegt hatte, die Kunst aus allen Verstrickungen in die Parteilichkeiten des Tages herauszuhalten und nur die zeitlosen Probleme des Menschen zum Gegenstand der Kunst zu machen.
Von unvergänglicher Aktualität („ewige Dinge zeitlos“) sind für Scholz Fragen nach dem Verhältnis von Zufall und Schicksal, nach den Beziehungen zwischen Traum und empirischer Wirklichkeit, nach der Präsenz okkulter Phänomene in der Alltagswelt – Fragen, an denen er sein Leben lang gearbeitet hat. Es sind dies im Grunde romantische Probleme, die er jedoch in der Formensprache der Klassik und Klassiknachfolge des 19. Jahrhunderts zur Darstellung gebracht hat. Insofern gehört Scholz in form- wie geistesgeschichtlicher Hinsicht in jene breite Strömung des Traditionalismus innerhalb der deutschen Literaturgeschichte der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, den Scholz selbst als spezifischen Ausdruck der „deutschen Seele“ – was immer das sein mochte – gepflegt hat. Nach 1945 geriet Scholz rapide ins Abseits. Seine früheren Werke wurden nicht mehr gelesen, seine neuen Bücher fanden keine Verleger mehr, die Theater verweigerten seine Stücke – nicht wegen seiner politischen Belastung, sondern wegen der epochalen Veränderung der literarischen Normen: eine Einschätzung, die durch manche Ehrungen, die ihm noch zuteil wurden, eher bestätigt als widerlegt werden mag.
Scholz war in seinem Glanz und in seinem Elend, mit seinen Verdiensten und Verfehlungen ein Repräsentant der deutschen Literaturgesellschaft in diesem Jahrhundert von außergewöhnlich hohem Symptomwert. Als solcher verdient er, historisch gewürdigt zu werden. Sein Nachlaß befindet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Sein Schloß ist nach dem Tod der Witwe von privaten Käufern erworben und zu Appartementwohnungen parzelliert worden. Die Einrichtung von Gedenkräumen ist jedoch vorgesehen.
Quellen: Nachlaß im DLA, vgl. Katalog 454ff.
Werke: Gesammelte Werke. Gedichte. Schauspiele. Erzählungen 1919-1923 (von 9 geplanten Bänden sind nur 7 erschienen): Lyrik: Die Gedichte. Gesamtausgabe 1944. Erzählungen: Vollständige Ausgabe 1941. Romane: Perpetua 1926, Der Weg nach Ilok 1930, Unrecht der Liebe 1931, Theodor Dorn 1966. Essay: Der Zufall, eine Vorform des Schicksals 1921. Autobiographische Schriften: Berlin und Bodensee 1934; Eine Jahrhundertwende 1936; An Ilm und Isar 1939 – weitere vgl. BbG 8 Nr. 50781-50783
Nachweis: Bildnachweise: Zahlreiche Porträts in Bronce, Öl, Kohle, Pastell, Feder von zum Teil berühmten Künstlern u. a. C. Gitschmann (1888), J. Heise (1890er Jahre), J. W. Fehrle von 1924, R. Großmann (vor 1941), K. M. Würtemberger und O. Dix von 1953 – ferner zahlreiche Fotografien (1988 alles in der Villa des verstorbenen Dichters)

Literatur: (Auswahl) Oskar Loerke, Wilhelm von Scholz. Die neue Rundschau 46 (1935), 206-214; D. Beckers, Wilhelm von Scholz. Tätigkeit als Dramaturg in Stuttgart (phil. Diss.) München 1956; R. Gramich, Formprobleme der Erzählkunst Wilhelm von Scholz’ (phil. Diss.) München 1958; V. Fix, Wilhelm von Scholz. Leben und Werk. Studien zu seinem Selbstverständnis als Dichter. Zulassungsarbeit zur wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Konstanz 1981 (masch.); J. Ködding, Wilhelm von Scholz. Schriften und die Literatur über ihn und seine Schriften. Diplomarbeit für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken. Bad Honnef 1957 (masch.). – Weitere Beiträge vgl. BbG 8 Nr. 50784-50791 (= 30 Arbeiten) und WGL1950-54 u. 1956. – Bibliographie der Publikationen von Scholz und über Scholz, Typoskript 1988, 108 S. im Besitz des Verfassers, ders., Wilhelm von Scholz und die Juden, in: Allmende 1989, 24/25, 153-165
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