Wohleb, Leo 

Geburtsdatum/-ort: 02.09.1888;  Freiburg
Sterbedatum/-ort: 12.03.1955; Frankfurt a. M.
Beruf/Funktion:
  • CSVP-Politiker, Mitglied des Landtags, Staatspräsident von (Süd) Baden
Kurzbiografie: 1898-1907 humanistisches Bertholdgymnasium in Freiburg
1907-1912 Studium der Archäologie, historischen Bibelwissenschaften, Patristik, klassischen Philologie in Freiburg und – das vorletzte Semester – in Greifswald
1912 Staatsprüfung für das höhere Lehramt
1912-1918 Lehramtspraktikant an badischen Gymnasien, während des Krieges in Bruchsal
1918-1920 Sekretär im Unterrichtsministerium des Kultus und in Karlsruhe
1920-1930 Prof. am Bertholdgymnasium in Freiburg
1930-1931 Direktor des Gymnasiums in Donaueschingen
1931-1934 Oberregierungsrat im oben erwähnten Ministerium in Karlsruhe
1934-1945 Direktor des Gymnasiums Hohenbaden in Baden-Baden
1945-1946 Referent im oben erwähnten Ministerium, zunächst in Karlsruhe, seit September 1945 nur noch in Freiburg (hier: Hochschulreferent), ab 1946 Ministerialrat
1945/1946 Landesvorsitzender der Badischen Christlich-Sozialen Volkspartei (16.12.1945 nominiert, 24.2.1946 gewählt, im August 1947 zurückgetreten)
1946/1947 Staatssekretär des Ministeriums für Kultus und Unterricht, Präsident des Staatssekretariats, Mitglied der Beratenden Versammlung und kurzzeitig deren Präsident
1947 Mitglied des Badischen Landtags, Staatspräsident des Landes, Kultusminister, vorübergehend Finanzminister (1947-48) und Justizminister (1952)
1952 Ende der Amtstätigkeit als Staatspräsident und Minister (17.5.1952), Ehrenvorsitzender der Badischen CDU, Ehrensenator der Universität Freiburg, Bundesverdienstkreuz am Schulterband mit Stern
1952-1955 Gesandter der Bundesrepublik Deutschland in Lissabon, Ehrenvorsitzender des Heimatbundes Badenerland
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1921 Maria, geb. Clorer
Eltern: Vater: Joseph Wohleb, Buchhalter, Kirchensteuerverwalter
Mutter: Luise Stephanie, geb. Streicher aus Gottenheim am Kaiserstuhl
Geschwister: Joseph Ludolf Wohleb, Oberschulrat, Landeshistoriker
Amelie Wohleb
Kinder: keine
GND-ID: GND/118634569

Biografie: Paul-Ludwig Weinacht (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 301-306

Wohleb war ein gelehrter Schulmann, der schon in jungen Jahren einen Namen als Bibelforscher und Patrologe gewann, und der genügend Organisationstalent besaß, um Gymnasiumsdirektor und Ministerialreferent im Karlsruher Kultusministerium zu werden. Wäre das Dritte Reich nicht über ihn und uns Deutsche gekommen, wäre der Lebenslauf des der aktiven Parteipolitik sich enthaltenden Verfassungsfreundes, der sich politisch dem linken Zentrumsflügel zurechnete, in der badischen Gymnasialverwaltung, vielleicht in der Universitätsverwaltung geblieben; er hätte weder die parteipolitische Vereinigung von Christen beider Konfessionen betrieben noch gar großschwäbische Verschmelzungspläne der südwestdeutschen alten Länder abzuwehren gehabt. Er wäre nicht zum Kämpfer geworden, der er seit 1947/48 zunehmend wurde, sondern wäre geblieben, was er seinem Freund Clemens von Brentano brieflich einmal so offenbart hat: im Grund sei er ein „friedliches Gemüse“. Tatsächlich hat Wohlebs Lebenslauf durch das Dritte Reich und dessen Ende einen ganz neuen Verlauf genommen: Er wurde der Gründungsvorsitzende der südbadischen christlich-sozialen Volkspartei, Vorgängerin der CDU, letzter Staatspräsident eines politisch selbständigen (territorial verkleinerten) Badens, als einer von elf Ministerpräsidenten Mitbegründer der Bundesrepublik Deutschland und – nach der Streichung des Nachkriegslandes von der politischen Landkarte – Adenauers erster Missionschef in Portugal. Die Persönlichkeit Wohlebs war die eines auf Ausgleich und Verträglichkeit bedachten Mannes, der vom Kulturliberalismus badischer Observanz erfaßt und in sozialen Fragen von der katholischen Soziallehre bis in emotionale Grundschichten geprägt war. Von kleiner Gestalt und insoweit schon in der Schule Zielscheibe des Spottes, der später, als er in die Politik wechselte, nicht weniger wurde, erwies er sich als ein Großer im Denken, in der beharrlichen, prinzipiengeleiteten Verfolgung politischer Ziele und in der politischen Rede. Er wurde in der über Jahre hin vorbereiteten plebiszitären Entscheidung der Bevölkerung im badischen Ober- und Unterland zur populärsten Verkörperung badischer Politik, zu einem der gesuchtesten Veranstaltungsredner. Weit über sein Staatsamt hinaus wurde er zum charismatischen Führer der Badener-Bewegung. Während seiner Zeit als Staatspräsident legte er Fundamente für eine gute Nachbarschaft mit Frankreich und mit der Eidgenossenschaft. Man hat den badischen Humanisten und Staatsmann von französischer Seite „un patriote européen“ genannt (Peine).
Wohleb stammt aus einer alten Freiburger Familie. Der Vater versah als Buchhalter in einem Rechtsanwaltsbüro zugleich die Kirchensteuerkasse der Stadtpfarrei von St. Martin; die beiden Söhne gingen aufs humanistische Bertholdgymnasium, wo Leo, der ältere, 1907 als Jahrgangsbester sein Abitur ablegte und die Abiturrede hielt. Sein Thema: Carlyles Heldenverehrung anhand von Caesar, Cromwell, Napoleon bereitete ihm später ein wenig Verdrückung, und er bemerkt, daß damals das 5. Kapitel – über historische Größe – aus Jak. Burckhardts Weltgesch. Betrachtungen noch nicht bis zu ihm durchgedrungen gewesen sei. Der Student belegte an der Heimatuniversität bei Thiersch Archäologie, bei Michael Heer Biberforschung und Patrologie und später – des Lehramts wegen – bei Schwartz und Reitzenstein klassische Philologie. Nach einem auswärtigen Semester im zivilisatorisch rückständigen Greifswald meldete er sich 1912 in Freiburg zum Staatsexamen. Wenn er keinen Doktortitel erworben hat, so nicht nur wegen der Nüchternheit der Gymnasiallaufbahn, sondern vor allem wegen der raschen Publizierung seiner philologisch-theologischen Manuskripte. Bereits mit dem Erstling zur lateinischen Didache (1913) machte er in der Patristik auf sich aufmerksam, es folgten über dreißig wissenschaftliche Arbeiten nach. Noch als Student begründete er mit Kommilitonen eine nichtfarbentragende Verbindung, die Societas Graeca, die ihre zunächst fachlich akzentuierten Sitzungen im Deutschen Kaiser in Freiburg-Wiehre abhielt. Auch bewegte er sich in einem damaligen katholisch-sozialen Zirkel, der sich mit Vertretern von Gewerkschaften zu sozialen Fragen der Arbeiterschaft aussprach. Als seine politisch-geistigen Leitsterne wirkten der Pfarrer von St. Martin, Heinrich Hansjakob, der Zentrumsprälat Schofer, zu dessen Partei der Vater gehörte, und der Berliner Studentenseelsorger Carl Sonnenschein, von dem er sagte, daß er Soziaireformer „nicht nur aus dem Verstande, sondern, was mehr wert ist, aus dem Herzen heraus gewesen ist.“
Nach dem 1913 abgelegten Examen kam er als Praktikant ans Gymnasium in Bruchsal (1914-1918), wo er während der Kriegsjahre die Milchversorgung der Stadt nebenamtlich organisierte. Danach holte ihn die Unterrichtsbehörde zwei Jahre ins Karlsruher Ministerium. Von 1920 bis 1930 war er als Professor für Latein und Griechisch am Freiburger Berthold-Gymnasium tätig. Die 1921 geschlossene Ehe blieb kinderlos. Die Gattin hat ihn ein Leben lang auf seinen Wegen begleitet und seine Aufgabe nach dem Tod fortzuführen gesucht. Der sozialdemokratische Unterrichtsminister Adam Remmele berief ihn 1930 als Direktor an das Donaueschinger Gymnasium, wo er sich auch politisch zu bewähren hatte. Seine Reden zum Verfassungstag zeigen ihn als historisch fundierten Republikaner, der an seiner Verläßlichkeit gegenüber der Republik so wenig Anlaß zum Zweifel bot, daß ihn das Ministerium nach kaum einem Jahr als Referent für die Gymnasien erneut nach Karlsruhe holte. Dort wurde er im Februar 1934 ein spätes Opfer der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik. Zwar hatte er den politischen Machtwechsel zunächst unbeschadet überstanden, doch führte ein am 6. Februar 1934 geführtes Telefongespräch unerwartet zu seiner Suspendierung. Der Grund war der, daß Gauleiter und Reichsstatthalter Wagner am Telefon Rechenschaft über eine Verfügung des Ministeriums zur Schulordnung verlangt hatte, in der die Hitlerjugend sich in ihrem Streben nach ausschließlicher Geltung in der Jugendverbandsarbeit zu Gunsten katholischer Jugendgruppen eingeschränkt sah. Wohleb hatte den Anrufer nicht erkannt und „falsch“ reagiert – woraufhin der NS-Funktionär seine sofortige Beurlaubung und die Einleitung eines „geeigneten Verfahrens“ verlangte. Wenn die Angelegenheit glimpflich ausging, so verdankte Wohleb dies seinem Vorgesetzten Kraft, der ihn auf die freigewordene Direktorenstelle auf dem Gymnasium Hohenbaden in Baden-Baden versetzte. Ähnlich wie in Donaueschingen bildete sich auch hier ein Kreis von Gleichgesinnten um ihn, die er zu Vorträgen über die griechisch-römische Kultur- und Stadtgeschichte, auch zur 600jährigen Geschichte des Klosters Lichtental (1946 publiziert) versammelte. Nach dem Einmarsch der Franzosen wurde er erneut ins Karlsruher Kultusministerium berufen, wo ihn alsbald ein Angebot des von den Amerikanern als nordbadischer Oberpräsident eingesetzten Emeritus Karl Holl erreichte, das Wohleb jedoch ablehnte. Nach der Trennung der Verwaltungen zog der „Oberregierungsrat“ ins französisch besetzte Freiburg, wo er Universitätsreferent wurde und in den Kreisen Freiburger und oberbadischer Persönlichkeiten verkehrte, die seit dem Spätsommer 1945 einerseits auf die Gründung einer Zentrumspartei, andererseits auf eine gemeinsame christliche Partei hinarbeiteten. Mangels Einigung auf einen der älteren Zentrumsleute wurde Wohleb, politischer homo novus, am 20. Dezember 1945 zum vorläufigen Landesvorsitzenden und auf dem Gründungsparteitag der BCSV, am 24. Februar 1946 im Kaufhaussaal in Freiburg, zum Landesvorsitzenden gewählt.
Da er das Vertrauen von Erzbischof Gröber besaß, bei den Franzosen gut angeschrieben war und bei den wichtigsten örtlichen Politikern (Dr. Paul Zürcher, Dr. Ernst Föhr), ähnlich wie anderorts Adenauer, wenn auch aus anderen Gründen, allenfalls als Übergangserscheinung gewertet wurde, fielen Wohleb im Laufe des Jahres 1946 die unterhalb der französischen Ebene wichtigsten Ämter für deutsche Politiker zu: Leiter des Unterrichtsministeriums, Präsident der vorläufigen Regierung und – nachdem Paul Zürcher infolge des Thillessen-Prozesses als Anwärter auf das Amt des Staatspräsidenten ausgefallen war – nach der Landtagswahl vom 18. Mai 1947, bei der die BCSV 56 % der Stimmen gewann, auch das Amt des Staatspräsidenten (24. Juli 1947). Vergebens suchte er die Allparteienkoalition in der Zeit der fortdauernden politischen Abhängigkeit deutscher Politik beizubehalten, zumal ein Ausgleich zwischen kulturliberalem und christlich-sozialem Denken seinem Naturell entsprach. Liberale (DP) und Sozialdemokraten waren bei der Besetzung des Wirtschaftsressorts nicht einigungsfähig, so daß die Liberalen sich weigerten, in die Regierung zu gehen. Wohleb behielt das Kultus- und Unterrichtsministerium. Anfang Januar 1948 verließen auch die Sozialdemokraten wegen Meinungsverschiedenheiten über das Agrarreformgesetz, in dem Wohleb und Zürcher auf einer besonders dem adeligen Grund- und Waldbesitz genehmen Lösung bestanden, die Regierung. Im Februar 1948 traten Wohleb und sein Kabinett aus Protest gegen französische Demontagepläne zurück und solidarisierten sich insoweit mit der Tübinger Regierung. Als im August 1948 neuerlich Koalitionsverhandlungen beginnen, scheiterten sie an der Person Wohlebs, der damals bereits im Neugliederungsausschuß der Ministerpräsidenten eine entschiedene Politik der Wiederherstellung Badens betrieb. Dennoch konnte Wohleb, der seit August 1947 das Amt des Vorsitzenden der CDU aufgrund eines Unvereinbarkeitsbeschlusses des Zweiten Parteitags (lex Wohleb in § 15 Absatz 6 der Parteisatzung) an seinen Stellvertreter Anton Dichtel hatte abgeben müssen, die Fraktion hinter sich einen. Im Februar 1949 bildete er neuerlich ein allein von der CDU gestelltes Kabinett.
Zu Wohlebs großen Leistungen gehörten: auf kulturpolitischem Gebiet die Erhaltung der humanistischen Gymnasien, die institutionelle Bereicherung des beruflichen Schulwesens und die soziale Öffnung weiterführender Bildungswege ohne Niveauverlust; auf dem Gebiet der Sozial- und Wirtschaftspolitik die Fürsorge für die Kriegshinterbliebenen, die Einbindung der Gewerkschaften in die Planung der Wirtschaft (vor der Währungsreform) und der Betriebsräte in die Führung der Betriebe; auf kommunalem Gebiet die Respektierung und Wiederherstellung alter Stadtrechte, d.h. eine Politik der Förderung bürgerschaftlicher Mitverantwortung; im Nachbarverhältnis am Oberrhein gute Beziehungen zur Eidgenossenschaft, deren bündischem Denken er sich eng verbunden fühlte und, wenn auch ungleich schwieriger, belastungsarme Beziehungen zur Okkupationsmacht Frankreich, in deren Hauptstadt er zur Abwendung von wirtschaftlichen Schäden gefahren war und die er in hartnäckigen Verhandlungen zur Räumung Kehls und zur Freigabe des Kehler Hafens veranlassen konnte. (Noch immer ist der Kehler Hafenvertrag unter Beteiligung der Straßburger Hafenbehörde ein zwischenstaatliches Instrument, das den Geist guter Nachbarschaft atmet.) Im April 1950 konnte Wohleb anläßlich des Antrittsbesuchs von Bundespräsident Heuss ein Gemeinwesen repräsentieren, das – noch in Erwartung der Wiederherstellung „vom See bis an des Maines Strand“ – seine bundesförderliche Kraft in einem Meer von gelbrot-gelben Fahnen demonstrierte.
Währenddessen zog die Baden-Frage immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Die überregionale deutsche Öffentlichkeit schätzte die französische Deutschlandpolitik als Ausfluß älterer Ideen de Gaulles ein und blockte sie ab: Baden sollte – ähnlich der Pfalz in Rheinland-Pfalz – weit nach Osten hin rückverbunden werden; darum einigte sich der Kreis der Ministerpräsidenten in der Frage des Frankfurter Dokuments auf die Vordringlichkeit einer Neugliederung im Südwesten, worunter bis auf den badischen Vertreter alle übrigen den Südweststaat verstanden. Nicht anders war es im Rahmen der Verhandlungen gemäß Artikel 118 Grundgesetz – zunächst zwischen den drei südwestdeutschen Regierungschefs, dann in den Gremien des Bundes. Vergeblich bemühte sich Wohleb den Bundesgesetzgeber davon zu überzeugen, daß die badische Bevölkerung im Raum des alten Freistaats eine gesetzliche Chance haben müsse, ihren Willen auf Wiederherstellung des Landes durchzusetzen. Der Bundesrat beschloß, am 25. April 1951 auf der Basis eines Tübinger Antrags ein Neugliederungsgesetz, das darauf hinauslief, den badischen Neugliederungswillen durch Württemberg zu majorisieren. Am 25. Mai 1951 legte die badische Landesregierung Rechtsmittel beim Bundesverfassungsgericht ein und weigerte sich, die Abstimmung in (Süd-)Baden durchzuführen, solange nicht das Gericht die bestrittene Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geprüft habe.
Daraufhin wurde eiligst das Bundesverfassungsgericht konstituiert, das – trotz glänzender Gutachtenlage der badischen Regierung, die die besten deutschen und österreichischen Völkerrechtslehrer für ihre Rechtsauffassung versammelte – bei Stimmengleichheit der Richterbank das Gesetz passieren ließ. Aus „Respekt vor der Justiz“ hatte Wohleb sich geweigert, einen Befangenheitsantrag gegen einen südweststaatlich festgelegten Richter zu stellen. Der Volksentscheid am 9. Dezember 1951 brachte keine Überraschung: Eine in Süd- und Nordbaden entstandene probadische Mehrheit von 52,2 Prozent der Stimmen lief leer, da sie mit den württembergischen Stimmen und den im nordbadischen Landesteil Badens für den Südweststaat abgegebenen Stimmen gegengerechnet wurde. Indes kapitulierte Wohleb noch nicht: Von seinem staatsrechtlichen Beistand, Oberlandesgerichtspräsident Zürcher, beraten, legte er über die Abgeordneten Kopf und Hubert im Bundestag einen Gesetzentwurf vor, wonach der Vollzug des Gesetzes bis zur Neugliederung des Bundesgebietes nach Artikel 29 Grundgesetz ausgesetzt bleiben sollte; auch dieser Antrag wurde von der Mehrheit im Bundestag abgelehnt.
Nachdem der Kampf gegen den Südweststaat vorerst gescheitert war, entschloß sich Wohleb – was kaum noch bekannt ist – an der Spitze der südbadischen CDU-Abgeordneten nach Stuttgart zu gehen und dort für eine Schadensbegrenzung einzutreten; in Anlehnung an Ideen des Ellwanger Kreises für Verfassungsfragen – wollte er eine Binnenföderalisierung des Südweststaates erreichen. Die Bedingung, die er im parteilichen Umfeld machte, hieß jedoch, Rückkehr in die Parteiführung der (süd-)badischen Union. Der lavierende Anton Dichtel wehrte den Angriff auf den Vorsitz beim Parteitag vom Februar 1952 im Vorfeld ab; Wohleb wurde „Ehrenvorsitzender“ der Partei und sah sich politisch an den Rand gedrängt. Daraufhin gab er die Kandidatur des Stadtkreises Freiburg der CDU für die Beratende Landesversammlung zurück. Im Juni 1952 wählte ihn der Senat der Freiburger Universität zu seinem Ehrenmitglied, wofür sich Wohleb in einer lateinischen Rede ebenso geistreich wie stilvoll bedankte. Unmittelbar darauf nahm er das Angebot des Bundeskanzlers an, eine der neu zu eröffnenden Auslandsmissionen zu leiten. Von seinem bisherigen Mitarbeiter in der Staatskanzlei, Botschafter Clemens von Brentano, der inzwischen als Botschafter in Rom war, wohl informiert, ging er im Spätsommer 1952 als Gesandter nach Lissabon. Viele haben Wohlebs Entscheidung für falsch gehalten und sprachen von Flucht; indessen wollte er sich nicht in einflußloser Position verschleißen lassen und wartete auf eine zweite politische Chance. Diese schien im Sommer 1953 gekommen, als Adenauer ihm den Rat gab, sich für den Bundestag aufstellen zu lassen. Die Fernkandidatur scheiterte an der Reserviertheit heimischer Parteifreunde. Wohleb bewahrte engen Kontakt mit dem Heimatbund, dessen Ehrenvorsitzender er war, und hielt bei seinen gelegentlichen Reisen in die Heimat stark besuchte Badener-Versammlungen ab. Am 17. Mai 1954 sprach er in Freiburg über die Rechtskränkung Badens als die „badische Krankheit“. So erfolgreich und behutsam er die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Salazar-Staat einzuleiten wußte, so wenig gönnte man ihm, dem Quereinsteiger in den diplomatischen Dienst, die Rangerhebung der „Gesandtschaft“ in eine „Botschaft“. Am 24. Dezember 1954 ließ man den im Angestelltenverhältnis bei der Bundesrepublik verpflichteten Altstaatspräsidenten wissen, daß in drei Monaten sein Dienst beendet sei. Vor der deutschen Kolonie in Lissabon nahm er mit den Worten Abschied: „Ich bedauere nur, daß ich anscheinend dazu ausersehen bin, immer in schwierigster Lage eine Arbeit anzufangen und aufzubauen, ohne selber ernten zu können.“ Wohleb begleitete noch, während sein Umzugsgut bereits nach Freiburg unterwegs war, den portugiesischen Wirtschaftsminister auf dessen erster Deutschlandreise; eine Venenthrombose, die er trotz zunehmender Schmerzen hatte anstehen lassen, führte am 12. März 1955 unmittelbar nach Beendigung seiner letzten Mission in der Frankfurter Universitätsklinik zum Herzstillstand.
Wohlebs Beerdigung in Freiburg wurde zu einem bewegenden Ereignis, an dem die Bevölkerung zu Zehntausenden teilnahm. Die Last des morbus badensis – noch hatte Karlsruhe sein Urteil zu badischen Fragen in Anwendung auf Artikel 29 Grundgesetz ja nicht gesprochen hatte dem Vorkämpfer Badens das Leben zuletzt schwer gemacht. Mit seinem Tod verlor die Badener Bewegung ihre beseelende Kraft.
Quellen: StAF Nachlaß L. Wohleb.
Werke: Von Wohleb abgefaßte Liste seiner 31 Veröffentlichungen 1913-1943 im Nachlaß, vgl. Q; Aus meinem Leben, Erinnerungen, in: Bff 32, 1952, 77-81. 700 Jahre Kloster Lichtental, Baden-Baden 1946 (48 S.); Die badische Krankheit, in: Badenerland 2. Jg. Nr. 2/3. 1954, 5-7; Farbiger Abglanz der Heimat, in: Freiburg. Alman., 1952, 23-26.
Nachweis: Bildnachweise: zahlreiche Fotos im Nachlaß L.Wohleb in StAF.

Literatur: L. Wohleb – zum 10. Todestag am 12.3.1965. Zusammengestellt von seiner Frau, Karlsruhe 1965; L. Wohleb – Humanist und Politiker. Der letzte Staatspräsident des Landes Baden, hg. v. Hans Maier und Paul-Ludwig Weinacht, Heidelberg 1969; Paul-Ludwig Weinacht, Hg., L. Wohleb, Der andere politische Kurs, Dokumente und Kommentare, Freiburg 1976; Die Entstehung des Bundeslandes Baden-Württemberg. Eine Dokumentation, bearb. von Paul Sauer, hg. vom Landtag von B.-W. in Verbindung mit dem HStAS, Ulm 1977, bes. 28 ff., 41-45, 52 ff., 76-84, 90-96, 116-126 u. passim; Die CDU in B-W und ihre Geschichte, hg. von Paul-Ludwig Weinacht (= Schriften zur polit. Landeskunde B-W Bd. 2) Stuttgart 1978, 10 bes. 90 ff., 96 ff. u. passim; Paul Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, Stuttgart 1983, Einführung; Hans-Georg Merz, Beamtentum im nationalsozialistischen Staat – Der „Fall“ L. Wohleb (1934), in: Zs des Breisgau-Geschichtsvereins 103. Jahresh. 1984, 131 ff.; Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre. Badische Politik nach 1945, hg. von Paul-Ludwig Weinacht, Sigmaringendorf 1988; Ausstellungsverzeichnis: Badens letzter Staatspräsident, L. Wohleb 1888-1955, hg. vom Staatsarchiv Freiburg 1988, 44 S.
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