Meier, John 

Geburtsdatum/-ort: 14.06.1864; Horn bei Bremen
Sterbedatum/-ort: 03.05.1953;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Volkskundler und Volksliedforscher
Kurzbiografie: Schulzeit und Abitur in Bremen (Altes Gymnasium)
1883-1886 Studium der Germanistik (Eduard Sievers) in Tübingen
1886-1888 Studium der Germanistik (Hermann Paul) in Freiburg i. Br.
1888 Promotion und Dissertation (Hermann Paul) daselbst
1891 Habilitation an der Hallenser philosophischen Fakultät in Germanistik (als Schüler von Eduard Sievers), Dozent der Germanistik in Halle an der Saale
1899 Berufung nach Basel auf den Lehrstuhl für Germanistik
1905-1912 Obmann der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde
1906 gründet das Schweizerische Volksliedarchiv in Basel
1907 Rektor der Universität Basel
1911-1949 Vorsitzender des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde
1912 Umzug nach Freiburg i. Br., Silberbachstr. 13, Honorarprof. an der Universität Freiburg i. Br.
1914 1. 5. gründet das Deutsche Volkliedarchiv, Freiburg i. Br.
1915 (jährlicher) „Bericht über die Sammlung deutscher Volkslieder“ (bis Heft 18, 1941)
1924 erstes Heft der populär gestalteten „Landschaftlichen Volkslieder mit ihren Weisen“ (Heft 44, 1972)
1928 gründet die Fachzeitschrift „Jahrbuch für Volksliedforschung“ (Jahrgang 31, 1986)
1935 erster Band der historisch-kritischen und kommentierenden Ausgabe der „Deutschen Volkslieder mit ihren Melodien: Balladen“ (Band VII, 1982)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1893 Mila, geb. Meier (1867-1902)
2. 1907 Sascha, geb. Wingenroth (1873-1952)
Eltern: Vater: John Daniel Meier (1804-1871), Senator und regierender Bürgermeister von Bremen
Mutter: Meta, geb. Rommel (1821-1884)
Geschwister: 8 ältere Geschwister
Kinder: (aus 1) Hermann (1895-?)
GND-ID: GND/118732609

Biografie: Otto Holzapfel (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 203-204

Die akademische Laufbahn des nicht unvermögenden Bremer Hanseatensohns Meier schien bereits mit seiner vorbildlichen Untersuchung und Edition einer spätmittelalterlichen Reimpaardichtung in seiner Freiburger germanistischen Dissertation vorgezeichnet. Den Anstoß zur volkskundlichen Arbeit erhielt der junge Dozent in Halle durch die Herausgabe der von ihm wiederaufgefundenen älteren Volksliedsammlung der „Bergreihen“ aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Hier bot sich ein philologischer Fassungsvergleich an, der in der Fragestellung nach dem Wesen der Volksüberlieferung, der oralen Tradition überhaupt gipfelte – eine Problemstellung, die die Forschung bis heute unvermindert beschäftigt. Am gegenwärtigen Volkslied, durch die Sammlungen seines Bekannten Carl Köhler von Mosel und Saar, fundierte Meier seine dann 1897 erstmals vorgetragene These von der offensichtlich dichterischen Vorstufe vieler Volkslieder, während er den angeblichen überindividuellen Ursprung des Volksliedes (Kollektivdichtung) als romantisches Erbe zurückweist. Diese Position („Herrenverhältnis“ des Volkes zum Lied) führte im Extrem und übersteigert zur Idee anderer von der Volksdichtung als dem „zersungenen“ Endprodukt in einem Verfallprozeß, dem „gesunkenen Kulturgut“. Doch Meier selbst hob später immer wieder den schöpferischen Vorgang solcher Umsingeerscheinungen hervor. Seine bibliographische Liste der „Kunstlieder im Volksmunde“ von 1906 fußte auf den Vorstudien anderer, wurde aber zum epochemachenden Arbeitsinstrument einer modernen, rezeptionstheoretisch orientierten Volksliedforschung.
Die glücklichen Basler Jahre 1899-1912 brachten Meier in freundschaftliche Verbindung mit bedeutenden Volkskundlern, u. a. mit den Schweizern Eduard Hoffmann-Krayer und Hanns Bächtold (sein Schüler), und hier entstand die Anregung zur systematischen Sammlung und Dokumentation des deutschsprachigen Volksliedes. Mit der Zielvorstellung einer zuverlässigen Monumentalausgabe des deutschen Volksliedes quasi als nationale Pflicht gründete Meier 1914 das Deutsche Volksliedarchiv, das er bis zu seinem Lebensende leitete und in seinem Freiburger Haus beherbergte. Durch ein großes Netz selbstlos arbeitender Informanten konnten die Sammlungen aus der direkten mündlichen Überlieferung schnell erweitert, eine entsprechende Edition bald in Angriff genommen werden. Nach dem Tod von Meier wurden die stark angewachsenen Sammlungen nach testamentarischem Willen verstaatlicht, und das Haus wird als freies wissenschaftliches Forschungsinstitut weitergeführt.
Meier war über Jahrzehnte hinweg Vorsitzender der (heutigen) „Deutschen Gesellschaft für Volkskunde“ und prägte damit das Fach Volkskunde in Forschung, akademischer Lehre und gegenüber der Öffentlichkeit. Seinen entscheidenden Anregungen verdanken viele volkskundliche Großwerke ihre Entstehung und Förderung („Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“, „Internationale volkskundliche Bibliographie“, „Atlas der deutschen Volkskunde“). Alle diese Aktivitäten zeugen von einem beträchtlichen organisatorischen Talent des lauteren und gegenüber sich selbst wissenschaftlich kompromißlosen Forschers, der sich auch von den versuchten Zugriffen während des Dritten Reiches nicht korrumpieren ließ.
Werke: (in Auswahl): Bergreihen, Halle 1892; Volkslieder von der Mosel und Saar (zus. mit C. Köhler), Halle 1896; Kunstlieder im Volksmunde, Halle 1906, Nachdruck mit Nachwort v. R. W. Brednich, Hildesheim 1976; Werden und Leben des Volksepos, Halle 1909 (Vortrag); Das Soldatenlied im Felde, Straßburg 1916; Volksliedstudien, Straßburg 1917; Balladen, Leipzig 1935-1936, Nachdruck Darmstadt 1964; Ahnengrab und Brautstein, Halle 1944; Ahnengrab und Rechtsstein, Berlin 1950.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos u. a. in den Festschriften „Volkskundliche Gaben“, 1934 und „Angebinde“, 1949. – Ölgemälde von W. Enholz aus der Basler Rektoratszeit im Deutschen Volksliedarchiv.

Literatur: (in Auswahl): Volkskundliche Gaben: J. Meier zum 70. Geburtstag, hg. v. E. Seemann und H. Schewe, Berlin-Leipzig 1934; Angebinde: J. Meier zum 85. Geburtstag, hg. v. F. Maurer, Lahr 1949; E. Seemann, J. Meier: Sein Leben und Wirken; Freiburg i. Br. 1954 (Freiburger Universitätsreden, N.F. 17); W. Suppan, Das Deutsche Volksliedarchiv 1914 bis 1964, in: Deutsches Jb. für Volkskunde 10, 1964, 317-322; P. Andraschke, Verzeichnis der Schriften J. Meiers, in: Jb. für Volksliedforschung 14, 1969, 124-142; R. Frenze), Meier, J., in: Bremische Biographie 1912-1962, Bremen 1969, 333-334; W. Heiske, Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg i. Br., in: Handbuch des Volksliedes, hg. v. R. W. Brednich, L. Röhrich, W. Suppan, Bd. 2, München 1975, 175-184.
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