Lorenser, Hans 

Geburtsdatum/-ort: 06.02.1916;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 19.07.1989;  Ulm
Beruf/Funktion:
  • Oberbürgermeister von Ulm, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft 1982/83, CDU, MdL
Kurzbiografie: 1933-1937 Kaufmännische Lehre und Kaufmannsgehilfe in einer Maschinenfabrik und Eisengießerei in Ludwigsburg; seit 1927 Mitarbeit in der katholischen Jugendbewegung (bis zum Verbot)
1937-1945 Arbeits- und Wehrdienst, Verwundung beim Vormarsch in Rußland; während der Genesung Ablegung der Sonderreifeprüfung und Beginn des Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlichen Studiums an der TH Stuttgart (Wintersemester 1942/43 bis Wintersemester 1943/44) und Universität Tübingen (Sommersemester 1944), dazwischen Bilanzbuchhalterprüfung – Amerikanische Gefangenschaft
1945-1947 Leiter des Kreisernährungsamtes Ludwigsburg; gleichzeitig Weiterstudium Universität Tübingen (Sommersemester 1946 bis Wintersemester 1946/47), Diplomprüfung für Volkswirte (1947)
1947-1954 Verwaltungsdirektor am Kreiskrankenhaus Ludwigsburg, gleichzeitig Promotion Universität Tübingen zum Dr. rer. pol. (1949)
1947 Vorstandsmitglied der Württemberg-Badischen, später Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Stuttgart; Vorsitzender und Mitglied von Fachausschüssen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Düsseldorf; Mitarbeit im neu gegründeten Kommunalen Arbeitgeberverband in Württemberg-Baden, später Baden-Württemberg (KAV), Stuttgart
1948 Vorsitzender des Fachgruppenausschusses für Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten des KAV (bis 1964); 1949 Mitglied des Fachgruppenausschusses für Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Köln
1951-1975 Landesarbeitsrichter am Landesarbeitsgericht Stuttgart
1952 Eintritt in die CDU
1953-1954 Gemeinderat in Ludwigsburg
1954 Mitglied der Sachverständigenkommission beim Bundeswirtschaftsministerium für die Bundespflegesatzverordnung
1954-1955 2. Beigeordneter der Stadt Ulm
1955-1972 1. Bürgermeister der Stadt Ulm
1961-1972 Stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes kommunaler Unternehmen (VkU)
1963 Mitglied des Vorstandes der DKG
1964 Mitglied des Präsidiums der VKA
1964-1972 Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg, dort im Finanzausschuß und im Ausschuß für Landesplanung, Raumordnung und Wohnungswesen
1969-1983 Mitglied im Aufsichtsrat der Milchwerke Schwaben
1972 Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Wiederwahl 1980, in dieser Funktion Vorsitzender der Aufsichtsräte städtischer Beteiligungsgesellschaften, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Ulm (im Wechsel mit Landrat), Mitglied des Verwaltungsausschusses des Arbeitsamtes Ulm (seit 1960), Vorstandsmitglied im Städtetag Baden-Württemberg
1973 Mitglied des Tarifausschusses und des Bühnentarifausschusses (1974) des Deutschen Bühnenvereins
1974 Vorstandsvorsitzender der BWKG; Verbandsvorsitzender des KAV; Vorstandsmitglied des Württembergischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes
1975 Mitglied im Verwaltungsrat der Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen und im Verwaltungsrat der Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester
1976 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
1977 Mitglied des Gründungskuratoriums der Sozial- und Arbeitsmedizinischen Akademie Ulm (Träger Universität Ulm und LVA Württemberg), Vorstandsvorsitzender (1983-1987)
1980-1983 Mitglied des Beirates beim Bundesarbeitsministerium zur Beratung des Ausschusses für Fragen der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser
1981 Vorsitzender der VKA; Großes Bundesverdienstkreuz
1982 Präsident der DKG
1984 Ruhestand; Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland; Ehrenbürger der Stadt Ulm zusammen mit seiner Ehefrau Rosa; Ehrenamtlicher Geschäftsführer des Rehabilitationskrankenhauses Ulm GmbH (RKU); Berufung in das Kuratorium der Deutschen Altenhilfe – Wilhelmine-Lübke-Stiftung Köln; Vorsitzender des Schwäbischen Heimatbundes (bis 1989)
1985 Mitglied der Denkmalstiftung Baden-Württemberg; Komtur des Silvesterordens
1986 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
1987 Großes Ehrenzeichen der Stadt Linz (Österreich); Dr. med. h. c. der Universität Ulm
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1941 Ludwigsburg, Rosa, geb. Freitag
Eltern: Otto Lorenser (1896-1962), Werkmeister in einem Ziegelwerk in Ludwigsburg
Cäcilie, geb. Sandhas (1897-1963)
Geschwister: 1
Kinder: Brigitte (geb. 1943)
Monika (geb. 1944)
GND-ID: GND/118927744

Biografie: Gerhard Stuber (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 301-304

Lorensers Lebensweg war geprägt von seiner religiösen Grundhaltung als praktizierender Katholik; er gehörte während des 3. Reiches der katholischen Jugendbewegung Neu-Deutschland an und war deren Repräsentant in Ludwigsburg. Dies führte ihn auch zu Auseinandersetzungen mit den Machthabern der damaligen Zeit.
Nach einer Verwundung beim Vormarsch in Rußland 1943 bot sich Lorenser die Möglichkeit, das Abitur nachzuholen und das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der TH in Stuttgart zu beginnen und an der Universität in Tübingen weiterzuführen.
Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft kehrte Lorenser nach Ludwigsburg zurück. Da er „unbelastet“ war, wurde ihm im September 1945 die Leitung des Kreisernährungsamtes Ludwigsburg übertragen; er war zuständig für die Beschaffung von Lebensmitteln und von Dingen des täglichen Bedarfs für den Landkreis Ludwigsburg.
Im Sommersemester 1946 nahm Lorenser das Studium an der Universität Tübingen neben seiner Verwaltungstätigkeit wieder auf und schloß es 1947 mit der Diplomprüfung für Volkswirte ab. Seine Aufgeschlossenheit für Wirtschafts- und Verwaltungsfragen veranlaßte Prof. Rieger, den Inhaber des Tübinger Lehrstuhles für Privatwirtschaftslehre, Lorenser auf eine besondere Thematik aufmerksam zu machen, die ihn ein Leben lang nicht mehr losließ: nach welchem Rechnungsstil sollen Krankenhäuser geführt werden, in der Form der Kameralistik oder nach den Grundsätzen der doppelten kaufmännischen Buchführung? Diese Untersuchung war Gegenstand seiner Dissertation (Etat oder Bilanz? Finanzwirtschaftliche oder privatwirtschaftliche Rechnungsweise bei kommunalen Krankenanstalten).
Lorenser wechselte im April 1947 als Verwaltungsdirektor zum Kreiskrankenhaus Ludwigsburg und versuchte damit, Theorie und Praxis zusammenzuführen. Doktorvater war inzwischen Prof. Johns; am 8. Juli 1949 wurde Lorenser zum Dr. rer. pol. promoviert.
Die Dissertation wurde veröffentlicht und fand im kommunalen Bereich reges Interesse. Hinzu kamen zahlreiche Veröffentlichungen über krankenhausspezifische Fragen. Lorensers Art, Erkanntes in die Tat umzusetzen, führte ihn bald in die Interessensverbände der Krankenhäuser und in deren Vorstandsebenen. In Württemberg-Baden gehörte Lorenser dem Vorstand der Krankenhausgesellschaft schon 1947 an, 1974 wurde er deren Vorsitzender, auf der Bundesebene war er seit 1963 Vorstandsmitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft; dieser Verband wählte Lorenser 1982 zu seinem Präsidenten. Lorenser war Gründungsmitglied der Fachvereinigung der Verwaltungsleiter Deutscher Krankenanstalten sowie der Krankenhausfachmesse.
Da Personalfragen im Krankenhaus eine wichtige Rolle spielen, engagierte sich Lorenser auch beim Arbeitgeberverband. Hier wirkte er von Anfang an als Mitglied und später als Vorsitzender des für das Krankenhauswesen zuständigen Fachausschusses maßgebend an der Gestaltung des öffentlichen Tarifrechtes mit.
Lorenser gehörte dem Vorstand des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg seit 1960 an und wurde 1974 zum Vorsitzenden gewählt. Auf der Bundesebene war Lorenser in der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände seit 1964 Mitglied des Präsidiums, 1975 2. Vorsitzender und ab 1981 Vorsitzender der VKA. In dieser Eigenschaft vertrat Lorenser die Kommunen der Bundesrepublik Deutschland bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst.
Seine politische Grundeinstellung führte Lorenser zwangsläufig auch zur Politik. Er trat 1952 der CDU bei und wurde 1953 in den Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg gewählt. Dabei entstand ein Streitpunkt mit seinem Dienstherrn, ob Befangenheit vorliege, wenn ein Leitender Beamter einer Kreisbehörde in den Gemeinderat einer Kreisstadt gewählt wird. Persönliche Auseinandersetzungen hierzu mit dem Landrat veranlaßten Lorenser schließlich, einer Aufforderung, sich in Ulm als Wirtschaftsbürgermeister zu bewerben, nachzukommen. Lorenser wurde 1954 in diese Position gewählt. Seine besondere Leistung in dieser Funktion (bis 1972) war die Ansiedelung von neuen Gewerbebetrieben im Westen der Stadt (Ulm 1970: 78 500 Beschäftigte). Diese Zeit gehörte zu der produktivsten in Ulm, da es zu einer Arbeitsteilung zwischen Oberbürgermeister Pfizer (Verwaltung und Kultur) und Lorenser (Wirtschaft) kam. Lorensers Popularität stieg ständig, dies veranlaßte die CDU, ihn in den Landtagswahlkampf 1964 zu schicken. Lorenser nahm der SPD das Direktmandat ab. Bis 1972 gehörte Lorenser, nach Wiederwahl 1968, dem Landtag an. Sein besonderes Bemühen galt der Randlage von Ulm. Immer wieder wies er auf diese hin, was Ministerpräsident Lothar Späth zur Aussage veranlaßte, Lorenser sei der teuerste Abgeordnete, wenn es um Ulm gehe, kenne er keine Parteien mehr. 1972 stellte sich Lorenser nicht mehr zur Wahl in den Landtag, sondern kandidierte bei der Oberbürgermeisterwahl. Er wurde mit 63,5 % der gültigen Stimmen unter 3 Bewerbern gewählt. Lorenser nutzte die Chancen für Eingemeindungen, gliederte 9 Gemeinden ein und verdoppelte die Markung der Stadt Ulm von 4978 ha auf 11 878 ha. Ulm wurde Großstadt. In diese Zeit fiel auch der Auf- und Ausbau der Universität Ulm, die Lorenser tatkräftig und vielfältig (vor allem die Medizin) unterstützte, förderte und in die Stadt integrierte.
Mit Ausstrahlung und Charme führte Lorenser sein Amt, eigenwillig und unbürokratisch, kein Feld der Kommunalpolitik auslassend, von allen Parteien anerkannt und verwurzelt in der Bürgerschaft. 1980 erfolgte die Wiederwahl zum Oberbürgermeister mit 91,4 % der gültigen Stimmen unter 4 Bewerbern. In dieser Amtsperiode gelang Lorenser die Verstaatlichung der städtischen Kliniken (1982) und die Gründung einer grenzüberschreitenden Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mit der bayrischen Schwesterstadt Neu-Ulm (1983). Tiefe Enttäuschung erlitt er durch die Ablehnung des Baues einer Müllverbrennungsanlage in Gemeinschaft mit dem Alb-Donau-Landkreis und dem Landkreis Neu-Ulm durch den Gemeinderat (1980). Immer deutlicher wurde danach sein Bemühen um Einzelschicksale der Bürger und um Linderung von Einzelnöten. Aufgrund der Erreichung der Altersgrenze schied Lorenser am 29.2.1984 aus dem Amt, von der Bürgerschaft verehrt – von vielen seiner ausstrahlenden Herzlichkeit wegen sogar geliebt.
Lorenser zog sich nicht zurück, sondern übernahm ohne Entgelt die Geschäftsführung des von ihm initiierten Rehabilitationskrankenhauses (232 Betten und 80 Plätze für berufliche Rehabilitation). Er übernahm auch den Vorsitz des Schwäbischen Heimatbundes von 1984-1989 und war in dieser Funktion ab 1985 auch Mitglied der Denkmalstiftung Baden-Württemberg.
Im Verlauf der sich abzeichnenden Krankheit wurden seine gewohnten Spaziergänge (im Dienst täglich 4 x 3 km) weniger, bevor er einem Herzversagen erlag.
Nachdem in seinem letzten Lebensjahrzehnt vielfach Hochgeehrten wurde 1991 im Ulmer Industriegebiet Donautal eine Straße benannt.
Quellen: Stadtarchiv Ulm; Nachlaß Hans Lorenser; Die Abgeordneten der Landtage in Baden-Württemberg von 1946-1978, 151, 1978; MdL und Landtagsgeschichte von Baden-Württemberg von 1945-1984, 177, 1984; 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Tübingen, Biographien der Doktoren und Ehrendoktoren und Habilitierten 1830-1980 (1984) 394, Nr. 1315, 1984
Werke: Etat oder Bilanz? Finanzwirtschaftliche oder privatwirtschaftliche Rechnungsweise bei kommunalen Krankenanstalten. Wirtschaftswissenschaftliche Dissertation, Tübingen 1949, maschinenschriftlich (Sign. UB Tübingen Um 2937); Die Reform des Rechnungswesens in Krankenanstalten, 1950, 120 S.; Zur Organisationsform kommunaler Betriebe, in: Gemeindewirtschaft und Unternehmerwirtschaft (Festgabe für Rudolf Johns), 1965, 269-286; Jährliche Schwörreden des Oberbürgermeisters ... 1973-1983, Hg. Stadt Ulm 1973-1983, jeweils ca. 30 S.; Finanzierung der laufenden und investiven Kosten für Krankenhausleistungen der 80er Jahre, in: Dokumentation 11. Deutscher Krankenhaustag 1981, 1981, 37-52; Das Krankenhaus – heute und vor 40 Jahren, in: Das Krankenhaus 79. Jg. 12/1987, 491-495; Die Rechtsform des kommunalen Krankenhauses, Stiefkind unter seinesgleichen?, in: Krankenhausökonomie in Wissenschaft und Praxis (Festschrift für Siegfried Eichhorn), 1988, 268-274; Warum brauchen wir eine Deutsche Krankenhausgesellschaft?, in: 40 Jahre Deutsche Krankenhausgesellschaft, Hg. DKG, 1989, 80-97; Weitere Fachveröffentlichungen zu Krankenhausfragen in den Zeitschriften: Anstaltsumschau, Krankenhausumschau und Das Krankenhaus; Zusammenstellung in Auswahl in: Etat oder Bilanz, Hg. Studienstiftung der Verwaltungsleiter deutscher Krankenanstalten, 1956, S. 98; Veröffentlichungen über Ulmer Stadtprobleme in Südwest-Presse, Schwäbische Zeitung und Neu-Ulmer Zeitung (1954ff).
Nachweis: Bildnachweise: Fotos Stadtarchiv Ulm; Portraitgemälde (1981 von Arnold) im Rathausfoyer Ulm; Gedenktafel in der Eingangshalle des RKU (1990)

Literatur: Ulm – „Reichen und Armen ein gemeiner Mann“. Dr. Hans Lorenser. Oberbürgermeister 1972-1984, Hg. Stadt Ulm 1984, 160 S.; Moré, G., OB Dr. Hans Lorenser – eine Ära geht zu Ende. Liberalität und Bürgernähe – sein Markenzeichen, in: Ulmer Forum 68 (1983/1984), 34 f.; Nachruf: Dr. Dr. med. h. c. Hans Lorenser, Oberbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Ulm, Hg. Stadt Ulm 1989, 22 S.; weitere Nachrufe in: Südwest-Presse, Schwäbische Zeitung, Neu-Ulmer Zeitung vom 21.07.1989 ff., Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten vom 21.07.1989, Staatsanzeiger von Baden-Württemberg vom 22.07.1989; Moré, G., Erinnerungen an Dr. Hans Lorenser. Hg. Stadt Ulm 1996, 74 S.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)