Rasch, Heinz 

Geburtsdatum/-ort: 15.02.1902; Charlottenburg
Sterbedatum/-ort: 27.11.1996; Wuppertal
Beruf/Funktion:
  • Architekt, Möbeldesigner, Autor
Kurzbiografie: 1912-1914 Besuch des Städtischen Realgymnasiums Elberfeld (heute: Carl-Fuhlrott-Gymnasium)
1916-1917 Studium an der Königlichen Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Bromberg/Westpreußen (seit 1945: Bydgoszcz)
1920 Abitur in Elberfeld. Immatrikulation an der Architekturfakultät der Technischen Hochschule Hannover
1921 Im Wintersemester Wechsel an die Technische Hochschule Stuttgart
1923 Gründung der Firma „Werkkunst Arche“ zur Fabrikation von Kleinmöbeln und Holzbeleuchtungskörpern in Möhringen
1924-1925 Diplom. Pressedienst der „Deutschen Bauausstellung Stuttgart“; 1925 Redakteur der BDA-Zeitschrift „Die Baugilde“ in Berlin
1926-1930 Mit Bodo Rasch Inhaber der Firma „Brüder Rasch“ in Stuttgart. Ausstattung zweier Musterwohnungen der Weißenhofsiedlung. 5 Buchpublikationen
1930-1933 Übersiedlung nach Berlin-Lichterfelde, 1933 nach Wuppertal-Elberfeld
1933-1945 Werbe- und Bauleiter der Lackfabrik Dr. Kurt Herberts&Co. Ab 1938 Mitinitiator und Mitautor einer von Herberts herausgegebenen Schriftenreihe zu Maltechnik und Oberflächengestaltung, für die Rasch u. a. die verfemten Künstler Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und den Kunsthistoriker Hans Hildebrandt anstellt. Zeitgleich Tätigkeit als freier Architekt
1945-1953 Organisation von mehr als 90 Ausstellungen in Raschs „Studio für neue Kunst“, Wuppertal
1956 Deutsches Patent für ein „Haus mit aufgehängten Geschoßdecken“. Propagierung des Bautyps durch Wettbewerbs- und publizistische Beiträge
1974 Britisches Patent für ein „Hängeterrassenhaus“
1981-1982 Lehrauftrag an der Universität/Gesamthochschule Wuppertal
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1930 (Berlin) Jutta, geb. Kochanowski (1908-1980)
Eltern: Vater: Konrad August Eberhard Bodewin (1867-1918), Regierungsbeamter
Mutter: Marie Louise Wilhelmine, geb. Schmithals (1878-1961)
Geschwister: 3:
Bodo (1903-1995)
Ruth, verheiratete Koch (geb. 1904)
Rudolf (1907-1982)
Kinder: 2:
Rolf (1933-1999)
Inka (geb. 1940)
GND-ID: GND/12128526X

Biografie: Annette Ludwig (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 280-282

Raschs Name ist in der Architekturhistoriographie untrennbar mit dem seines jüngeren Bruders Bodo verbunden. In den Jahren ihrer Arbeits- und Lebensgemeinschaft 1926 bis 1930 traten die Brüder Rasch mit wegweisenden Architekturentwürfen hervor, die vom russischen Konstruktivismus beeinflusst sind. Die sämtlich unrealisiert gebliebenen Projekte in Hängekonstruktion, darunter Hochhäuser, Wohnsiedlungen, Industrie-, Sport- und Messebauten, zählen zu den „schönsten Arbeiten der frühen Moderne“ (H. Klotz 1996), ihre Bedeutung wurde von der Forschung jedoch erst seit den 1980er Jahren wahrgenommen. Als Designer entwarfen die Brüder Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände, die eine neue, „befreite“ Wohnkultur propagierten und ihnen u. a. den Auftrag zur Ausstattung zweier Wohnungen der Werkbundsiedlung am Weißenhof (Haus Peter Behrens, Haus Ludwig Mies van der Rohe) eintrugen. Mit ihren Publikationen steuerten sie wichtige Bausteine zu der sich in den 1920er Jahren als eigene Gattung konstituierenden Architekturpublizistik bei; mit dem Band „Gefesselter Blick“ legten sie eine der ersten zeitgenössischen Dokumentationen über die neue Buchdruckerkunst und Reklame vor. Indem sich die Brüder Rasch maßgeblich an der Gestaltung und Ausstattung ihrer Bücher beteiligten, stellten sie die postulierte Wechselbeziehung zwischen dem „Neuen Bauen“, dem „Neuen Wohnen“, dem „Neuen Sehen“ und der „Neuen Typographie“ auch konkret unter Beweis. Die Facetten des Werks spiegeln den generalistischen, von Werkbund-, Bauhaus- und konstruktivistischen Kunstkonzepten beeinflussten Anspruch der Raschs wider: ihre Arbeit sollte die gesamte industrialisierte Lebenswelt durchdringen.
Die Anfänge des eigenständigen Œuvres von Rasch, der 1924 bei Paul Bonatz diplomierte, wurden vom Einfluss der „Stuttgarter Schule“ bestimmt und folgten damit der südwestdeutschen Architekturentwicklung nach dem I. Weltkrieg. Im Umfeld der an der Stuttgarter Bauausstellung (1924) und an der Weißenhofsiedlung (1927) beteiligten Avantgarde emanzipierte er sich vom Traditionalismus seiner Lehrer, indem er mit neuen Bauweisen und -materialien experimentierte. Mit der Trennung von seinem Bruder und der Übersiedlung nach Wuppertal kam es in den frühen 1930er Jahren abermals zu einer Neuorientierung: Rasch errichtete eine der modernsten Lackfabriken Deutschlands und begründete seinen Ruf als Industriearchitekt, der ihm in der Nachkriegszeit zahlreiche Bauaufträge in Nordrhein-Westfalen einbrachte. Im Dienste der Firma Herberts&Co. organisierte Rasch darüber hinaus Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten für verfemte und mit Berufsverbot belegte Künstler (u. a. Projekt „Modulation und Patina“), so dass ihm in der Geschichte der „Inneren Emigration“ eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
Nach 1945 schuf Rasch mit seinem „Studio“ jenseits der Metropolen ein Forum für die moderne Kunst. Das Hängehaus geriet auch in der zweiten Lebenshälfte zu seiner zentralen Vision. Der Nestor und Apologet des Konstruktionsprinzips erhielt zwei Patente und hohe Publizität; die Realisierung des Bautyps war ihm jedoch zeitlebens nicht vergönnt. Wiederauf-, Um- und Neubauten, darunter drei Villen in Hagen, bestimmten sein architektonisches Werk, das er 1963 mit der Evangelischen Petruskirche in Wuppertal-Barmen beschloss.
Werke: Dt. Architektur Museum (DAM), Frankfurt/M; Haus E. Rasch, Bad Oeynhausen (1926-1927); Entwürfe für zugbeanspruchte Konstruktionen (1927 ff.); Klappstuhl (1928, Patenterteilung 1932); Produktionsanlagen Lackfabrik Dr. Kurt Herberts&Co., Wuppertal (1928-1945); Schraubenfabrik Kolb&Co., Wuppertal (1937-1939); Karosseriefabrik Hebmüller&Söhne, Wülfrath (1948-1952); Rheinische Textilfabriken, Wuppertal (1950-1952); Wohnhaus Dr. Breuer, Hagen (1954-1955); Wohnhaus Dr. Wolff, Hagen (1955-1957); Wohnhaus Vollmers, Hagen (1962 f.); Ev. Petruskirche, Wuppertal (1962 f.). – Stuttgarter Neues Tagblatt vom 10. 11. u. 15. 12. 1923, 21. 2., 24. 7. 1926 u. 29. 11. 1926; Wenn Maler dichten, 1951; in: Die Kunst u. das schöne Heim, H. 12, 1956, 468 f.; Some roots of modern architecture, 1967; Franz Krause, hg. von Egidio Marzona, o. J. [1982]; Daten zu 5 Büchern, in: Polis, H. 1, 1997, 28-31; zahlreiche Privatdrucke. – Publikationen d. Brüder Rasch u. ergänzende Lit. siehe auch unter Bodo Rasch.
Nachweis: Bildnachweise: Herberts, 1989, 14; Ludwig, 2000, 166 u. Akat. Münster 2004, 6.

Literatur: Egidio Marzona, Brüder Rasch, 1981; Akat. Vision d. Moderne, 1986, 225-235; Karin Kirsch, Die Weißenhofsiedlung, 1987, 83 ff., 190; Kurt Herberts (Hg.), Modulation u. Patina, 1989, 14 ff. u. passim; Udo Garweg, Wuppertaler Künstlerverzeichnis, 2000, 308 f.; Matthias Freytag, Stuttgarter Schule für Architektur 1919-1933, 1996, 47, 62, 258, Abb. 310-317; Ina Hanemann u. Petra Holtmann, Hagener Architektur, 1996, 90 f.; Heinrich Klotz, Architektur, 1996, 234; Annette Ludwig, Wohnungen wie Vogelnester am Baum, in: DAM Architektur Jahrb. 2000, 164-170; Akat. Modulation u. Patina, 2004, 6 ff. u. Passim.
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