Hohmann, Walter 

Geburtsdatum/-ort: 18.03.1880;  Hardheim
Sterbedatum/-ort: 11.03.1945; Essen
Beruf/Funktion:
  • Bauingenieur und Weltraumforscher
Kurzbiografie: 1891–1900 Humanist. Gymnasium Würzburg bis Abitur
1900–1904 Studium des Bauingenieurwesens an d. TH München bis Abschluss Diplomingenieur
1904 –1912 Arbeit im Hoch-, Tief- u. Brückenbau bei Wahlberg in Wien, in Berlin, Hannover u. Breslau, 1911 Assistent am Lehrstuhl für Statik, Brücken- u. Eisenbetonbau bei Prof. Dr. Robert Otzen (1839–1911) an d. TH Hannover
1911 Beginn d. Beschäftigung mit Astronomie, seit 1914 auch mit Weltraumfahrt u. Arbeit an: „Die Erreichbarkeit d. Himmelskörper“
1912–1945 Aufbau u. Leitung d. Statischen Abteilung u. d. Materialprüfung am Städt. Hochbauamt Essen; Baurat
1915 achtmonat. Kriegsdienst im Infanteriereg. 159, Mülheim
1916–1919/20 Einreichung d. Diss. an d. TH Aachen: „Über das Zusammenwirken von altem u. neuem Beton in Eisenbetontragwerken”, Diss. kriegsbedingt erst 1919 angenommen u. 1920 vom Dt. Ausschuss für Eisenbetonbau angekauft
1925 „Die Erreichbarkeit d. Himmelskörper, Untersuchungen über das Raumfahrtproblem“, 1. Aufl. 1925, 2. Aufl. 1970, 3. Aufl. 1994; Nachdrucke in d. UdSSR u. den USA
1927 Mitglied im Vorstand des neugegr. „Vereins für Raumschiffahrt“, Breslau, u. Ehrenmitglied d. „Österreichischen Gesellschaft zur Förderung d. Raumforschung“
1928 Zweitplatzierung beim Wettbewerb um den „Robert-Esnault-Pelterie–Hirsch-Preis“
1946 Wahl zum korrespond. Mitglied d. „Section Astronautique– Assocciation des Aéro-Clubs Universitaires et Scolaires de France“
1963 D. F. Lawson liefert den mathemat. Beweis für die „Hohmann-Bahnen“, wonach Ellipsen, die die Bahn des zu erreichenden Himmelskörpers tangieren, die günstigste Verbindung dorthin darstellen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Walter-Hohmann-Straße Essen (1965/66); Hohmann-Krater auf d. Mondrückseite im Mare Orientale durch die Internat. Astronomische Union benannt (1970); Gedenktafel am Schloss Hardheim u. Walter-Hohmann-Sternwarten in Essen-Schuir (1971) u. Hardheim (1993); Hohmann-Tafel mit Bild in d. „International Space Hall Of Fame“ in Alamogordo, New Mexico, USA (1976); Walter-Hohmann-Grund- u. Hauptschule Hardheim, ständ. Sonderausstellung Hohmann im Erfatal-Museum Hardheim u. Walter-Hohmann-Symposium Raumflugtechnik d. Dt. Ges. für Luft- u. Raumfahrt in Köln (1980); neuentdeckter Kleinplanet nach Hohmann benannt (2005); Walter-Hohmann-Denkmal auf d. seit 1974 so benannten Walter-Hohmann-Höhe in Hardheim in Planung (2011).
Verheiratet: 1915 (Essen) Luise, geb. Jünemann
Eltern: Vater: Rudolph (1845–1919), praktischer Arzt u. Chirurg, 1880–1883 Leiningischer Hofarzt in Amorbach
Mutter: Emma, geb. Drube, aus Arolsen
Geschwister: 2; Eleonore (* 1875), Mutter des Hitler-Attentäters Albrecht Mertz von Quirnheim, u. Caroline (* 1876)
Kinder: 2; Rudolf (* 1916) u. Ernst (1918–1945, gefallen), Arzt
GND-ID: GND/121966151

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 179-184

Die ersten sechs Lebensjahre verbrachte Hohmann in seinem Geburtsort im bad. Frankenland, bis sein Vater, der in Hardheim als praktischer Arzt und Chirurg am Spital, ab 1880 als leiningischer Hofarzt in Amorbach gewirkt hatte, aus gesundheitlichen Gründen samt Familie nach Port Elizabeth in Südafrika auswanderte. Dort besuchte Hohmann dann die englische Volksschule. Den 11-jährigen schickte die Familie wieder in die Heimat zurück, wo er als Pensionsgast bei einem der Lehrer untergebracht bis zum Abitur das Humanistische Gymnasium in Würzburg besuchte.
Sein Interesse ließ Hohmann dann aber eine ganz andere Richtung einschlagen. Schon früh hatte es ihm die Technik angetan, der Brückenbau zumal. Er begann, an der TH München Bauingenieurwesen zu studieren. Der Einsturz der Brücke über den Tay während eines Sturmes, wenige Monate vor seiner Geburt, der dabei einen vollbesetzten Eisenbahnzug mit in die Tiefe riss – Theodor Fontane hat die Katastrophe in einer Ballade thematisiert – mag Hohmann zu einem lebensprägenden Vorgang geworden sein. Vielleicht gaben daraus gefolgerte Fragen auch den Ausschlag dafür, dass der begeisterte Bergsteiger zusammen mit einem Studienfreund auf die Zugspitze kletterte, um mehrere Tage lang den Winddruck auf ein zwei Quadratmeter großes Brett zu untersuchen; beide wären damals bei einem Wettersturz fast erfroren. Ein anderes frühes Interessensgebiet Hohmanns war Ballistik; Geschoßflugbahnen interessierten ihn. Auch das sollte später von praktischer Bedeutung für seine Arbeit werden.
Nach erfolgreichem Studienabschluss arbeitete der junge Diplomingenieur acht Jahre lang im Hoch-, Tief- und Brückenbau: in Wien, wo er den im II. Weltkrieg zerstörten Leuchtturm am Praterspitz errichtete, in Berlin und Hannover. Dort war er ein Jahr lang auch als Assistent an der Technischen Hochschule tätig. Schließlich wirkte Hohmann ab 1911 in Breslau, ein, wie sich zeigen sollte, für seine weitere Entwicklung einschneidender Zeitabschnitt seines Lebens.
1912 endlich begann die Hohmanns weiteres Leben bestimmende Tätigkeit, als er die Stelle im Hochbauamt der Stadt Essen antrat. Dort baute er dessen Statische Abteilung auf und die Materialprüfstelle. Er erwarb sich rasch einen weit über das Ruhrgebiet hinausreichenden Ruf und wurde ein vielgefragter Experte, zumal im Brücken- und Talsperrenbau. Ein längerer Einsatz während des I. Weltkriegs blieb Hohmann erspart; nach nur acht Monaten forderte ihn die Stadt Essen gegen Ende 1915 wieder zurück. So konnte er ohne größere Unterbrechung seine Dissertation zu einem ingenieurtechnischen Thema fertigstellen und 1916 einreichen; kriegsbedingt wurde das Verfahren der TH Aachen erst 1920 abgeschlossen.
Wenn Hohmann trotz anerkannter fachlicher Kapazität zeitlebens nicht über die Stufe des Baurats hinaus befördert wurde, so mag dies seinem bescheidenen Wesen, zuerst aber wohl der nicht unbekannten kosmopolitischen Weltanschauung der ganzen Familie zugeschrieben sein. Diese Einstellung scheint schon in seinen 1911 bis 1914 verfassten und im Nachlass überlieferten 88 Seiten „Briefe an mich selbst“ auf. Hohmann schrieb hierin u. a. von den „krankhaften Erscheinungen der Alldeutschen Bewegung“, verwarf Patriotismus, nicht aber die „durchaus stille und bescheidene Eigenschaft“ der Heimatliebe. Vor allem forderte er „Achtung vor fremder Eigenart“. So wird verständlich, wenn daraus später tiefe innere Gegensätze zum NS-Regime resultierten und auch nicht unbeachtet blieben.
Der Weltraum wird den naturwissenschaftlich Interessierten schon als Kind begeistert haben; Jules Verne zumindest gehörte zu seiner frühen Lektüre, und vieles, was bei Jules Verne der Phantasie entsprang, scheint Hohmann angeregt und aufgegriffen zu haben. Er hat es schließlich als realisierbar nachgewiesen. Zum auslösenden Moment in diesem Zusammenhang geriet während seiner Breslauer Zeit ein prima vista marginal anmutender Vorgang: Ein älterer Vetter, Leiter der „Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik“ in Wien, hatte ihm sein „Lehrbuch der kosmischen Physik“ geschenkt. Dieses und ein paar andere Werke, so Max von Laues gerade erschienenes Buch „Das Relativitätsprinzip“, eröffneten Hohmann ein fortan immer privat verstandenes, letztlich aber sein bedeutendstes Schaffensfeld. Die Werke des amerikanischen Physikers Robert Goddard (1882–1945) „A method of reaching extreme altitudes“, „Die Rakete zu den Planetenräumen“ des Siebenbürgener Physikers Hermann Oberth (1894–1989) und „Der Vorstoß in den Weltenraum“ des Bozners Max Valiers (1895–1930), der bald in seinem Opel-Raketenauto auf der Avus zu Tode kam, zitiert Hohmann im Vorwort zur ersten Auflage seines 1925 erschienenen Buches. Wann er hingegen auf das 1903 veröffentlichte Buch von Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski (1857–1935) „Die Erforschung des Weltraums mit Reaktionsapparaten“ stieß, ist unbekannt. Mit ihm stand er in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre aber genauso in Verbindung wie mit Nikolai Rynin (1887–1942) und Jakov I. Perelman (1882–1942) aus Leningrad.
Schon während Hohmann an seiner Dissertation arbeitete, mit Sicherheit in der folgenden vierjährigen Wartezeit und danach, hatte er sich nämlich mit Fragen der Weltraumfahrt beschäftigt: Loslösung vom Schwerkraftfeld der Erde und Rückkehr dorthin, die freie Fahrt im Raum, die Umfahrung und schließlich die Landung auf anderen Himmelskörpern – das waren die Leitfragen, auf die er Antworten suchte, durch „nüchterne, rechnerische Verfolgung aller scheinbar im Wege stehenden naturgesetzlichen und Vorstellungsschwierigkeiten“, wie er im Vorwort einleitete. Und am Schluss fügte er dort in der ihn charakterisierenden Bescheidenheit hinzu: „Wenn bei den Berechnungen stellenweise statt streng mathematischer Formeln etwas umständlich erscheinende Näherungsverfahren angewendet werden, so liegt dies daran, dass der Verfasser nicht Mathematiker sondern Ingenieur ist“.
Das Buch, das in vielfach überarbeiteter Version nach reichlich zehn Jahren und längerer Verlagssuche erschien, wurde 1925 unter dem Titel „Die Erreichbarkeit der Himmelskörper, Untersuchungen über das Raumfahrtproblem“ gedruckt. Bis dahin hatte Hohmann alle ihm zugänglichen Erkenntnisse einbezogen und vor allem Hermann Oberth folgend die angenommene Abstoßungsgeschwindigkeit zur Überwindung der Erdschwerkraft von 2000 m/sec., worin er zuvor das Maximum des technisch Möglichen erblickt hatte, auf bis zu 5000 m/sec. gesteigert. Was er in diesem, seinem bedeutendsten Werk publizierte, waren nur schwerst verständliche, spröde erscheinende 88 Seiten voller mathematischer Ableitungen. Das Buch erlebte bis in die Gegenwart drei Auflagen. Mit seinem Kommentar zur bisher letzten Auflage 1994 verband der Münchner Astronom Felix Schmeidler die Hoffnung, „dass […] die gewaltige Pionierleistung“ Hohmanns so verständlicher werde. Er bescheinigt dem Inhalt die „prophetische Voraussicht des Raumfahrtpioniers“, womit er ganz mit Wernher von Braun (1912–1977) übereinstimmt, der Hohmanns Buch in einem Handschreiben an das Collegium Astronomicum des Kuratoriums „Der Mensch und der Weltraum“ von 1973 „eine großartige, an die Ingenieure adressierte Herausforderung“ nennt und feststellt: „Es lag ihm [Hohmann]als Wegbereiter jedoch offensichtlich daran, nicht Konstruktionen vorzulegen, sondern ein Konzept. […] genial vereinfachende Illustrationen“. Von Braun wusste um die Kühnheit der Ideen Hohmanns; denn welcher Anstrengungen im Detail hatte es bedurft, bis der Mensch nur „seinen“ Mond erreichen konnte: eines vorgelagerten Gemini-Programms für 1147 300 000 US $, das erst einmal beweisen musste, dass Menschen bei null G (= Schwerelosigkeit) gefahrlos überleben konnten, wenn sie nur ihre Beine hinreichend bewegten, damit sie nicht kraftlos würden und sich keine Thrombosen einstellten. Erst war nachzuweisen, dass und wie im Großen zum Beispiel Andockmanöver von Raumfahrzeugen realisierbar sind, im Kleinen der Mensch fähig ist zu vorderhand simpel erscheinenden Verrichtungen im Weltraum: dem Lösen von Schrauben etwa, ohne die erdvertraute Hebelwirkung. Dann wurde das Apollo-Programm angegangen mit dem Großereignis und Höhepunkt in jeglicher Hinsicht: der Mondlandung der ersten Menschen. Weitere gut 23 Milliarden US $ waren bis dahin aufgewandt – wohlgemerkt, die Kosten auf sowjetischer Seite bleiben hier unberücksichtigt, sind wohl auch kaum greifbar. Dabei war in Hohmanns „großem Wurf“ der Mond keineswegs die erste und wichtigste Station, nur eine denkbare Basis für die Hohmann eigentlich erstrebenswert erscheinenden ersten Erkundungsschritte von Menschen im Weltraum.
Einiges von dem, was Hohmann angedacht und herausgefunden hatte, wurde erst mit der Landung von Menschen auf dem Mond am 20. Juli 1969, 44 Jahre später also, realisiert. Dann begann auch allmählich die weltweite Anerkennung Hohmanns; der aber hatte nicht den Mond sondern zuerst die Venus mit ihrer dichten Atmosphäre, dann den Mars als von der Erde aus zu erreichenden Planeten benannt. Dem Mond wies er bereits die Funktion der Basisstation für Raumflüge zu.
Hohmann untersuche in seinem Hauptwerk die physikalische Ausgangssituation für bemannte Raumfahrt. An diesem Grundanliegen orientierte er seine Gedanken, wenn er eingangs nach den Möglichkeiten fragte, sich mit einem Raumschiff von der Erde zu lösen. Seine Grundlage war die klassische Himmelsmechanik, vor allem Newtons Prinzip vom Rückstoß, den Hohmann prinzipiell wie das Abfeuern eines Geschosses mit einem „Richtgeschütz“ (31994, S. 54) zur Initialzündung anging. Der einmal erreichte Massenausstoß brachte die Geschwindigkeit, der freilich die Gravitation der Erde entgegenwirkte. Da es diese auszugleichen galt, musste Hohmann von mehreren Ausstößen ausgehen. Eine ideale, möglichst dauerhaft gleichbleibende Geschwindigkeit war durch die technischen Grenzen letztlich aber nicht zu erzielen. Der auslösende Antrieb, um den nötigen Rückstoß zu erzeugen, war damals allein über die Zündung von Schwarzpulver denkbar. Das war aber genauso ineffizient wie schwer. Hohmann beschreibt die Startrakete als einen Turm aus im idealen Falle rauch- und rückstandslos verbrennendem Pulver von 27 m Höhe und fast 19 m Basisdurchmesser. Der hohen Temperaturdifferenz wegen zwischen der jeweils der Sonne zugewandten und der Schattenseite sollte sein Raumschiff isoliert sein, wofür er Torfmull verwenden wollte. Als Heizung sah er einen Petroleumofen vor, und für die Passagiere wie die Feuerung dachte er auch an genügend flüssig mitzuführenden Sauerstoff. Da er das Eigengewicht beim Start möglichst niedrig halten musste, suchte er es auf 3 t Gesamtgewicht zu beschränken.
Hohmanns Sorge galt vor allem aber den Grenzen der körperlichen Belastbarkeit des Menschen. Sein hier zugrunde gelegter Wert war 20 bis 30 m/sec. Das entsprach der Belastung beim Sprung eines Erwachsenen aus 2 m Höhe.
Beim zweiten von Hohmann angegangenen Problem, der Rückkehr in den Gravitationsbereich der Erde und die Landung, ging er gedanklich vom Luftwiderstand aus und seiner Bremswirkung beim Gleitflug zur Landung. Er wusste, dass der kürzeste Weg, nämlich der senkrechte Fall, nicht gangbar war, weil so das Raumschiff verglühen würde. Stattdessen erkannte er als optimale Lösung, dass ein mehrfaches, langsam tiefer gehendes tangentiales Eintauchen in die Atmosphäre auf immer kleiner werdenden Ellipsenbahnen ein allmähliches Abbremsen bei verminderter Hitzeentwicklung bewirken würde. Wieder suchte Hohmann so realistisch wie möglich vorzugehen und die technischen Grenzen der damaligen Zeit, vor allem die der Materialien, einzubeziehen. Er überlegte sich konstruktive Elemente am Raumschiff, wie z. B. Tragflächen für definierte Luftverwirbelungen und Kühlrippen zur zusätzlichen Wärmeabfuhr, so dass die Restreibung als Bremswirkung beim Landen möglichst positiv nutzbar wäre. Schließlich wollte Hohmann Bremsfallschirme einsetzen, die allerdings, da sie verbrennen könnten, gleich mehrfach mitgeführt werden sollten.
Hatte das Schiff die freie Fahrt im Raum erreicht, war es je nach Position verschiedenen Gravitationsfeldern, ausgesetzt: erst der Erde, bald der Sonne, schließlich des Zielplaneten. Um sein Ziel zu erreichen, mußte die Bewegung der Planeten und ihre relative Position zu jedem Zeitpunkt berücksichtigt sein. Da Hohmann als präferiertes erstes Ziel eines Raumflugs die Venus anpeilte, berechnete er hierfür besonders ausführlich mögliche Flugbahnen unter Berücksichtigung der einwirkenden Gravitationskräfte. Er kam zu dem Schluss, dass das Raumschiff auf einer Ellipsenbahn am effektivsten sein Ziel erreichen kann. Da wegen der veränderten Konstellation der Planeten und der Sonne zueinander für die Rückkehr zur Erde nicht die gleiche Ellipsenbahn verwendet werden konnte, sollte der Planet in Warteschleifen umkreist werden, bis auf eine optimierte elliptische Rückflugbahn eingeschwenkt werden konnte.
Die Landung auf dem fremden Planeten stellte sich Hohmann prinzipiell wie die Rückkehr zur Erde vor: elliptische Annäherung im Gleitflug mit allmählich tieferem Eindringen in die Atmosphäre. Auf dieses Thema ging Hohmann übrigens in einem späteren Aufsatz noch einmal ein und schlug nun ausdrücklich ein eigenes Landefahrzeug vor, während das Raumschiff auf der Umlaufbahn blieb. Beispiele mögen verdeutlichen, welch immensen praktischen Problemen sich Hohmann bei allem grundsätzlichem Optimismus ausgesetzt sah. Das durch Initial- und Nachschubzündungen schließlich aus der Erdatmosphäre herausgetretene Raumschiff musste seine Bahn einhalten, obwohl es eigentlich kaum über Manövriervorrichtungen verfügte. Für Kurskorrekturen gab es weder mechanische Kreisel noch Impuls-Steuerdüsen. Zum Manövrieren erdachte Hohmann deshalb ein Leitersystem innen im Raumschiff, worauf sich die Astronauten gegenläufig zur beabsichtigten Manövrierrichtung bewegen sollten, um den Flugkörper so zur angestrebten Neigung zu bringen. Für eine Schwenkung um 360 Grad hätten sie das Schiff Hohmannscher Dimension 120-mal innen umrunden müssen. Der dabei nötigen Bewegung maß Hohmann durchaus positive Nebeneffekte für die Gesundheit der Besatzung zu, außerdem sah er einen Spareffekt beim Heizen. Eine deutlich weiter hergeholte Lösung schließlich war die der Brennstoffbeschaffung, um von einem anderen Planeten überhaupt den Rückflug antreten zu können. Schwarzpulver in ausreichender Menge mitzuführen war seines Gewichts wegen ausgeschlossen. Darum erkannte Hohmann zwar, dass Brennstoffe mit höherer Effizienz entwickelt werden müssten, einstweilen müsse Brennstoff aber auf dem Zielplaneten produziert werden.
Zur bleibenden Leistung gerieten die heute nach ihm benannten elliptischen „Hohmann-Bahnen“, ein nach Wernher von Braun bis in die Gegenwart gängiger Begriff. Der mathematische Nachweis, dass die Ellipse die effektivste Verbindungslinie zwischen zwei Planeten darstellt, ließ übrigens bis 1978 auf sich warten.
Hohmanns neben dem Beruf her entstandenes Werk zum Thema Weltraumfahrt umfasst nur wenige Titel; in den Aussagen waren sie umso gewichtiger. Das gilt auch für seinen Aufsatz „Fahrtrouten, Fahrzeiten u. Landungsmöglichkeiten“, den er in W. Leys Sammelband „Die Möglichkeit der Weltraumfahrt“ 1928 publizierte. Darin formulierte er erstmals die Idee eines Beibootes, welches vom Raumschiff, das in der Planetenumlaufbahn bleibt, abkoppelt, auf dem Himmelskörper landet und zum Mutterschiff zurückkehrt. Wernher von Braun, der Konstrukteur des amerikanischen Saturn-Raketen-Programms und wohl wichtigste Mann beim ersten Mondlandeprogramm, kannte Hohmanns Schriften seit seinem 18. Lebensjahr und hat diesen Gedanken Hohmanns bei der Mondlandung aufgegriffen und realisiert.
Wie weit Hohmann damals dem geistigen Horizont seiner Zeit vorausgeeilt war, belegen deutliche Indizien massivster Vorurteile, auch und gerade in Fachkreisen. Hohmann stand fast vor einer Einheitsfront der Ablehnung, hatte doch selbst der Präsident des VDI in der Vereinszeitschrift die Ergebnisse der Weltraumpioniere, auch der Arbeiten Hohmanns, als illusorisch abgetan. Die Dissertation Hermann Oberths, des anderen großen deutschen Raumfahrtpioniers, war zunächst sogar zurückgewiesen worden und sein 1923 publiziertes Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen“ fand nur geringe Verbreitung, trotz der publizistischen Aktivitäten des Schriftstellers, Astronomen und Verfassers von „Der Vorstoß in den Weltraum“, Max Valier. Noch 1939 bildete die Anerkennung von Oberths wissenschaftlicher Leistung den Gegenstand einer Anfrage. Es mag grotesk anmuten, ausgerechnet Hohmann wurde aufgefordert, den Wert Oberthscher Forschungen „in objektiver Weise“ zu beurteilen.
Dass Hohmann, Valier und Oberth damals längst in regem Austausch standen, wirkt nur verständlich. Schon kurz nach Erscheinen von Hohmanns Buch kam es auch zu internationalem Austausch. Russische Wissenschaftler suchten zu Hohmann Kontakt. Anerkennung in ausländischen Fachkreisen markiert nicht nur die Platzierung Hohmanns hinter Oberth beim „Robert Esnault-Pelterie-Hirsch-Preis“ 1928. Noch kurz vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges wurde Hohmann aufgefordert, im neugegründeten „Groupement Astronautique Français“ mitzuarbeiten. Schon zehn Jahre zuvor hatte Robert Esnault-Pelterie (1881–1957) ihn vergeblich um Zusammenarbeit gebeten: die berufliche Belastung erschien Hohmann stets als zu groß und ließ ihn von weiteren Aufgaben absehen. Bei der Gründung des „Vereins für Raumschifffahrt“ 1927 in Breslau wurde Hohmann in den Vorstand gewählt. Als man ihm den Vorsitz antrug, lehnte er ab. Dennoch überdauerte Hohmanns Bekanntheit und Anerkennung sogar den Krieg, wie die Ehrung aus Frankreich belegt, die nach seinem Tod 1946 in Essen eintraf.
In seinen letzten Lebenstagen hatte Hohmann eine V 2-Rakete über Essen fliegen sehen, was freilich nicht die Art Einsatz einer Rakete war, die ihm während Jahrzehnten vorgeschwebt hatte. Auf der anderen Seite erhebt sich indessen die Frage, ob das Faktum, die vorbeifliegende Rakete, allein nicht schon größte Bestätigung war, auch wenn Hohmann dabei nicht wissen konnte, was innerhalb des 20. Jh.s noch verwirklicht werden und wie der Mensch, der in den Weltraum vorgedrungen war, damit seinen geistigen Horizont in ungeahnte Weiten ausdehnen würde. Das war strahlende Rechtfertigung für diesen, den wichtigeren Teil von Hohmanns Lebenswerk.
Hohmann starb in einem Essener Krankenhaus kurz vor Vollendung seines 65. Lebensjahres und dem Ende des II. Weltkrieges, auch in Folge von Unterernährung.
Quellen: Nachlass Hohmann im Familienbesitz; Handschreiben von Wernher von Braun, Virginia (USA), vom 1.10.1973 an das Collegium Astronomicum „Der Mensch u. d. Weltraum“, „Dt. Museum“ München – Faksimile im „Erfatal-Museum“, Hardheim u. Abdruck in Mensch u. Weltraum VI/I 1980, 11 (vgl. Literatur); Auskünfte von Torsten Englert, Vorsitzender Erfatal-Museum Hardheim, vom Mai bis August 2010 u. von Dipl. Phys. Gerhard Raule, Mannheim, vom August u. September 2010
Werke: Mitarbeit an: Robert Otzen, Praktische Winke zum Studium d. Statik, 1911; Über das Zusammenwirken von altem u. neuem Beton in Eisenbetontragwerken, Diss. ing. TH Aachen, 1920; Die Erreichbarkeit d. Himmelskörper, Untersuchungen über das Raumfahrtproblem, 1. Aufl. 1925, 2. Aufl. 1970 u. 3. Aufl. 1994, darin kommentiert vom Felix Schmeidler; Fahrtrouten, Fahrzeiten u. Landungsmöglichkeiten, in: W. Ley, Die Möglichkeit d. Weltraumfahrt, 1928.
Nachweis: Bildnachweise: Halbrelief des Kopfes auf dem Hohmann-Denkmal in Hardheim (vgl. Ehrungen); Mensch u. Weltraum VI/I, 1 (vgl. Literatur).

Literatur: Walter Hohmann, in: Die Rakete, Verein für Raumschiffahrt 1927, 169; Dr. ing. Walter Hohmann, ein Pionier d. Raumschifffahrt, von StadtA Schröter, in: Jahrb. d. Stadt Essen, 1965/66; Kurt Neuberger, Walter Hohmann, Leben u. Werk, Dipl.-Arbeit am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik d. TH München, 1970; Walter Hohmann, in: H. O. Ruppe, Raumfahrt, ECON, 1980, 42 f.; Walter Hohmann. Leben u. Beruf, in: Mensch u. Weltraum, Jahrg. VI/I, Sonderh., 1980; Kepler u. Hohmann, ebd.; H. O. Ruppe, Raumfahrt: Kepler u. Hohmann, RT-KB 80/1, März 1980; Marga Hohmann (Schwiegertochter), Biographische Daten zum Leben u. Werk Walter Hohmanns, in: Die Erreichbarkeit d. Himmelskörper, 3. Aufl. 1994, IX-XVII (vgl. Werke); whs [Walter-Hohmann-Sternwarte Essen] (Hg.), 40 Jahre, Jubiläumsband, Oktober 2009; Marga Hohmann, Walter Hohmann – Leben u. Werk, ebd. 12–15; Helmut Metz, Walter Hohmanns Brückenschlag, Buchbesprechung (von: Die Erreichbarkeit d. Himmelskörper), ebd., 16.
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