List, Wilhelm Siegmund Walther 

Geburtsdatum/-ort: 14.05.1880;  Oberkirchberg, Kreis Laupheim
Sterbedatum/-ort: 16.08.1971; Garmisch-Partenkirchen
Beruf/Funktion:
  • Generalfeldmarschall
Kurzbiografie: 1898 Abitur. Eintritt in das bayerische Heer
1900 Beförderung zum Leutnant im 3. Pionierbataillon, München
1908-1911 Kommandierung zur bayrischen Kriegsakademie, München
1913 Ernennung zum Kompaniechef im 1. Pionierbataillon, München, Beförderung zum Hauptmann
1914-1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Generalstabsoffizier
1919 Beförderung zum Major. Übernahme in das Übergangsheer der Vorläufigen Reichswehr
1923 Ernennung zum Kommandeur des III. (Jäger)-Bataillons/19. (Bayerisches) Infanterieregiment, Kempten. Beförderung zum Oberstleutnant
1924 Ernennung zum Leiter der Führergehilfenausbildung im Generalstab der 7. (Bayerischen) Division, München
1927 Ernennung zum Abteilungsleiter der Heeresausbildungsabteilung (T4) im Truppenamt, Berlin, Beförderung zum Oberst
1930 Ernennung zum Kommandeur der Infanterieschule, Dresden, Beförderung zum Generalmajor
1933 Ernennung zum Kommandeur der 4. Division und Befehlshaber im Wehrkreis IV, Dresden
1935 Ernennung zum Kommandierenden General des IV. Armeekorps, Dresden, Beförderung zum General der Infanterie
1938 Ernennung zum Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos 2, Kassel (04.02.) und des Gruppenkommandos 5, Wien (01.05.)
1939-1942 Teilnahme am Zweiten Weltkrieg als Truppenführer und Wehrmachtbefehlshaber Südost
1940 Beförderung zum Generalfeldmarschall
1945 Gefangennahme durch die US Army, Garmisch-Partenkirchen
1948 Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe durch den US Militärgerichtshof V, Nürnberg
1952 Entlassung aus der Haft im US Kriegsverbrechergefängnis, Landsberg am Lech
Weitere Angaben zur Person: Religion: protestantisch
Verheiratet: 1911 Kitzingen a. M., Hedwig Karoline, geb. Kleinschroth (1886-1971)
Eltern: Vater: Dr. Walter List (1853-1907), praktischer Arzt
Mutter: Christine, geb. Schorn (1845-1937)
Geschwister: Elisabeth (geb. 1870)
Andreas (geb. 1872)
Kinder: 1 Sohn, 2 Töchter
GND-ID: GND/128569697

Biografie: Othmar Hackl (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 215-218

List entstammte väterlicherseits einer im Neuwürttembergischen beheimateten Familie – der Vater war Arzt in Ulm und in Oberkirchberg, der Großvater Stadtpfarrer in Ulm –, während die mütterliche Seite in der Nähe von Coburg lebte. 1890 zog die Familie nach München um, wo List das humanistische Luitpold-Gymnasium bis zum Absolutorium besuchte.
Nach seinem Eintritt als Fahnenjunker und Zweijährig Freiwilliger 1898 in das Pionier-Detachement, München, und der Offiziersausbildung an der bayerischen Kriegsschule wurde er 1900 im nunmehrigen 3. Pionierbataillon zum Leutnant befördert. Es folgten von 1902 bis 1904 die weitere Pionierausbildung an der bayerischen Artillerie- und Ingenieurschule, München, und anschließend die Ernennung zum Adjutanten in seinem Pionierbataillon. Von 1908 bis 1911 nahm er als Oberleutnant am 41. Lehrgang der bayerischen Kriegsakademie teil, den er mit einer sehr guten Beurteilung abschloß. Nach Kommandos zum 1. Infanterieregiment „König“ und zur Zentralstelle des bayerischen Generalstabes, München, wurde er 1913 unter Beförderung zum Hauptmann zum Kompaniechef im 1. Pionierbataillon ernannt und 1914 in die Zentralstelle des bayerischen Generalstabes versetzt.
Im Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1916 als 4. Generalstabsoffizier im Generalstab des II. bayerischen Armeekorps an den Schlachten und Gefechten in Lothringen, Nordfrankreich und Flandern teil. Nach einer kurzen Verwendung in der Armee-Abteilung I des bayerischen Kriegsministeriums, München, wurde er 1916 in den Generalstab des Armeeoberkommandos der Armee-Abteilung von Strantz wieder an die Westfront versetzt.
1917 zum 1. Generalstabsoffizier im Generalstab der 8. bayerischen Reservedivision ernannt, nahm er an den Kämpfen in den Siebenbürgischen Grenzkarpaten, in Galizien und in der Bukowina sowie am Isonzo und in Flandern teil. Im Frühjahr 1918 wurde er wieder in das bayerische Kriegsministerium, München, kommandiert, wo er die Revolution, den Waffenstillstand und die Räteherrschaft erlebte.
1919 zum Major befördert, wurde er nach Abschluß seiner Verwendung im nunmehrigen Ministerium für militärische Angelegenheiten in das Übergangsheer der Vorläufigen Reichswehr übernommen und im Stab des Bayerischen Gruppen-Kommandos Nr. 4, München, eingesetzt. Im neugebildeten Reichsheer wurde er zunächst als Generalstabsoffizier im Stab des Infanterieführers bei der 7. Division, München, verwendet und 1923 unter Beförderung zum Oberstleutnant zum Kommandeur des III. (Jäger-)Bataillons im 19. (Bayerischen) Infanterieregiment, Kempten, ernannt. Von 1924 bis 1933 wurde List im Bereich der Ausbildung verwendet, wo er sich seinen Ruf als „Ausbildungspapst“ erwarb: bis 1926 zunächst Leiter der Führergehilfenausbildung im Generalstab der 7. (Bayerischen) Division, München, war er anschließend in Berlin Referent bzw. ab 1927 unter Beförderung zum Oberst Abteilungsleiter der Heeresausbildungsabteilung (T 4) des Truppenamtes der Heeresleitung im Reichswehrministerium, bis er 1930 als Generalmajor zum Kommandeur der Infanterieschule, Dresden, ernannt wurde.
Darauf folgten in steiler Laufbahn eine lange Reihe hoher und höchster Verwendungen als Truppenführer: von 1933 bis 1935 als Generalleutnant Divisionskommandeur der 4. Division und Befehlshaber im Wehrkreis IV, Dresden, dann – im Rahmen der Aufrüstung der Wehrmacht – von 1935 bis 1938 als General der Infanterie Kommandierender General des IV. Armeekorps, ebenfalls in Dresden, 1938 zunächst Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos 2, Kassel, und – nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich – Oberbefehlshaber des aus dem österreichischen Bundesheer gebildeten Gruppenkommandos 5, Wien, mit Beförderung zum Generaloberst 1939.
Im Zweiten Weltkrieg kam Lists operative Führungskunst voll zur Geltung. Er führte im Polenfeldzug 1939 im Rahmen der Heeresgruppe Süd als Oberbefehlshaber die 14. Armee. Mit dieser stieß er aus Oberschlesien, Mähren und der Slowakei über Krakau und entlang der Weichsel sowie über Gorlice und den San bis in den Raum Tomaszow-Lemberg vor, wofür er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet wurde.
Im Westfeldzug 1940 griff er mit der 12. Armee im Rahmen der Heeresgruppe A aus der Eifel heraus durch den nördlichen Teil Luxemburgs über die Ardennen in Südbelgien sowie zwischen Sedan und Fumay über die Maas an und stieß bis in den Raum Rethel an die Aisne vor. Im weiteren Verlauf des Feldzuges drang er nach Süden über das Plateau von Langres und Besançon bis Pontarlier an der Schweizer Grenze vor. Am 19. Juli 1940 wurde er zum Generalfeldmarschall befördert.
Im Balkanfeldzug 1941 trat List mit der 12. Armee in Bulgarien zum Angriff an. Er drang in Südjugoslawien ein, durchbrach in Nordgriechenland die Metaxas-Linie, nahm Saloniki in Besitz und stieß nach Süden über die Thermopylen bis nach Athen und in den Peloponnes vor. Nach Abschluß der Kämpfe wurde er zusätzlich zum Wehrmachtbefehlshaber Südost ernannt. In dieser Eigenschaft wurde er mit einer um sich greifenden Aufstandsbewegung konfrontiert. Nach einer Erkrankung im Herbst 1941 und einer Inspektionsreise nach Norwegen und Finnland im Frühjahr 1942 wurde List am 10. Juli 1942 zum Oberbefehlshaber der aus der Heeresgruppe Süd neu gebildeten Heeresgruppe A im Südabschnitt der Ostfront ernannt. Gemäß Hitlers Weisung Nr. 45 für die Fortsetzung der Operationen gegen die Sowjetunion vom 23. Juli 1942 sollte er in allgemein südlicher Richtung an der Ostküste des Schwarzen Meeres entlang sowie gegen und über den Kaukasus angreifen, um die Ölgebiete von Batum, Maikop und Grossny in Besitz zu nehmen und weiter bis Tiflis und Baku vorzustoßen. Die links benachbarte Heeresgruppe B sollte gleichzeitig und rechtwinklig nach Osten zur Wolga angreifen, um Stalingrad zu nehmen. List kritisierte diesen irrationalen, allen operativen Führungsgrundsätzen und jedem geschulten Führungsdenken widersprechenden Operationsplan des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht Hitler. Wie von List vorausgesehen, waren insbesondere nach dem Abzug starker Verbände seine Kräfte zu schwach, um die zu weit gesteckten Angriffsziele zu nehmen. Nach Meinungsverschiedenheiten über die Weiterführung der Operationen wurde er bereits am 10. September 1942 seines Postens enthoben, in die Führerreserve des Oberkommandos des Heeres versetzt und bis zum Kriegsende nicht wieder verwendet.
Ende April 1945 wurde er an seinem Wohnort Garmisch-Partenkirchen von der US Army verhaftet. Im Februar 1948 verurteilte ihn der US Militärgerichtshof V in Nürnberg im Fall 7, dem Geisel-Prozeß bzw. Südost-Prozeß, für Maßnahmen bei der Bekämpfung von Partisanen auf dem Balkan, zur Befriedung des Landes und zum Schutz der eigenen Soldaten wegen angeblich von ihm zu verantwortender Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Im amerikanischen Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech schrieb er im Februar 1949 für die von Generaloberst a. D. Franz Halder geleitete Control Group bei der Historical Division des European Command der US Army die inhaltsreiche „Studie über den Generalstab des Deutschen Heeres“. Im Dezember 1952 wurde er aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Er kehrte an seinen Wohnort Garmisch-Partenkirchen zurück, wo er 1971 verstarb. Bei seiner Beerdigung am 20. August 1971 in Garmisch erwies die Bundeswehr militärische Ehren.
Im Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg, befinden sich der Personalakt Lists, die Studie über den Generalstab und aus seinem Nachlaß über zweitausend Fotographien. Seine Notizbücher und persönlichen Aufzeichnungen mußten nach seinem Tod vernichtet werden.
List war eine starke Persönlichkeit, die Autorität, Haltung und Würde ausstrahlte. Von Geburt Württemberger, erhielt er seine humanistische Bildung im kulturell aufgeschlossenen München der „Prinzregentenzeit“, seine militärische Bildung, Ausbildung und Erziehung im königlich bayerischen Heer vor dem Ersten Weltkrieg. In die Ranggruppe der Generale stieg er bereits im Reichsheer der Weimarer Republik auf. In der Generalität des Heeres der Wehrmacht gehörte er zur „alten Schule“. Wie die meisten Offiziere seiner Generation verstand er sich als Staatsdiener. Parteipolitische Affinitäten waren ihm fremd. List galt seit den zwanziger Jahren als Kapazität auf dem Gebiet militärischer Bildung und Ausbildung. Im Zweiten Weltkrieg erwarb er sich den Ruf eines verantwortungsbewußten Truppenführers, eines operativ herausragenden Oberbefehlshabers und eines aufrechten Soldaten mit Zivilcourage. Er scheute sich nicht, Hitler gegenüber abweichende Auffassungen zu vertreten und war bereit, dafür auch persönliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Die Tragik seines Soldatenlebens liegt darin, daß sein militärisches Dienen für Deutschland vom Staatsoberhaupt und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, Hitler, mißbraucht und daß er nach dem Zweiten Weltkrieg von einem US-Militärgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Quellen: Personalakte und Nachlaß in: BA-MA, Pers 6/10 und N527
Werke: Studie über den Generalstab des Deutschen Heeres, Landsberg am Lech 1949, in: BA-MA, P-031 b, Vol. XIV
Nachweis: Bildnachweise: Otto E. Moll, nach S. 112

Literatur: Otto E. Moll, Die deutschen Generalfeldmarschälle 1939-1945, Rastatt/Baden 1961; Hans Laternser, Verteidigung deutscher Soldaten, Plädoyers vor alliierten Gerichten, Bonn 1950; Reinhard Stumpf, List, Wilhelm, in: NDB 14, 1985, 698 f.; Othmar Hackl, Die Bayerische Kriegsakademie (1867-1914) (= Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte, hg. von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 89), München 1989, mit weiteren Quellen- und Literaturangaben, S. 308-312, 511 f.
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