Nibel, Hans Johann 

Geburtsdatum/-ort: 31.08.1880; Olleschau (Mähren)
Sterbedatum/-ort: 25.11.1934;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Konstrukteur
Kurzbiografie: 1900-1904 Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule München, Diplom-Ingenieur-Examen
1904 Eintritt in das Konstruktionsbüro der Benz&Cie., Rheinische Gasmotorenfabrik Aktiengesellschaft, Mannheim
1908 Ernennung zum Chefkonstrukteur bei Benz&Cie.
1911 Leiter des Konstruktionsbüros bei Benz&Cie.
1913 Ernennung zum Prokuristen bei Benz&Cie.
1917 Berufung in den Vorstand als stellvertretendes Mitglied
1922 Berufung als ordentliches Vorstandsmitglied; Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. Ing. h. c.) der Technischen Hochschule Karlsruhe
1924 Berufung in den Vorstand der Interessengemeinschaft zwischen der Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz&Cie.
1929 Leiter des zentralen Konstruktionsbüros der Daimler-Benz AG
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1928 (Mannheim) Anna Rohrer (1883-1980)
Eltern: Vater: Johann Nibel (1839-1914), Fabrikdirektor
Mutter: Laura, geb. Hausladen (geb. 1858)
Geschwister: 1 Bruder
2 Schwestern
GND-ID: GND/128740019

Biografie: Harry Niemann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 192-193

Nibel wurde im Jahre 1880 als Sohn eines deutschen Fabrikdirektors in Olleschau in Mähren geboren. Nachdem Nibel das humanistische Gymnasium in Mährisch-Schönberg mit dem Abitur verlassen hatte, nahm er anschließend ein Ingenieur-Studium an der Technischen Hochschule München auf. Begünstigt durch ein hervorragendes Examen, trat Nibel noch in seinem 24. Lebensjahr in das Konstruktionsbüro der Benz&Cie., Rheinische Gasmotorenfabrik Aktiengesellschaft, Mannheim ein. In dieser Stellung tat sich Nibel immer wieder mit herausragenden Leistungen hervor, so dass Nibel nicht nur eine Reihe von Auszeichnungen erhielt, sondern bereits im Jahre 1908 zum Chefkonstrukteur avancierte. Weitere Stationen seiner Karriere waren der Aufstieg zum Leiter des Konstruktionsbüros im Jahre 1911 und die Ernennung zum Prokuristen im Jahre 1913.
Zu den größten Erfolgen Nibels gehörte seine maßgebliche Mitarbeit an diversen Rekordfahrzeugen. So wurde unter seiner Ägide ein Rennwagen – der sogenannte „Blitzen-Benz“ – konstruiert, mit welchem im Jahre 1911 mit 228 km/h ein Weltrekord aufgestellt wurde. Dieser Weltrekord sollte erst im Jahre 1920 gebrochen werden. Jedenfalls blieb der sogenannte „Blitzen-Benz“, mit dem noch eine Reihe anderer Weltrekorde erzielt wurde, bis heute untrennbar mit dem Namen Hans Nibel verbunden. Im Übrigen betätigte sich Nibel auch persönlich als Rennfahrer, etwa bei Zuverlässigkeitsfahrten wie der „Prinz-Heinrich-Fahrt“ oder der „Karpathen-Fahrt“.
Als Leiter des Konstruktionsbüros bei Benz&Cie. hatte Nibel während der Zeit des Ersten Weltkrieges in Mannheim und in Gaggenau einschneidende Umstellungen vorzunehmen. Es galt, das Produktionsprogramm dem wehrwirtschaftlichen Bedarf anzupassen und zugleich die erforderlichen Neuentwicklungen durchzuführen. Da Nibel sich auch in dieser Aufgabe bewährte, wurde er im Jahre 1917 zum stellvertretenden Mitglied des Vorstandes berufen, um im Jahre 1922 als ordentliches Vorstandsmitglied ernannt zu werden. In diesen Jahren entwickelte Nibel – gemeinsam mit Max Wagner, dem Leiter des Mannheimer Konstruktionsbüros für Fahrgestelle – zum ersten Male Rennwagen in Stromlinienform und mit Schwingachsen. Die Leistungen dieser Rennwagen riefen bei internationalen Wettbewerben Aufsehen und Anerkennung hervor. Überdies trug Nibel maßgeblich zur Entwicklung des Dieselmotors für die Verwendung in Straßenfahrzeugen bei. Angesichts solcher, aber auch anderer Verdienste um den Automobilbau verlieh ihm die Technische Hochschule Karlsruhe im Jahre 1922 die Ehrendoktorwürde.
Im Jahre 1924 wurde eine Interessengemeinschaft zwischen der Benz&Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik Aktiengesellschaft und der Daimler-Motoren-Gesellschaft gegründet. Nibel, der als einer der frühesten und überzeugtesten Verfechter einer Fusion galt, wurde recht bald in den Vorstand der „Interessengemeinschaft Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz&Cie.“ berufen und leistete in diesem Gremium einen durchaus erheblichen Beitrag für das Gelingen der im Jahre 1926 erfolgten Fusion der beiden Unternehmungen zur Daimler-Benz AG. Nach dem Ausscheiden Ferdinand Porsches als Chef des Konstruktionsbüros der Daimler-Benz AG übernahm am 1. Januar 1929 Nibel die Gesamtleitung des zentralen Konstruktionsbüros. In dieser Position setzte Nibel bedeutsame Akzente hinsichtlich Modellgestaltung und Produktionsprogramm. Hervorzuheben ist in diesem Kontext die Entwicklung eines vergleichsweise kleinen, wirtschaftlichen und preisgünstigen Fahrzeugs. Dieses Fahrzeug –der Mercedes-Benz Typ 170, auch der „kleine Mercedes“ genannt – wurde im Jahre 1931, also während der Zeit der Weltwirtschaftskrise, anlässlich des Pariser Autosalons vorgestellt. In technischer Hinsicht verdient die Konstruktion des Typs 170 insofern Beachtung, als der Wagen vorne und hinten mit Schwingachsen, d. h. einer Einzelradaufhängung, ausgestattet war. Für die Modellpalette der Daimler-Benz AG bedeutete die Produktionsaufnahme des „kleinen Mercedes“ vor allem eine Arrondierung „nach unten“. Damit wurde den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Krisenjahre Rechnung getragen und ein Beitrag dafür geleistet, dass die Daimler-Benz AG im Vergleich mit den konkurrierenden Unternehmungen während dieser Jahre relative Stärke bewies.
Aufmerksamkeit über die „Sport- und Automobilwelt“ hinaus wurde Nibel in seinen letzten Lebensjahren zuteil, als unter seiner Ägide der erste „Silberpfeil“ – ausgestattet mit Einzelradaufhängung – konstruiert wurde. Die von den Fahrern Rudolf Caracciola und Luigi Fagioli auf diesen „Silberpfeilen“ errungenen vielbeachteten Siege sind deshalb nicht zuletzt Nibel zu verdanken. Als letzter Beitrag seines Lebenswerkes sollte sich die Entwicklung des ersten Luftschiff-Dieselmotors für den LZ 129 herausstellen. Nibel verstarb am 25. November 1934 in seinem 55. Lebensjahr.
Quellen: Daimler-Chrysler Konzernarchiv, Stuttgart-Untertürkheim.
Werke: Abfederung schwingender Halbachsen mit Schraubenfedern (DRP 518 847 von 1930); Vorderachse mit Gelenkviereck und Schraubenfeder (DRP 615 969 und 707 110 von 1932); gegabeltes Zentralrohr mit Heckmotor (DRP 710 484 von 1932).
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im Daimler-Chrysler Konzernarchiv, Stuttgart-Untertürkheim.

Literatur: Max Kruk/Gerold Lingnau, 100 Jahre Daimler-Benz: Das Unternehmen, 1986; Wilfried Feldenkirchen, „Vom Guten das Beste“ – Von Daimler und Benz zur Daimler-Chrysler AG, Bd. 1: Die ersten 100 Jahre (1883-1983), 2003; Günter Engelen, Der große Unbekannte, in: Mercedes-Benz Classic, 2003, H. 4, 48-51.
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