Holzing-Berstett, Max Freiherr von 

Geburtsdatum/-ort: 01.01.1867;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 09.09.1936;  Bollschweil im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Generalmajor, Hippologe, Präsident der Fédération Equestre Internationale (FEJ)
Kurzbiografie: 1885 (1.10.) Fahnenjunker des Badischen Leib-Dragonerregiments Nr. 20 in Mannheim
1887-1891 Abkommandierung zum Militär-Reitinstitut Hannover
1891-1896 Dienst beim Leibdragonerregiment Nr. 20 seit 1895 als Premierleutnant
1896-1898 Abkommandierung in den Großen Generalstab in Berlin
1899-1900 Ordonanzoffizier bei Prinz Max von Baden (dem späteren letzten kaiserlichen Reichskanzler)
1901 Rittmeister
1902 Eskadronchef im 1. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam
1905 Leiter des kaiserlichen Leibstalls
1907 Major
1908 Versetzung in das Große Hauptquartier als diensttuender Flügeladjudant Kaiser Wilhelms II.
1913 Oberstleutnant und Führer des 1. Garde-Dragoner-Regiments in Berlin
1914-1918 Teilnahme am 1. Weltkrieg: an der Westfront bis 1915, Beförderung zum Oberst; 1915-1917 an der Ostfront, nach Verwundung 1917 im Westen, bei Kriegsende zum Generalmajor befördert 15.7.1918, Kommandeur der 25. Kavallerie-Brigade in der Ukraine
1929 Vorsitzender des Deutschen Olympiade Komitees
1935 Präsident der Fédération Equestre Internationale (FEJ)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1896 Elsa Freiin von Seideneck (gest. 1941)
Eltern: Vater: Adolf Freiherr von Holzing-Berstett (1819-1905), Großherzoglich badischer Oberstallmeister
Mutter: Amélie, geb. Freiin von Berstett (1836-1907)
Geschwister: ein Bruder, Adolf (1865-1909), Major im Generalstab
Kinder: 4, ein Sohn und drei Töchter; darunter die Dichterin Marie-Luise, verheiratete von Kaschnitz (1901-1974)
GND-ID: GND/137706642

Biografie: Klaus W. Jonas (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 141-143

Der aus einem alten badischen Adelsgeschlecht stammende Holzing-Berstett war – der Tradition seiner Familie entsprechend – von früher Jugend an für die Offizierslaufbahn bestimmt. Dabei erwies sich die durch seinen Vater, der über erstklassiges Pferdematerial verfügte, gelegte reiterliche Grundlage für seinen späteren Lebensweg als ausschlaggebend. Am 1. 10. 1885 trat er als Fahnenjunker in das Bad. Leib-Dragoner-Regiment Nr. 20 in Mannheim ein, wurde am 15. 2. 1887 zum Sekondeleutnant befördert und im Herbst desselben Jahres an das Militär-Reitinstitut nach Hannover kommandiert in Anerkennung seiner ungewöhnlichen reiterlichen Begabung. Kurz vor Beendigung dieses vierjährigen Kommandos nahm er 1891 als Mitglied der deutschen Offiziersequipe am Internationalen Reitturnier in Turin teil, wobei ihn die Überlegenheit des italienischen Springstils deutlich die Fehler des in Hannover gelehrten Systems erkennen ließ. Von 1891 bis 1896 – seit Juni 1895 als Premierleutnant – stand Holzing-Berstett wieder bei seinem Regiment in Karlsruhe, wo er sich bei zahlreichen Regiments-Jagden und Turnieren bewährte.
Vom 1. 4. 1896 bis 1. 4. 1898 war Holzing-Berstett zur Dienstleistung in den Großen Generalstab nach Berlin kommandiert. Nach Rückkehr in seine badische Heimat wurde er à la suite des Regiments gestellt und am 22. 5. 1899 als Ordonanzoffizier beim Prinzen Max von Baden (1867-1929), dem späteren letzten kaiserlichen Reichskanzler, nach Karlsruhe berufen. Im Sommer des folgenden Jahres kehrte er in sein Regiment zurück und wurde im September 1901 zum Rittmeister befördert. Nach anderthalbjähriger Dienstzeit im Garde-Kürassier-Regiment wurde Holzing-Berstett am 18. 8. 1902 als Eskadrons-Chef in das I. Garde-Ulanen-Regiment nach Potsdam versetzt, wo er in dem damaligen Unteroffizier, dem späteren „Königlichen Sattelmeister“ Otto Lörke sofort dessen ungewöhnliche Begabung als Dressurreiter erkannte und förderte.
Im Sommer 1905 wurde Holzing-Berstett von der Stellung als Eskadrons-Chef enthoben. Durch den Leiter des Königlich Preußischen Marstalles, Hugo Freiherr von Reischach, wurde ihm die Leitung des zum Reitstall gehörenden Kaiserlichen Leibstalls anvertraut. 25 Jahre lang hatte diese besonders verantwortliche Aufgabe in den Händen des Oberstallmeisters Plinzer gelegen. Wie Gustav Rau anläßlich Holzing-Berstetts 60. Geburtstags schrieb, „hat dieser mit Überlegenheit, Tatkraft und Schwung an Stelle der geplinzerten Pferde das Ideal des deutschen Reitpferds im Sinne unserer alten Meister Seidler, Saeger und Steinbrecht gesetzt. Die ganze Armee kannte seine Fähigkeiten als Reiter.“
Ein Jahr nach Holzing-Berstetts Beförderung zum Major erfolgte seine Versetzung ins Große Hauptquartier als einer der diensttuenden Flügeladjutanten Kaiser Wihelms II. In der Umgebung des Monarchen, dem er keineswegs kritiklos gegenüberstand, nahm er in den folgenden Jahren an zahlreichen In- und Auslandsreisen – u. a. im Herbst 1912 als Beobachter der Manöver der Schweizer Armee – teil. Am 22. 3. 1913 wurde Holzing-Berstett unter Belassung seines Verhältnisses als Flügeladjutant mit der Führung des I. Garde-Dragoner-Regiments in Berlin beauftragt. Der kurz zuvor zum Oberstleutnant beförderte Holzing-Berstett nahm in dieser Zeit an internationalen Turnieren – so im Herbst 1913 an der „Horse Show“ in London – teil und erzielte am 19. 4. 1914 in Magdeburg einen Rekord beim Hochspringen über 1,90 m.
Bei der Mobilmachung im August 1914 kam Holzing-Berstett als Regimentskommandeur zunächst an den westlichen Kriegsschauplatz, wurde im Sommer 1915 zum Oberst befördert, nahm 1915-1917 an der Ostfront an zahlreichen Schlachten und Gefechten teil, diente nach einer Verwundung 1917 an der holländisch-belgischen Grenze im Grenzschutz und stand bei Kriegsende – nach Beförderung zum Generalmajor – als Kommandeur der 25. Kavallerie-Brigade in der Ukraine. Auf eigene Faust schloß sich Holzing-Berstett dem einstigen zaristischen Admiral Aleksander Koltschak (1874-1920) im Kampf der Weißen Armee gegen das neue bolschewistische Regime an, erkannte aber die Aussichtslosigkeit der Situation und kehrte nach dessen Hinrichtung nach Bollschweil zurück.
Nach 35 Dienstjahren betätigte sich Holzing-Berstett, der - wie seine Tochter schrieb – „ein Außenseiter war und der rote General genannt wurde“, nunmehr als Landwirt, als Obstzüchter, als Organisator ländlicher Reitervereine, Richter und Reiter. Noch im Alter von 66 Jahren nahm er 1933 an Hochsprungkonkurrenzen auf öffentlichen Turnieren teil. Aber nicht nur als aktiver Sportler spielte er in der Nachkriegszeit eine prominente Rolle, sondern vor allem als eine Art Diplomat mit organisatorischem Geschick. Der übrigens auch künstlerisch und schriftstellerisch begabte Holzing-Berstett setzte sich erfolgreich für die Gründung der „Vereinigung zur Förderung der Reiterei bei den Olympischen Spielen 1928“ ein. Bereits Anfang 1927 hatte er die Aufnahme des deutschen Reitsports in den internationalen Weltverband, die Fédération Equestre Internationale, erreicht – kein Wunder, daß er 1929 bei der Neukonstituierung des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei zu dessen Vorsitzendem gewählt wurde.
Doch vor allem blieb er aktiver Reiter, nahm im Februar 1925 beim Berliner Reit- und Fahrturnier an der in historischen Uniformen gerittenen Schulquadrille unter dem Motto „Friedrich der Große und seine Kavallerieführer“ auf dem Schimmel Markgraf Ludwig als Generalleutnant von Belling teil und im Februar 1929 an der von acht inaktiven Generalen gerittenen Hindenburg-Schulquadrille beim Reichsverbandsturnier in Berlin.
Nachdem Holzing-Berstett 1926 als Chef einer vom Deutschen Olympia-Komitee nach der Schweiz entsandten Equipe am internationalen Reitturnier in Luzern teilgenommen hatte, beobachtete er mit besonderer Genugtuung den mit dem Genfer Turnier 1929 einsetzenden Siegeszug der deutschen Reichswehrequipe, die bereits im folgenden Jahr in Rom zum ersten Mal die begehrte „Coppa Mussolini“ errang.
Auf Grund seiner langjährigen Erfahrung im internationalen Turniersport und des hohen Ansehens, das er seit Jahren gerade auch im Ausland genoß, wurde er 1935 als erster Deutscher zum Präsidenten der FEI und somit zum höchsten Repräsentanten des Reitsports gewählt. In dieser Eigenschaft erlebte er als Krönung seiner Laufbahn im Sommer 1936 noch die Erfolge der deutschen Reiter bei den Olympischen Spielen in Berlin. Noch am Tage vor seinem Tode ist er in Bollschweil zwei Stunden auf seinem Schimmel Prinz Eugen geritten.
Holzing-Berstett war eine überragende, unvergeßliche Gestalt des deutschen, ja des internationalen Reitsports, ein Grandseigneur vom Scheitel bis zur Sohle.
Werke: (Auswahl) General von Moltkes Einwirkung auf den strategischen Gang des Krieges gegen Dänemark, in: Beihefte zum Militär-Wochenblatt, 4. Heft 1898, 129-142; Die Kavallerie-Division: Aufklärung, Verschleierung und Eingreifen in den Kampf gemischter Waffen, Berlin E. S. Mittler, 1906, 40 S.; Briefe über die Vorgeschichte der deutschen Kavallerie, in: Kavalleristische Monatshefte, Jg. 4, Heft 4 (April 1907), 277-284; Die Reitkunst im Dienste der Armee, Berlin E. S. Mittler, 1910, 16 S.; Deutsche Pferde in Olympia 1911, in: Deutsches Offiziersblatt, Jg. 14, Nr. 27 (1911), 562-563; Dressurausschuß der Internationalen Vereinigung für Reiterei, in: Sankt Georg, Jg. 31 (1. August-Heft 1930), 33-34; (2. August-Heft 1930), 12-14.
Nachweis: Bildnachweise: 2 Ölporträts in Schloß Bollschweil, Fotos StAF, Bildnissammlung.

Literatur: H. Q.: Das Internationale Turnier in Luzern vom 3. bis 11. Juli 1926, in: Sankt Georg, Jg. 27, Nr. 12 (1926), 2530; Gustav Rau: Zum 60. Geburtstag von Generalmajor a. D. von Holzing-Berstett, in: Sankt Georg, Jg. 28 (1. Januar-Heft 1927), 7; ders.: Generalmajor Max Freiherr von Holzing-Berstett, in: Sankt Georg, Jg. 37, Nr. 18 (3. September-Heft 1936), 4; Hubert König: General Freiherr von Holzing-Berstett, in: Der Badische Leib-Dragoner, Jg. 11, Nr. 10 (Oktober 1936), 1-2; Max von Posseck: M. v. Holzing-Berstett in memoriam, in: Der Badische Leib-Dragoner, Jg. 11, Nr. 11 (November 1936); Marie Luise von Kaschnitz: Tage, Tage, Jahre, Frankfurt a. M. Suhrkamp Verlag, 1968, 114, 145, 299-300, 305; Werner Menzendorf/Hans-Joachim von Killisch-Horn, Reitsport, Berlin, Hamburg Verlag Paul Parey, 1972, 241; Klaus W. Jonas, Reiterfamilie Hasse. Väter und Söhne, in: Reiter Revue International, Jg. 17, Nr. 9 (September 1974), 665; Marie Luise von Kaschnitz, Beschreibung eines Dorfes. Frankfurt a. M. Suhrkamp Verlag 1974, 23; Klaus W. Jonas, M. Freiherr v. Holzing-Berstett, in: Reiten und Fahren, Nr. 5 (Oktober 1976), II-X; ders., M. Freiherr v. Holzing-Berstett (1867-1936), in: Ekkhart 1983, 127-135.
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