Zu den Anfängen des Tierschutzes im Königreich Württemberg

Mitgliedskarte König Wilhelms II. von Württemberg im Bund für Vogelschutz, 1917. Quelle LABW (HStAS E 14 Bü. 1388 Nr. 5)
Mitgliedskarte König Wilhelms II. von Württemberg im Bund für Vogelschutz, 1917. Quelle LABW (HStAS E 14 Bü. 1388 Nr. 5)

Schon lang lag mirs im Gemüthe, eine Fürsprache für die Thiere, die unter uns leben, bey meinen Mitmenschen einzulegen und gleichsam der Mund dieser stummen und doch empfindenden Geschöpfe zu seyn. Mit diesen Worten eröffnete der Mössinger Pfarrer Christian Adam Dann (1758–1837) seine programmatische Schrift Bitte der armen Thiere […] an die Menschen, die er 1822 anonym in Tübingen erscheinen ließ. Veranlasst wurde deren Abfassung durch die mutwillige Tötung eines Storchs, der auf Danns Pfarrkirche gebrütet hatte. Anklagend erhob der bekannte Erweckungstheologe seine Stimme zugunsten der geschundenen Kreatur. Eindringlich schilderte er die vom Menschen verursachten Qualen der Tiere, denen er ein Plädoyer für eine christlich fundierte Tierschutzethik gegenüberstellte. Christian Adam Dann war ein Pionier des Tierschutzes. Seine Predigten und Schriften entfalteten unter den Zuhörern und Lesern eine starke Wirkung. Noch Albert Schweitzer ließ sich von seinen Gedanken inspirieren. Nur wenige Monate nach Danns Tod gründete sein Schüler und Freund, der Stuttgarter Pfarrer und Dichter Albert Knapp (1798–1864), im Winter 1837/38 den ersten Tierschutzverein Deutschlands. Ziel der von angesehenen Bürgern getragenen Vereinigung war, weitere Zusammenschlüsse auf örtlicher Ebene zu initiieren, die Tierquälerei als Delikt in das Strafgesetzbuch aufzunehmen sowie in Schule und Kirche über die Belange des Tierschutzes zu informieren. In der Tat verabschiedete der Württembergische Landtag 1839 im Polizei-Strafgesetz einen Artikel, der denjenigen, der durch rohe Mißhandlung von Tieren Ärgernis gibt, mit einer Geldbuße oder Arreststrafe bedrohte. Auch fanden seit 1840 in allen Schulklassen des Landes mindestens zweimal jährlich Belehrungen über den Tierschutz statt. Trotz oder gerade auch wegen dieser Erfolge hatte Knapps Tierschutzverein nur kurzen Bestand; schon nach wenigen Jahren stellte er seine Aktivitäten ein.

Basierend auf Danns Leitgedanken kam es zwei Jahrzehnte später, am 17. Juni 1862, zur Gründung des Württembergischen Thierschutz-Vereins. Wie groß das Interesse an einem solchen Vorhaben war, zeigte sich bei der konstituierenden Versammlung, an der nicht nur der Stuttgarter Stadtschultheiß, sondern auch der württembergische Innenminister und der Chef des Departements des Kirchen- und Schulwesens teilnahmen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Mitglieder auf 2000, die allen Klassen der Gesellschaft angehörten. Bereits 1865 erklärte sich Königin Olga bereit, das Protektorat des Vereins zu übernehmen; 1894 folgte ihr Königin Charlotte in diesem Ehrenamt.

Die 1862 verfassten Statuten des Württembergischen Thier-Schutz-Vereins bezeichneten die Verhinderung von Thierquälereien als dessen Hauptaufgabe. Noch im Gründungsjahr prämierte der Vorstand Dienstknechte und Fuhrleute, die sich durch gute Behandlung der Pferde ausgezeichnet hatten. Schon im ersten 1863 veröffentlichten Rechenschaftsbericht finden sich ausführliche Belege dafür, dass man sich mit dem Transport von Schlachttieren, mit der Anschaffung geeigneter Eisenbahnwaggons, mit dem Einsperren von Masttieren, dem widernatürlichen Stopfen von Gänsen, mit der qualvollen Tötung von Fröschen, mit dem unerlaubten Fangen von Singvögeln intensiv beschäftigte. Selbst um die humane Tötung der allgemein als schädlich empfundenen Maikäfer bemühte man sich: Die aufgesammelten Krabbeltiere sollten körbeweise in siedendes Wasser getaucht und später in getrocknetem Zustand als Schweine- und Hühnerfutter verwendet werden.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich das ursprüngliche Anliegen der Tierschutzvereine in verschiedene Sparten aufzufächern. Bei den Neugründungen spielten Frauen eine herausragende Rolle, so etwa beim Württembergischen Frauen-Tierschutzverein, der seit 1916 ein eigenes Tierasyl im Feuerbacher Tal bei Stuttgart unterhielt. Dies gilt auch für den 1899 entstandenen Bund für Vogelschutz, der seiner unermüdlichen Vorsitzenden Lina Hähnle (1851–1941) eine rasante Entwicklung verdankte. Unter den mehr als 41 000 Einzelmitgliedern, die der in Stuttgart ansässige Verein 1914 zählte, befanden sich fast alle deutschen, aber auch zahlreiche europäische Fürstenhäuser.

Der Erste Weltkrieg bedeutete für die Arbeit der württembergischen Tierschutzvereine einen gravierenden Einschnitt. Bis dahin hatten sie jedoch ein gesellschaftliches Umdenken bewirkt: bei der Gesetzgebung, beim Schutz heimischer und exotischer Tierarten, sowie bei der Erhaltung und Pflege natürlicher Lebensräume.

      Albrecht Ernst

Quelle: Archivnachrichten 42 (2011), S. 21-22.
 

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