Beobachtungen zum Edikt von 1809 zur Gleichstellung der Juden Badens

Amtstracht für badische Rabbiner, 1843. Quelle LaBW (GLAK J-L-J Nr. 1)
Amtstracht für badische Rabbiner, 1843. Quelle LaBW (GLAK J-L-J Nr. 1)

Das Edikt Großherzog Karl Friedrichs von Baden, mit dem er im Januar 1809 die Juden seines Landes als Religionsgemeinschaft anerkannte und insoweit – nicht aber hinsichtlich der staatsbürgerlichen Rechte – den christlichen Konfessionen gleichstellte, schuf auch Fakten durch seine Verwendung von Begriffen.

Es fällt schon auf, dass die Veröffentlichung im Großherzoglich Badischen Regierungsblatt vom 11. Februar eine Titelgebung vermeidet und sogleich auf das sechste Konstitutionsedikt Bezug nimmt, dessen Artikel 19 die Juden den Christen in den staatsbürgerlichen Verhältnissen gleichgesetzt habe, was nun rechtlich auszugestalten sei. Urheber dieses Texts, wie auch derjenigen der Konstitutionsedikte, war der vielfach bewährte Geheime Rat Johann Nicolaus Friedrich Brauer, den man den Reformer, Organisator und Gesetzgeber Badens genannt hat. Er setzte dabei auf evolutionäre, Rücksicht auf das Herkommen nehmende Entwicklungen. Diese Vorgehensweise entsprach nicht den französischen Vorstellungen, und Napoleon drang auf einen Politikwechsel, bei dem Brauer im Juni 1808, als er soeben seinen Entwurf für das Gleichstellungsedikt vorgelegt hatte, weitgehend kaltgestellt wurde. Man drang nun auf raschere und radikalere Reformen, und Brauers Entwurf wurde überarbeitet. Vorbild war dabei die volle Emanzipation der Juden, die gerade in dem nach französischem Muster geschaffenen KönigreichWestphalen verfügt worden und schlagartig in Kraft getreten war. Im Text der Überarbeitung von Brauers Entwurf fällt nun ein markanter Unterschied ins Auge: Statt Juden heißt es stets Untertanen mosaischen Bekenntnisses. Eine Randbemerkung erklärt, dies sei geschehen, um den gehässigen Sektennamen der Juden zugleich mit der alten Idee des „eigenen" Volkes, die daran haftet, zu beseitigen, und so im Gesetz selbst, das amalgamieren soll, keinen neuen Reiz zum Zwiespalt zu vermögen. Die Radikalität dieser bis zur Sophistik getriebenen aufklärerischen Position besticht und befremdet zugleich. Denn den Juden sollte mit der Bezeichnung auch die Identität als Gruppe genommen werden, und zwar mit dem heuchlerischen Verweis auf den Schimpf, dem diese Bezeichnung zuvor schon ausgesetzt gewesen war! Mit der Anerkennung als Religionsgemeinschaft sollten sie also als Staatsbürger gleichgeschaltet werden. Noch Brauers sechstes Konstitutionsedikt hatte von den Einwohnern der jüdischen Nation gesprochen, wobei Nation in der älteren Bedeutung als Gruppe einer gemeinsamen regionalen Herkunft zu verstehen ist. Der Änderungsentwurf bezeichnet sich dagegen als Verordnung über die christlichen und bürgerlichen Verhältnisse der Untertanen des mosaischen Bekenntnisses und spricht weiter von mosaischen Glaubensgenossen und gar von Staatsbürgern mosaischer Religion und wollte einen Oberrat der mosaischen Religionsgemeinde schaffen.

Am Ende des Jahrs 1808 gewann jedoch wiederum die gemäßigtere Position Brauers die Oberhand, und es ging in den Akten wieder um die staatsbürgerlichen Rechte der Juden, den Begriff also, mit dem für Brauer keinerlei Abwertung verbunden war. So wurde sein ursprünglicher Entwurf vom Großherzog genehmigt; zum 1. Juli 1809 trat das Edikt in Kraft. Zuvor schon war die Zusammensetzung des Oberrats als des geistlich und weltlich besetzten Leitungsgremiums bekannt gegeben worden. Nach dem vorangegangenen Tauziehen um die zutreffende Bezeichnung verwundert es nicht, dass der Oberrat zunächst als Oberrat der Staatsbürger Mosaischen Bekenntnisses firmierte und auch im offiziellen Sprachgebrauch so bezeichnet wurde, als zum Beispiel Elkan Reutlinger, der erste Vorsitzende, und Seligmann Ettlinger die Einberufung von Deputierten aus dem ganzen Land beantragten. Auch die Mannheimer Judenschaft firmierte damals als Gemeinde mosaischen Bekenntnisses.

Das Gleichstellungsedikt bezweckte vor allem, wie der Titel der einschlägigen Akte es nennt, die bessere Organisation oder politische Verbesserung der Judenschaften in den Großherzoglich Badischen Landen, also die Integration in einen möglichst gleichmäßigen Untertanenverband in erzieherischer Absicht. Ein genauer Blick in die Quellen erweist, dass es schon bei der Entstehung des Edikts einen Widerstreit von Methoden und Absichten gab. Das Grundproblem der Emanzipation lässt sich so schon an Ihrem Ursprung begrifflich fassen.

 Volker Rödel

Quelle: Archivnachrichten 38 (2009), S.10.

Suche